Achtundvierzig

102 7 0
                                    

Linus

"Hast wohl nicht viele Freunde, wie?", zwinkert sie mir zu. Jetzt, da sie weiß, dass die königliche Garde nach mir sucht, scheint sie noch größeres Interesse an mir zu haben.

Sie packt mich am Arm und zieht mich auf den Boden hinter dem Tresen. "Was geht dich das an?", fahre ich sie leise an.

Nachdenklich schürzt sie die Lippen. "Naja", erwidert sie dann gedehnt mit Blick zu den Soldaten, die mittlerweile alle möglichen Vorhänge ohne Rücksicht zurückschlagen, um die Gäste zu überprüfen, "Ich könnte dich hier und jetzt verpetzen - oder aber du nimmst mich bei deiner Flucht mit."

Für eine Sekunde starre ich sie fassungslos an. "Dir ist bewusst, dass die keine Ruhe geben werden, bis ich entweder das Land verlassen oder sie mich gefunden haben, oder? Das ist nicht gerade ein wünschenswertes Leben."

Sie verdreht die Augen. "Das Leben im Bordell ist langweilig. Ich schaffe es kaum, einen einzigen Fuß vor die Tür zu setzen, und den ganzen Tag verlasse ich die seidenen Betten kaum."

Skeptisch ziehe ich die Augenbrauen hoch. Das erscheint mir eine weit bessere Option.

Betont wirft sie wieder einen Blick Richtung Soldaten. Sie haben mittlerweile alle Betten durchsucht und prüfen die Gäste am Tresen. Bald wird uns keine Fluchtmöglichkeit mehr zur Verfügung stehen.

Ich fluche leise. Mein Kopf dreht sich schmerzhaft. "Gibt es eine Möglichkeit, das Bordell ungesehen zu verlassen?"

Sie legt den Kopf schief, spitzt die Lippen und klimpert mit den Wimpern.

Genervt verdrehe ich die Augen. "Ist ja gut, ich nehme dich mit, aber nur wenn wir es hier heil herausschaffen", gebe ich nach.

Triumphierend grinst sie und übt leise Druck auf den Boden aus, woraufhin eine Falltür aufspringt. Sie legt einen Finger an die Lippen und atmet tief durch. "Er flieht durch die Falltür hier! Schnell!", kreischt sie, packt mich am Arm und zieht mich aus dem Raum heraus und die Treppe hoch, während die Soldaten unaufmerksam dorthin stürmen, wo wir vor wenigen Sekunden noch gewesen sind.

Oben angekommen schleppt sie mich durch einige Räume, lässt mich los, reißt dann ein Fenster auf, klettert auf das äußere Fenstersims und verschwindet in die mondlose Nacht. "Mach schnell", zischt sie mir zu.

Wieder fluche ich vor mich hin, mache es ihr aber nach und sehe mich auf dem Dach in der Hocke dem Mädchen gegenüber. In dem Raum unter uns ist lautes Fußgetrappel zu hören und dann ein Fluch. "Er ist durch das Fenster auf die Straße geflohen!", teilt einer der Soldaten wohl seinen Kameraden mit. Dann entfernen sich die Schritte wieder.

Ich atme tief durch. Mein Kopf dreht sich und mir ist kotzübel. "Ich hoffe einfach mal, dass du diese Flucht schon länger geplant hast, denn ich hab kaum noch Münzen übrig", wende ich mich an die Kurtisane.

Sie zwinkert mir zu und lässt ein kleines, glitzerndes Säckchen in ihrer Hand herabbaumeln. "Was denkst du denn?"

Storming LightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt