Sechsundvierzig

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ZEITGLEICH IN EINER GEHEIMEN HÖHLENSTADT IN LUNA...

Rose

"Narren!", fährt sie auf und wirft ihren Kelch nach mir.

Ich bewege mich nicht, weil ich weiß, dass es das ist, was sie von mir erwartet, weil ich weiß, dass es weitreichende Konsequenzen hätte, wenn ich ausweichen würde - wenn ich aufzeigen würde, dass die menschlichen Reste unserer Seele nicht ausgelöscht sind und die Experimente, die sie durchgeführt haben, nicht zu einhundert Prozent erfolgreich waren.

Daher trifft mich der Kelch an der Schulter. Ich weiche keinen Millimeter zurück, zucke nicht einmal zusammen. Ich bin ihre Wutausbrüche gewöhnt. Es ist immer dasselbe mit ihr.

Wild tigert sie auf und ab. "Ihr Kreaturen seid aber auch zu nichts wirklich nutze! Ihr hattet eine Aufgabe, nur eine einzige: Tötet Snow qualvoll! Mehr habe ich nicht von euch verlangt!", faucht sie lautstark und ihre Stimme hallt weit durch die engen Tunnel der unterirdischen Stadt.

Ich halte meinen Kopf gesenkt. Das ist genau das, was sie von einem - in ihren Augen - hirnverbrannten, nutzlosen, willenlosen Wesen erwartet.

Sie steigt die wenigen Stufen von ihrem Thron herunter, nimmt ein kleines Messer von einem Seidenkissen und bleibt vor mir stehen. Ihre hohen Schuhe geben dabei ein bedrohliches, klackerndes Geräusch von sich. Ein sadistisches, schlangengleiches Lächeln breitet sich auf ihren Lippen aus. "Rose, Liebes", säuselt sie zuckersüß, "Du weißt doch, was passiert, wenn du deine Leute nicht unter Kontrolle hältst und mir keine Ergebnisse lieferst."

Obwohl sich Angst in mir regt, bewege ich mich immer noch nicht. Ich darf sie nicht auf den Gedanken bringen, dass ich sie verstehen oder sehen könnte. Das wäre das Todesurteil für alle.

Mit einem ihrer langen, lackierten Fingernägel streicht sie über eine der verletzlichen Membranen meiner mit Menschenhaut bespannten Flügel. Dies ist ein provokantes Zeichen - denn die Produkte, die sie tagtäglich nutzt, um ihre Haut zu pflegen und ihre Nägel anzumalen, ist Handelsgut aus meinem Heimatland.

Ich bereite mich innerlich auf den Schmerz vor, der zweifellos kommen wird. Keine Sekunde zu früh - denn direkt nach der zärtlichen Geste stößt sie ihren Dolch in meinen vernarbten Flügel und lacht dabei genüsslich, während qualvoller Schmerz in mir explodiert und mir einen widerlichen Schrei entlockt.

Storming LightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt