Neunzehn

120 11 0
                                    

Mein Plan für den restlichen Tag hat ursprünglich ein warmes Bad, wärmende Kleider und eine gesunde Portion Schlaf beinhaltet.

Aber wie immer muss man meine Pläne durchkreuzen.

Nachdem ich gebadet und mich umgezogen habe, mache ich mich seelenruhig auf den Weg in mein Zimmer - wenn man es denn so nennen kann. Es ist nach wie vor die umstrukturierte Vorratskammer, in der ich aufgewacht bin.

Die ganze Zeit über, seit der Exekution der beiden Gefangenen, die wir gemacht haben, habe ich ein leises Lächeln auf den Lippen. Genau dieses Lächeln gerät ins Wanken, als ich meine Kammer betrete und mich meinen ernsten Vertrauten gegenübersehe.

Leicht gereizt hebe ich eine Augenbraue, während ich die Tür hinter mir schließe und den Blick über die Dreiergruppe schweifen lasse. Cheri, Freedom und Hugo. "Habe ich die Einladung zu dieser Sitzung zufällig verpasst?", frage ich mit einem leisen Grollen in der Stimme. Mir ist gerade nicht wirklich nach Erklärungen zumute. Ich will nur schlafen.

Ich merke, wie Hugo leicht verkrampft - aber nicht vor Angst, dass meine Wut ihn treffen könnte. Nein, viel eher ist er stocksauer. Wenn er könnte, würde er sich wohl sofort auf mich stürzen.

In Cheris Augen wetteifern Angst und Sorge miteinander. Ihr Mund ist ein mehr als schmaler Strich, und sie hat die Arme verschränkt.

Freedom... Auch sie hat sich umgezogen und das Blut von sich abgewaschen. Ich merke, wie sie versucht, nach außen hin stark auszusehen, aber innerlich hat sie Angst. Die Bilder werden sie wohl noch eine Weile verfolgen - zusammen mit den anderen Dingen, die sie mit angesehen hat. Es wird sicherlich nicht leicht werden, das Ganze zu verarbeiten... aber ich bin mir sicher, dass sie es schaffen wird. Freedom ist ein starkes Mädchen.

"Wir müssen reden", presst Cheri hervor.

"Und wenn ich nicht reden will?" Mein seliges Lächeln hat sich in eine angespannte Warnung verwandelt. Lässig lehne ich mich mit dem Rücken an die Tür. So sieht es zumindest aus. Wenn sie mich in die Ecke drängen sollten... nun, ich habe aus dem einen Mal gelernt, als Lucien mich in einem Zimmer eingesperrt hat.

Cheri seufzt leise - es klingt wie ein schnelles Stoßgebet. "Dann hörst du dir eben an, was wir zu sagen haben, Snow."

Gerade als ich zu einem weiteren Konter ausholen will, meldet sich Hugo zu Wort. Seine Augen sind nahezu schwarz vor Zorn. "Es wundert mich, dass du dich sauber gemacht hast. Bei dem Theater, das du veranstaltet hast, hätte ich eher erwartet, dass du dich noch Stundenlang im Blut deiner Feinde wälzen wirst." Seine Worte sind rasiermesserscharf, eine Lanze nach der anderen. Oh ja, er würde mir zu gern an die Gurgel springen - und er hat die Informationen über die Geschehnisse zweifellos aus erster Hand von den Wachposten vor der Tür erhalten. Nicht minder habe ich erwartet.

"Hugo, bitte", ermahnt ihn Freedom leise. Er wendet den Blick nicht von mir ab, schließt aber zumindest seinen Mund und schnaubt leise. Freedom tritt einen Schritt vor, weicht dabei aber meinem Blick aus. "Snow, was du vorhin getan hast... Warum hast du nicht aufgeklärt, was wirklich passiert ist?" Ihre Stimme klingt tränenerstickt, als sie mit den Händen ringt.

Sowohl Cheri als auch Hugo wirbeln zu Freedom herum. Ah, da hat jemand wohl noch nicht die ganze Geschichte gehört. Irgendwie macht es mir... Spaß. Dieses ganze, geheimnisvolle Spiel, in dem wir um die Wahrheit herumschleichen, in dem sich nicht einmal meine engsten Bekannten sicher sein können, ob sie mir vertrauen können... ob sie mich ausreichend kennen. Sicher, als die Personen, die mir am nächsten stehen, sollte ich es vielleicht nicht unbedingt provozieren, dass sie sich gegen mich wenden könnten - immerhin habe ich immer noch einen Krieg auszufechten und brauche dafür jede helfende Hand -, aber...

Das bedeutet noch lange nicht, dass ich meinen Vertrauten jetzt alles offenlegen werde. Nicht die ganze Wahrheit. Das wäre zu riskant - und würde meine Pläne aus den vorhergesehenen Bahnen werfen. Aber einen Teil... Ja, einen Teil sollte ich ihnen aufdecken können. "Ich habe meine Gründe", wende ich mich an Freedom, "Strategische Gründe. Aber, wenn du in Wirklichkeit darauf hinauswillst, welche Rolle du in dem Ganzen spielst... Es ist nicht deine Schuld, dass es so gekommen ist, wie es nun mal gekommen ist. Mach dir darüber keine Gedanken."

Cheri und Hugo - beide blicken von mir zu Freedom. Sie wollen die ganze Geschichte hören. Sie wollen wissen, was wir angedeutet haben.

"Ich habe nicht wirklich Lust, mir Vorwürfe von denen anzuhören, die nicht wissen, was genau passiert ist", füge ich frostig mit Blick auf Cheri hinzu, "Aber eure Reaktion sagt mir, dass ich eine außergewöhnlich gute Schauspielerin bin." Wieder schleicht sich ein breites Grinsen auf mein Gesicht.

Hugo verengt leicht die Augen, als versuche er, mit bloßem Auge zu erkennen, was ich im Schilde führe. Tja, viel Glück dabei, Kleiner.

Ich spüre die Fragen, die sich in ihm aufstauen. Bevor er aber auch nur eine einzige stellen kann, komme ich ihm zuvor: "Ich bin müde. Ich will schlafen. Wärt ihr so freundlich, euch hinauszubewegen? Wir können morgen weiterreden." Mein Tonfall lässt keinen Zweifel übrig, dass das gerade keine Bitte, sondern ein Befehl war.

"Dafür läufst du morgen nicht davon", ermahnt mich Cheri, während sie in den Flur hinausgeht.

Freedom weicht meinem Blick immer noch aus. "Kann ich... Kann ich bei dir bleiben? Ich bin auch ganz leise, versprochen." Ich höre die Unsicherheit aus ihrer Stimme heraus. Das ist das erste Mal, das sie auf mich wirklich wie das Kind wirkt, das sie eigentlich altersmäßig noch ist. Andererseits denke ich, dass selbst eine erwachsene Frau nach diesen Bildern nicht alleine sein wollen würde.

Unwillkürlich nicke ich sanft und verständnisvoll.

Hugo dagegen... Trotzig verschränkt er die Arme. "Wenn Freedom bleibt, bleibe ich auch."

"Nein, das wirst du nicht tun", lächle ich ihn zuckersüß an. "Ich habe keine Lust darauf, auf meinen Schlaf verzichten zu müssen, weil ihr beiden herumturtelt."

Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Freedom errötet, während Hugo nur die Zähne zusammenbeißt. Irgendwie ist es ja schon süß, wie er sie beschützen möchte - aber gerade habe ich nicht die Nerven für so etwas. Gerade will ich einfach nur meine Ruhe haben.

Kurzerhand setze ich ihn in wenigen Sekunden vor die Tür. Er hat nicht einmal die Zeit gehabt, zu reagieren. Er hat es nicht einmal kommen sehen. "Stell keinen Ärger an, während ich nicht auf dich aufpasse", zwinkere ich ihm provokant zu. Als wäre er ein Kind, auf das man aufpassen müsste. Dabei ist dieser Kerl vielleicht sogar älter als ich.

 Ich verstärke die Tür mit einem Schild aus Wind, der jeden abhält, der herein möchte, ehe ich mich ins Bett lege. Erst, als ich bereits ins Land der Träume wandere, spüre ich, wie sich ein kleines Mädchen neben mich legt und sich zitternd an mich klammert.

Storming LightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt