Fünfzehn

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[Freedom in den Armen, setze ich mich doch wieder auf und lehne meinen pulsierenden Schädel an die Wand hinter mir, ehe ich anfange Hugo unsere Sicht der Dinge zu erzählen.]

"Verstehe", murmelt Hugo in seine Handfläche, auf die er seinen Kopf gestützt hat, nachdem ich geendet habe.

Fragend lege ich den Kopf schief. Während meiner Erzählung ist mir eine entscheidende Frage wieder eingefallen. "Was bist du eigentlich?"

"Sehr nett formuliert", schnaubt er beleidigt. Dann seufzt er jedoch und setzt sich aufrecht hin. "Ich nehme an, du hast schon erkannt, dass ich weder ein Elementgeborener, noch ein Kondensator bin?"

"Was ist ein Kondensator?", unterbreche ich ihn angespannt.

Einer seiner Mundwinkel zuckt in die Höhe. "Meinst du die offizielle Erklärung aus Übersee oder die vereinfachte Anpassung an unsere Situation?", grinst er.

"Du weißt, was ich meine", brumme ich finster vor mich hin, da ich keine Ahnung habe, wovon er redet.

Er suhlt sich noch einige Sekunden in seinem Erfolgserlebnis, ehe er endlich mit der Sprache rausrückt. "Ein Kondensator ist in beiden Fällen etwas, das eine gewisse Energie speichert. Auf weit entfernten Kontinenten gibt es beispielsweise solche Maschinen. Speziell auf unsere Situation bezogen... Du und Freya sind Kondensatoren. Ihr habt die Energie von bestimmten Elementen aufgesogen und die erste Grenze eines Elementgeborenen überschritten. Frag mich nicht, wie viele Grenzen es gibt", nimmt er mir die nächste Frage abwehrend aus dem Mund.

"Alles, was ich weiß, ist, dass ich mich weder auf der einen noch auf der anderen Ebene befinde. Ich bin etwas... anderes", murmelt er gedankenverloren vor sich hin. Dann räuspert er sich und kommt auf das Thema zurück. "Ich habe nicht vor, dir meine gesamte Lebensgeschichte zu erzählen, aber ich kann dir so viel sagen: Elementgeborene sind an je ein Element gebunden. Kondensatoren sind an mehrere Energien gebunden. Ich bin weder an das eine noch an das andere gebunden. Ich besitze nur eine spezielle Macht, die ich beeinflussen kann", zieht er seine Erklärungen in die Länge um Spannung aufzubauen.

Freedom tritt ihn gegen das Schienbein. "Komm endlich zur Sache", faucht sie.

Abwehrend hebt er die Hände in die Höhe und grinst die junge Kriegerin mit einem Funkeln in den Augen an, das gleichzeitig Hunger und Bewunderung ausdrückt. "Ist ja gut, ist ja gut. Ich besitze auch ein Element, aber nicht nach der klassischen Definition der Elemente. Es ist ein wenig kompliziert", fährt er fort und verstummt, als Freedom ihm wieder einen finsteren Blick zuwirft.

"Also gut", seufzt Hugo und schnippst mit den Fingern, "Ich kontrolliere eine bestimmte, giftige Flüssigkeit. Sie ist mein einziges Element und meine Macht." Auf Kommando rast diese silberne Flüssigkeit aus einem Medaillon um seinen Hals hervor und schwebt über seiner Hand. "Ich bezweifle es, aber vielleicht kannst du etwas mit dem Namen Quecksilber anfangen", beendet er seine Ausführungen.

Von so einer Flüssigkeit habe ich noch nie zuvor gehört. "Elementgeborene werden mit ihrer Kraft geboren. Kondensatoren, wie du sie nennst, verwandeln sich erst durch starke Emotionen und einschneidende Ereignisse. Wie wird man zu... was auch immer du bist?", lege ich den Kopf schief und winke beim letzten Satz vage in seine Richtung.

"Ich weiß es nicht. Alles, was ich weiß, ist, dass ich nicht auf natürliche Art und Weise zu dem hier geworden bin", deutet er auf sich selbst. "Ich kann meine Größe nach belieben Wandeln, Alter und Zeit spielen für mich auch keine wirkliche Rolle, und Grundbedürfnisse habe ich auch keine. Ich kann ohne Wasser und Nahrung überleben, ich muss nichts zu mir nehmen und infolge dessen auch nichts von mir geben. An meine Vergangenheit erinnere ich mich nur verschwommen, aber ausreichend, um ein festes Ziel zu verfolgen." In seinen Augen leuchtet schon wieder die Mordlust, wie beim ersten Mal, als ich ihn getroffen habe.

"Und das wäre?", fahre ich ihm dazwischen, als er wieder in Gedanken zu versinken droht.

"Rache an demjenigen, der mich hierzu gemacht hat."

"Du hast wirklich einen Hang zum Dramatischen, oder?", knurre ich. "Komm auf den Punkt! Rache an wem?"

Für einen Moment herrscht Stille und er starrt mir nur kühl in die Augen. "Rache an deinem Vater", spricht er es schließlich langsam aus, als würde er meine Reaktion abwarten wollen. Als hätte er Angst, ich würde zusammenbrechen oder durchdrehen. Hat er deswegen so ausgesehen, als wäre ich das größte Mysterium, das ihm je untergekommen ist?

Gleichgültig zucke ich mit den Achseln. "Wie gut, dass wir das gleiche Ziel haben."

Cheri kommt wieder in den Raum, in den Händen eine dampfende Tasse. Das wird wohl das versprochene Schmerzmittel sein. Sie drückt mir das Getränk in die Hände, ehe sie Hugo und Freedom hinaus scheucht. Dann setzt sie sich mir gegenüber und verzieht mitleidig das Gesicht. "Es ist sicher nicht leicht, seine Periode mitten im Krieg zu bekommen. Und dann auch noch kombiniert mit deinen Zusammenbrüchen", schüttelt sie den Kopf. Dann grinst sie schelmisch. "Hugo hätte fast einen Anfall bekommen, als du plötzlich angefangen hast das Bett voll zu bluten, weil niemand daran gedacht hat."

Wieder lasse ich mich in die Kissen fallen und drehe mich auf die Seite, nachdem ich einen Schluck Tee genommen habe. "Ich habe genug Schmerzen, sodass ich da nicht auch noch drüber reden möchte", unterbreche ich sie zerknirscht, "Erzähl mir lieber, was die Beiden getrieben haben, während ich nicht da war." Ich kann nicht anders, als bei dem Themenwechsel breit zu grinsen und eine starke Neugierde zu entwickeln, obwohl ich es auch ein wenig verstörend finde, da Freedom erst dreizehn Jahre alt ist und ihr Geliebter kein festes Alter besitzt. Ich fühle mich auf eine eigenartige Art und Weise verantwortlich dafür, auf sie aufzupassen.

Cheri grinst ebenfalls anzüglich. Und dann beginnt sie zu erzählen...

Storming LightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt