Dreiundvierzig

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Snow

Ich weiß nicht, was ich mache. Ich renne einfach irgendwohin, mehr blind und abwesend als bei klarem Verstand.

Der Schmerz in meinem Bauch wird mit jeder Sekunde stärker, es ist, als ob Eisklauen mich auseinanderreißen wollen. In dem Moment, in dem ich Luciens Hand losgelassen habe, ist auch der Schild aus Licht und Flammen verpufft. Nun gibt es also kein Hindernis mehr, das diese Macht in meinem Inneren bannen würde - und sie schießt rasend schnell nach oben.

Das Wort, das die Person, die ich nicht erkennen konnte, gehaucht hat, verfolgt mich mit jedem Schritt.

Cynthia. Cynthia. Cynthia.

Es ist ein Echo in meinem Inneren, und zur Antwort schießt die fremde Eismacht in meinem Inneren hoch.

Cynthia. Cynthia. Cynthia.

Es ist der Name meiner Mutter - der Name der Person, die mir all diese Lieder hinterlassen hat und die ich in den Momenten der Einsamkeit gesungen habe. Auch das Lied des Anfangs, das Ices letzte Botschaft an mich gewesen ist, haben wir beide von ihren Bediensteten gelernt.

Cynthia. Cynthia. Cynthia.

Warum Mutters Name? Ist das ihr Eis? Wie kommt es, dass ich es in mir trage? Was hat das zu bedeuten? Und warum zum Teufel tut sie mir so sehr weh?

All diese Fragen dringen in den Hintergrund, werden für den Moment unwichtig. Ich muss weg hier - sofort. Anhand der Menge und des Schmerzes, die mir das Eis verursacht, wird es eine gewaltige Explosion geben, wenn es erst einmal nach außen dringt.

Mit einem Stöhnen pralle ich von irgendetwas ab. Ich sehe nun gar nichts mehr - und das macht mir noch mehr Angst, als es bei dem Angriff der Wesen der Fall gewesen ist, denn nun weiß ich ja, dass alle anderen normal sehen können, nur ich nicht.

Mein Kiefer schmerzt und mein Gesicht brennt. Blind greife ich ins Leere und versuche zu ertasten, gegen was ich gestoßen bin. Da, da ist etwas... harte, kantige Steine, kleine, feuchte Gewächse... Ich fluche lautstark. Eine Wand. Ich bin gegen eine Wand gerannt, weil ich nichts mehr erkennen kann!

Als das fremde Eis erneut gegen mein Inneres stößt, beuge ich mich würgend vor. Der Schmerz ist so übermächtig, dass ich meine Umgebung für einen Moment vergesse, dass ich alles vergesse und nur der Schmerz bleibt, der alles zerfressende Schmerz, der mich durchdringt... Ich übergebe mich. Mehrfach. Aber im Moment ist mir das egal, ich muss nur bei Bewusstsein bleiben, dann habe ich noch eine Chance, alles einzudämmen...

"Snow, was ist los?", fragt mich eine keuchende Stimme. Ich kenne die Stimme. Freedom.

Warnend hebe ich eine Hand in die Richtung, aus der ich ihre Frage dumpf gehört habe. Komm nicht näher, versuche ich ihr mitzuteilen, aber ich kriege keine Luft, ich habe keine Stimme mehr... Ich übergebe mich noch einmal.

Weit entfernt meine ich zu hören, wie Freedom meinen Namen erneut murmelt. Ich kann sie nicht mehr verstehen, ich kann sie nicht mehr hören, ihre Worte sind nur noch ein dumpfes Nuscheln, ein Wirrwarr, das ich nicht entziffern kann und der Schmerz steigt, steigt, steigt an, bis ich das Gefühl habe, ich sterbe, bis ich das Gefühl habe, ich werde in Stücke gerissen und mit dem Schmerz spüre ich das eiskalte Brennen in mir deutlicher denn je...

Storming LightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt