[Cheri grinst ebenfalls anzüglich. Und dann beginnt sie zu erzählen...]
Eine kleine Laterne in der Hand schleiche ich durch die finsteren Steinflure dieses eigenartigen Hauses, das einfach mitten im Nirgendwo gestanden hat, nachdem wir nach einer alternativen Unterkunft für die Wilden und unseren Trupp gesucht haben.
Snow ist noch immer nicht aufgewacht und so langsam fange ich an, mir Sorgen zu machen. Sie hat einiges abbekommen - schockierender Weise von ihrer eigenen Macht.
Auch Freya war danach sehr angeschlagen - zwar weniger physisch, aber dafür psychisch. Selbst nach diesen drei Tagen ist sie noch immer ein Schatten ihrer selbst, redet kaum, isst kaum, trinkt kaum und weicht kaum von Snows Seite. Armes Mädchen - sie macht sich bestimmt Vorwürfe.
Ein lautes Knarren lässt mich inne halten. Ich bin nur noch wach, weil ich eine Patrouille durch das gesamte Haus unternehme, um unwillkommene Gäste aufzuspüren, sollte es denn welche geben. Und dieses Geräusch eben... das war eindeutig eine knarrende Diele. Jemand schleicht hier herum und dieser jemand ist auf dem Weg zu Snows Kammer.
Leise wie ein Schatten setze ich mich in Bewegung, um den Eindringling zuerst zu beobachten, ehe ich ihn verschrecke. Im Gang von Snows Kammer angekommen, sehe ich, dass die Tür zu ihrem Raum nur angelehnt ist und flackerndes Kerzenlicht Schatten an die Wände malt. Ich lehne mich an die Wand neben der Tür und lausche angestrengt.
"Du kannst nicht mehr lange so weitermachen, Freya", redet eine gesenkte Stimme auf sie ein. "Du isst nichts, du trinkst nichts, du schläft nicht. Wenn Snow jetzt wach wäre, dann würde sie dir ordentlich in den Hintern treten, weil du dich so unverantwortlich verhältst."
"Sie ist aber nicht wach. Meinetwegen", antwortet Freya monoton. Ihre Stimme klingt brüchig und rauchig, wie die eines Geistes.
Kurz herrscht Stille. "So kann es nicht weiter gehen. Niemandem ist damit geholfen, wenn du dich zu Tode hungerst", ergreift er wieder das Wort. Jetzt erkenne ich auch seine Stimme. Es ist dieser seltsame Junge, der neben Freya und Snow im Schnee gekniet hat, als wir sie gefunden haben. Wieder herrscht für einen Augenblick Stille und ich höre förmlich die Verzweiflung in seiner Stimme. "Ich werde nicht zulassen, dass du mit jedem Tag mehr dahinsiechst, Freya. Ich werde, kann und darf es nicht zulassen." Er schluckt schwer. "Ich werde nicht tatenlos zusehen, wie du deinem Tod entgegen gehst. Ich... Ich habe noch nie derart für ein Mädchen gefühlt, aber ich werde dich ganz sicher nicht allein mit deiner Last lassen."
Für einen Moment setzt mein Herz einen Schlag aus. Ich kann nicht anders, als die Augen aufzureißen und wie erstarrt an Ort und Stelle zu stehen. Er liebt Freya. Und Freya...
Ein leiser Laut dringt aus dem Zimmer. "Dann lenk mich ab", haucht Freya leise und heiser. "Sorg dafür, dass ich nicht mehr daran denken muss."
Vollkommen verdattert stehe ich noch immer an Ort und Stelle. Ich weiß, dass ich nicht lauschen dürfte, und ich weiß, dass ich mich zurückziehen sollte, nun, da klar ist, dass es sich um keinen Eindringling handelt, aber... Ich kann nicht anders als stehen zu bleiben.
Die Geräusche von raschelnden Bettlaken und leidenschaftlichen Lauten sprechen eigentlich für sich, was da vor sich geht - und trotzdem kann ich nicht anders, als hier herumzustehen.
"Ich liebe dich", haucht dieser Junge - Hugo hieß er, wenn ich mich richtig erinnere - leise.
Freya antwortet mit einem genüsslichen Stöhnen und küsst ihn, den Geräuschen nach zu urteilen.
Eine andere Diele knarrt, nicht weit entfernt, und lässt mich zusammenfahren. Was mache ich hier eigentlich? Ich lausche wie eine Geistesgestörte, wie ein junges Liebespaar seine Liebe zelebriert. Bin ich etwa so einsam und neugierig?
Kopfschüttelnd husche ich den Weg zurück, den ich gekommen bin, und lasse den Raum hinter mir, in dem die Beiden nicht gerade leise in ihrem Tun sind.
Zwei Gänge weiter bleibe ich abrupt stehen, als ich eine hochgewachsene Gestalt im Flur sehe. Er ist einer der Wilden - genauer gesagt der Schrank von Mann, der uns bei Freyas Entführung gefesselt und Snow ein Messer an die Kehle gehalten hat. Die Arme vor der breiten Brust verschränkt, starrt er mich grinsend an. Mit dem Kopf deutet er in die Richtung, aus der ich gekommen bin, und aus der man hallend noch immer Freyas Laute hört, zu denen sich nun auch Hugos gemischt haben. "Wie schnell das alles gehen kann, nicht wahr?", flötet er gut gelaunt, wobei er seine Stimme senkt, um die anderen nicht aufzuwecken - wenn sie überhaupt noch schlafen, bei der Lautstärke der Laute.
Gleichgültig zucke ich mit den Achseln und gehe weiter, an ihm vorbei. "Manche haben eben mehr Glück was Beziehungsdinge angeht als andere", strecke ich ihm die Zunge heraus und stolziere davon.
Noch lange danach kann ich seinen nachdenklichen, brennenden Blick spüren, den er auf meinen Rücken gerichtet hat.
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Storming Light
Fantasy↬ Wenn Leben und Tod kollidieren...↫ ...Ich will nicht sterben. Das ist alles, woran ich denken kann. Als er mich ansieht, fährt ein schmerzhafter Stich durch mich hindurch. Ich kenne ihn. Ein einziges Gefühlskarussel dreht sich in mir, so plötzlich...