Zwölf

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[Bevor wir uns auf den Weg nach draußen machen, werfe ich noch einen Blick zurück. Hugo hat sich inzwischen ein wenig im Sitzen aufgerichtet und zieht schmerzerfüllt eine Grimasse, während er versucht aufzustehen. "Ich sagte dir doch, dass ich dir den Hintern versohlen werde, wenn du mich angreifen solltest", grinse ich.]

"Du hast einen halben Tag eingesperrt in einem Schrank verbracht, und kannst dich dennoch ohne Weiteres bewegen?", frage ich Freedom skeptisch, wobei ich meine Stimme senke.

Wir haben die Höhle der Wilden verlassen - wir waren einfach hinausstolziert. Gemessen an der Tatsache, dass ihr Anführer uns nicht an Ort und Stelle hat halten können, haben sie es für besser befunden, uns nicht zu Nahe zu kommen. Kluge Entscheidung.

Freedom zuckt mit den Achseln. Noch immer gehen wir Arm in Arm. "Sie haben mich nicht die ganze Zeit über dort drin behalten. Eigentlich war es gar nicht so schlimm - wenn man von der nervtötenden Gesellschaft eines kleinen Pseudo-Bosses absieht", schneidet sie eine Grimasse und schüttelt den Kopf. "Zuerst haben sie mit mir zu kämpfen gehabt, um mich überhaupt zu überwältigen, dann hatten sie es nicht so leicht damit, mich zu fesseln und Informationen haben sie von mir auch keine erhalten. Nicht, dass sie es wirklich versucht hätten", zählt meine junge Freundin an ihren Fingern ab.

"Keine Folter?", runzle ich die Stirn. Welchen Sinn hat es, eine junge Dame zu entführen, wenn nicht, um Informationen von ihr zu erhalten - oder schlimmer?

Freedom schüttelt den Kopf. "Keine Folter", scheint sie kurzzeitig nachzudenken, "Aber allgemein war alles an ihnen eigenartig. Ich meine, wie alt ist dieser Junge - zehn? Wo sind seine Eltern und wie kommt es, dass sich Wilde freiwillig ihm unterordnen? Und dann waren da noch seine Worte und seine Taten...", murmelt sie vor sich hin, während sie an ihrer Unterlippe kaut. Auch diese Dinge aus ihrem Mund zu hören ist eigenartig, wenn man Freedoms junges Alter bedenkt - sie ist nur wenige Jahre älter als Hugo. Trotzdem stört es mich bei ihr weniger, als es bei dem Hosenscheißer der Fall war.

"Was hat er denn gesagt?", hake ich nach.

Freedom zuckt mit den Schultern. "Es war alles so... seltsam. Zuerst hat er mich gefragt, wie ich heiße und was ich hier tue - was ich ihm natürlich nicht verraten habe. Dann hat er mir die Fesseln abgenommen und mir dieses vergiftete Zeugs angeboten, das er auch dir unterschieben wollte. Den Rest der Zeit habe ich versucht, ihn zu befragen, aber er hat mir genauso wenig verraten, wie ich ihm. Irgendwann kam dann eine Art Bote von ihm, der ihn informiert hat, dass ihr die Höhle betreten habt und zu ihm auf dem Weg wart - erst da hat er mich wieder gefesselt und mich in den Schrank gesperrt. Apropos - wer war dieser Berg von Mann?", erzählt sie und weicht dann erstaunlich plötzlich vom Thema ab.

Während ich darüber nachgrübele, warum Freedom etwas vor mir verheimlichen sollte, erzähle ich ihr, wie ich den Berg von Mann kennengelernt habe. Es stört mich nicht, was sie verheimlichen will - nein, das ist ganz allein ihre Sache - aber das große Warum belastet mich schon. Habe ich etwas falsches getan? Habe ich etwas falsches gesagt?

Und wer zur Hölle ist dieser kleine Pseudo-Boss? Ich meine, ich weiß, dass sie Hugo damit meint. Aber wieso hätte ich ihn, laut Aussage des Schrankes von Mann, kennen sollen? Was ist Hugo denn eigentlich?

Er ist anders als Freedom und ich, das ist klar. Wenn man die Elementgeborenen - die Herrscher von Feuer, Wasser, Erde oder Luft - als erste Entwicklungsstufe betrachtet, dann sind Freedom und ich teil der zweiten Stufe - wie auch immer wir diese nennen wollen. Hugo dagegen... Er befindet sich auf einer dritten, mir unbekannten Stufe.

Und egal ob jung oder nicht, egal ob nervenaufreibend oder nicht - etwas sagt mir, dass ich ihn in meinem Krieg gebrauchen könnte. In meiner Armee. Aber dafür...

Weiter komme ich in Gedanken nicht. Freedom bleibt abrupt stehen und starrt mit großen Augen nach hinten - in Richtung Höhle. Angespannt folge ich ihrem Blick, kann in dem Schneegestöber auf den ersten Blick aber nichts erkennen. Mit meiner Macht besänftige ich den Sturm, lasse den Schnee langsamer fallen und endlich kann auch ich etwas erkennen.

Mir stockt der Atem. Freedom hat es zuerst wahrgenommen - die Auren. Nichtsdestotrotz scheint etwas ihre Gabe blockiert zu haben, da sie es erst jetzt bemerkt hat.

Denn dort hinten, bei der Höhle, wo sich kaum mehr als drei Dutzend Wilde befunden haben...

Dort befindet sich ein Suchtrupp aus Sol - ihre Kleidung verrät ihre Herkunft, aber das Emblem, das auf ihrem Banner herausragt... Das ist der silberne Wolf meines Vaters.

Storming LightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt