Sechs

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["Ist das nicht die Kleine, die vor fast einem Jahr zu der Verlobten des feurigen Bastards erklärt wurde?", grübelt der, der hier anscheinend das Sagen hat, da der Schrank auf ihn gehört hat...]

Dieser Teil, der in mir aufgestanden ist, dieser feurige Teil, der noch zur Hälfte unter den Scherben begraben liegt, dieser Teil erhebt sich nun ein Stück weiter. Dieser Teil ist es, der mein Blut zum Kochen anregt, der die Wut meine Kehle hochschießen lässt, dieser Teil ist es, der in mir knurrt.

Die Zeit, in der sich etwas in mir erhoben hat - oder es zumindest versucht hat - ist mit Stille überbrückt worden.

Aber jetzt meldet sich auch ein anderer hinter mir zu Wort. "Ja stimmt, sie sieht genauso aus. Der Bastard hat doch vor ungefähr zwei Monaten seinen eigenen Vater umgebracht, nicht wahr?"

"Offenbar hat er seine kleine Hure verloren", höhnt ein Dritter und ich kann das dreckige Grinsen aus seiner Stimme heraus hören.

Zustimmendes, heiseres Gelächter begleitet seinen Kommentar. "Vielleicht sollten wir ihm zeigen, was passiert, wenn man seine Huren in unser Land schickt", erhebt sich ein Ruf.

"Lebend und unverletzt nutzt sie uns mehr", mischt sich der Schrank hinter mir ein, "Vielleicht kann sie uns direkt zu ihrem Herrchen führen. Ich bin mir sicher, der Eiskönig zahlt eine hübsche Summe für die Zwei, immerhin fahndet er selbst nach ihnen."

"Oder wir bringen dem kleinen Prinzlein bei, was wir mit den Hochwohlgeborenen anstellen, die uns unterschätzen - allen voran mit den Frauen", höhnt wieder irgendeiner.

Ich habe den Überblick verloren, wem welche Stimme gehört. Letztendlich klingen diese Wilden sowieso alle gleich.

"Ich bin mir sicher, er wird sich in die Hose machen, wenn er erst einmal erfährt, dass wir seine Hure in der Gewalt haben", spottet wieder einer, "Hört ihr schon wie er nach seiner Hurenmami ruft, weil er nicht weiß, was er tun soll?" Im Folgenden führt er ein kleines Spektakel auf, wie die Situation seiner Meinung nach ablaufen würde, aber ich höre schon lange nicht mehr zu.

In meinen Ohren dröhnt es. Dieser Teil in mir, der sich aus dem Scherbengewirr zu befreien versucht, dieser Teil, wegen dem mein Blut kocht, wegen dem der Wind anfängt laut zu heulen, wegen dem mein Körper eiskalt wird, wegen dem meine Augen anfangen zu glühen - was ich nur an Cheris ehrfürchtigen Gesichtsausdruck ablese -, dieser Teil ist es, der meine Kehle zum Brennen bringt, der dafür sorgt, dass ich meine Lippen bewege, der dafür sorgt, dass sich etwas Kratziges, Raues seinen Weg nach oben bahnt, seinen Weg heraus bahnt.

"Ihr wisst gar nichts", bricht es heiser aus mir heraus, "Ihr unterschätzt ihn und ihr wisst GAR NICHTS über ihn!"

Erschrocken verstummen die Männer hinter mir.

Und mit großen Augen sehen meine Leute zu, wie ein peitschender Wind das Messer, das an meiner Kehle liegt, dem Schrank aus der Hand fegt, wie sich innerhalb von Sekundenbruchteilen ein Schneesturm erhebt und einen dichten, mörderischen Vorhang an kieselsteingroßen Eisklumpen bildet. Die Schreie der Männer werden abgeschnitten und übertönt von dem heulenden Wind, während die Hagelkörner sie kurzerhand erschlagen. Um nicht getroffen zu werden, habe ich einen Schild um mich geschlungen - und sicherheitshalber auch um die Höhle, in der meine Leute noch immer kauern. Man weiß ja nie, wie stabil die steinerne Decke dort noch ist, wenn sie von meinem Eis getroffen werden würde.

"Ich wusste, dass du irgendwann deine Deckung fallen lassen würdest, kleine Prinzessin", schnaubt der Schrank hinter mir, der unabsichtlich aufgrund seiner unmittelbaren Nähe zu mir von demselben Schild eingehüllt wird, der auch mich schützt.

Storming LightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt