Vierunddreißig

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Snow

[Leider hält meine Unbeschwertheit nicht lange an. Nicht weit von mir entfernt ertönt plötzlich wieder ein Schrei - sofort wieder Stille.

Ich presse mich an die Wand und kralle meine Finger in meine Arme, während ich versuche, einen letzten schwachen Wind zu kanalisieren, um zu überprüfen, was sich mir da von hinten nähert, aber mir schießt ein scharfer Schmerz durch den Kopf.

Ich bin am Ende meiner Kräfte - meine Macht ist temporär fort...]

Leise schluchze ich voller Verzweiflung auf. Ohne meine Macht bin ich hilflos,  noch hilfloser, als ich es ohnehin schon in der Finsternis bin, in der ich nicht einmal die Hand vor Augen erkennen kann. Ich drehe mich zu dem um, was auch immer es ist, das mich angreifen wird, und presse meinen Rücken gegen die Wand. Nicht zu sehen, wann es angreifen wird, oder wer oder was es ist, kommt mir unerträglich vor. Ich schlucke schwer.

Eine Art Mix aus Heulen und Kichern ertönt, als dieses etwas um die Ecke biegt und auf mich zurast - was ich lediglich an den Lauten erkenne, die es ausstößt. Sie klingen nicht menschlich.

Die Finsternis scheint für einen Moment vor dem Wesen zurückzuweichen, ich kann den Boden vor meinen Füßen sehen, ebenso wie meine Arme, aber das Gefühl der Erleichterung bleibt aus, als ich sehe, was es ist.

Ein scheußliches Biest, ein lederner Dämon, mit menschlicher, zusammengenähter Haut und einem deutlich erkennbaren, pechschwarzen Herzen im Inneren, mit hautbespannten Flügeln und einem peitschenden, klingenbewehrten Schwanz, mit rasiermesserscharfen Zähnen, deren Spitzen grünlich schimmern, als seien sie in Gift getunkt...

Es reißt im Sturzflug sein Maul auf, es hat keine Augen, zumindest erkenne ich keine, aber seine Kiefer kann es so weit aufreißen wie eines der exotischen Tiere, von denen Hugo mal geredet hat - Krodil oder so ähnlich hat er es, glaube ich, genannt -, starke Kiefer, die mit Sicherheit auch Knochen zermalmen können. Seine Zähne sind zusammen mit dem giftigen Grün auch mit düsterem Rot bespritzt, es hat unzählige Krieger bereits gefressen oder zumindest zerfetzt und als nächstes wird es mich fressen und zerfetzen und in Stücke reißen...

Obwohl  ich weiß, dass es nichts bringt, da mir niemand zu Hilfe kommen wird, schreie ich so laut ich kann, einfach aus Panik, einfach, weil mein Verstand in diesem Moment aussetzt, einfach, weil ich nicht sterben will, einfach, weil ich nicht als Futter für diese Bestie enden möchte und ich kneife die Augen zusammen, ich will es nicht sehen müssen, ich will nicht in seinen Schlund blicken müssen, wenn sich seine Kiefer um meinen Schädel schließen und ihn zermalmen werden...

Ich höre noch sein grausiges Kichern, sein Heulen, höre, wie es auf mich zu saust, wie die Luft sich für es teilt, und versuche, in meiner vollkommenen Angst gefangen, noch ein letztes Mal meine Macht zu kanalisieren, zu einem Schlag auszuholen, es zu verwunden oder abzublocken oder sonst irgendetwas zu erreichen, denn ich will nicht sterben, ich will nicht sterben, ich will nicht sterben...

Storming LightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt