Zweiunddreißig

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Snow

Es ist pechschwarz - ich kann nichts erkennen. Fluchend kanalisiere ich mein Eis zu einem Schild um mich und Freedom herum.

"Bleib zurück, Freedom", weise ich sie angespannt an. "Und lass nicht meinen Ärmel los. Ich kann hier nichts sehen." Sie verstärkt ihren Griff um meinen Arm.

"Was sollen wir jetzt tun?", flüstert Freedom ängstlich. In ihrer Stimme schwingt Panik mit - verständlicherweise. Mir selbst ist auch zum Heulen zumute.

Die Dunkelheit kam unerwartet und plötzlich. Gerade noch malte die Sonne die letzten Strahlen an den immer dunkler werdenden Himmel - plötzlich war es stockdunkel.

Ich habe jegliches Zeitgefühl verloren. Ich weiß nur, dass meine Macht weit schwächer ist als sonst - bereits jetzt spüre ich die ersten Anzeichen der vollkommenen Erschöpfung.

"Wir müssen die anderen finden", erkläre ich ihr und versuche dabei zuversichtlich zu klingen. Dabei stehe ich selbst am Rande der Panik. Wir werden ganz offensichtlich angegriffen - aber ohne etwas zu sehen bin ich so hilflos wie ein Neugeborenes.

Weiter unten höre ich Schreie und das Klirren von Waffen. Es wäre nicht klug, sich in diese Schlacht hineinzustürzen, solange wir nicht wissen, wie es um die Zahlen steht.

Wassollenwirtunwassollenwirtunwassollenwirtun.

Ich atme tief durch. Panik hilft uns auch nicht weiter. Plötzlich verstummt das Getöse unten. Es ist wieder mucksmäuschenstill. Ich kann nicht umhin, Angst zu verspüren. Weder sehe noch höre ich nun. Es ist schon schwer genug, sich auf den Beinen zu halten, während sich die gesamte Welt dreht.

Vorsichtig schiebe ich mich Schritt für Schritt vorwärts, bevor ich an die Wand stoße. Ich rufe mir in Erinnerung, wie das Zimmer aufgebaut ist, und lasse eine Hand an der Wand, während ich daran entlang vorangehe. Freedom lässt wie angewiesen meinen Arm keine Sekunde los.

Ich halte die Luft an, als ich eine Hand auf die Türklinke lege und sie herunterdrücke. Quietschend gleitet sie auf. Ich warte einige Sekunden ab, ehe ich mit Freedom in den Flur heraustrete. Es ist gespenstisch still.

Langsam gehen wir den Flur entlang, immer an die Wand gepresst. Gleich macht der Flur eine Biegung, dann geht es zum nächsten Flur, in dem Cheris Zimmer liegt...

Ich schreie erschrocken auf, als ich gegen einen Körper stoße. Die Person gibt ebenfalls einen hohen, kurzen Schrei von sich. Ich kenne die Stimme. "Cheri?", flüstere ich, nachdem ich mich wieder einigermaßen beruhigt habe.

"Snow?", haucht sie zurück. Dann stöhnt sie auf. "Du hast mir vielleicht einen Schrecken eingejagt!"

"Du uns auch!", atmet Freedom auf.

Ich kann ihr nur zustimmen. Mein Herz rast noch immer. "Hast du eine Ahnung, wo die anderen sind?", frage ich angespannt nach.

"Leider nicht", antwortet sie zerknirscht, "Hugo war zwar bei mir, aber er ist sofort drauflos gestürmt, um Freedom zu suchen. Wenn er euch nicht begegnet ist...?" Es ist eine indirekte Frage.

Leise fluche ich. "Er kann nicht allzu weit entfernt sein", versuche ich Freedom zu beschwichtigen, die leise schluchzt.

Meine Gedanken rasen. Wir müssen Hugo finden - und dann einen Weg hinaus. Draußen haben wir bessere Chancen, der Dunkelheit zu entkommen.

"Wir brauchen Licht", haucht Freedom. "In dieser Dunkelheit kommen wir nicht weit."

Verdammt, sie hat recht - aber wo sollen wir Licht herbekommen? Die ganzen Fackeln, die in der Festung sonst Tag und Nacht brennen, sind in der Sekunde erloschen, als die Finsternis sie berührt hat. Als würde sie das Licht verschlucken.

"Wir sollten--", beginnt Cheri, schreit dann aber auf. Ihr Schrei verstummt ebenso schnell, wie er gekommen ist.

Leise flüstere ich ihren Namen, in der Hoffnung auf eine Antwort. Ich habe die Augen vor Schreck weit aufgerissen. Nichts. Keine Antwort, nicht einmal ein Laut. Nein - Cheri kann doch unmöglich...

Im selben Moment, in dem der Gedanke durch meinen Kopf schießt, schreit Freedom hinter mir auf. Ich spüre, wie ihr Griff um meinen Arm gewaltsam gelöst wird. Ängstlich wirbele ich herum und schieße blind eine Welle Eis nach der anderen aus - aber... nichts. Kein Laut. Keine Regung. Keine Antwort. "Freedom?", hauche ich erstickt. Jetzt stehen mir wirklich die Tränen in den Augen und laufen mir hemmungslos über die Wangen.

Ich bin auf einmal vollkommen allein in der Finsternis.

Storming LightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt