24. Trost spenden

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"Birine sevdalanmak, donmuş bir gölde, nerede ve ne zaman kırılacağını bilmene imkân olmayan ince buzlar üzerinde yürümek anlamına gelmiyor muydu?
(Jemanden zu lieben gleicht auf einem zugefrorenen See zu laufen, unwissend wann und wo das dünne Eis einbrechen wird)"
- Zülfü Livaneli


Shervin und ich sitzen in dem Café, in welchem wir uns damals begegnet sind. An dem Tisch, an dem unsere Initialen eingraviert sind.
"Ich würde sagen-", fange ich meinen Satz an, doch fängt ein kleines Kind zwei Tische weiter von uns an bitterlich zu weinen. Mit einem Mal kriegt es auch meine komplette Aufmerksamkeit, doch kann ich über die Mutter nicht dasselbe behaupten. Sie seufzt genervt, reicht dem Kind sein Kuscheltier und widmet sich ihrem Smartphone, während das Kind weiter weint.
"Mediha", höre ich Shervin zu mir sprechen, doch hebe ich lediglich meine Hand.
"Ist ja gut jetzt", höre ich die Mutter zu ihrem Kind sagen, doch macht sie immer noch keine Anstalten es trösten zu wollen. Sie ist lediglich genervt.
"Ich kann mir das nicht länger mitansehen", spreche ich und erhebe mich, mit schnellen Schritten laufe ich zu dem Tisch und bleibe davor stehen.
"Tut mir leid, dass meine Tochter so eine Heulsuse ist und Sie stört", sind die ersten Worte, die sie ausspricht, während es mir die Sprache verschlägt. Währenddessen dreht sie sich zu ihrem Kind, wessen Augen anfangen zu leuchten. Wenn sie dem kleinen Mädchen nun Trost spendet, kommt alles wieder in Ordnung. Doch sie macht das komplette Gegenteil.
"Du störst alle, hör auf zu weinen!", spricht sie streng und es verschlägt mir erneut die Sprache.
Am liebsten würde ich an der Frau rütteln, bis sie zu sich kommt.
"Ihre Tochter stört uns nicht, deswegen bin ich nicht hier. Sie können sie nicht einfach weinen lassen. Sehen Sie nicht, was das mit ihr macht?"
"Ihr tut nichts weh, sie weint aus Trotz."
"Mag sein, dass ihr nichts wehtut, aber Kinder weinen nicht aus Trotz. Ihre Gefühlsregulation ist nicht vorhanden, deswegen brauchen sie ihre Eltern, damit diese ihnen dabei helfen ihre Gefühle zu regulieren und wieder runterzukommen. Kinder können ihre Gefühle nicht benennen, dafür fehlen ihnen die Begrifflichkeiten, es kann sein, dass Ihre Tochter Angst hat, wütend ist oder aber auch einfach nur Ihre Aufmerksamkeit braucht."
"Das ist es ja, sie weint, weil sie meine Aufmerksamkeit braucht."
"Und was genau ist verkehrt daran? Kinder brauchen nun mal ganz viel Aufmerksamkeit."
"Wenn man ihnen zu viel davon gibt, dann werden sie verzogen."
Ich lache -aus Wut-, das ist die lächerlichste Aussage, die ich je gehört habe. Es macht mich rasend, dass es immer noch Menschen gibt, die so denken.
"Kinder werden nicht verzogen, wenn man ihnen aufrichtige Aufmerksamkeit gibt und auf ihre Gefühle und Bedürfnisse eingeht. Ihre Tochter braucht im Moment anscheinend Ihre Aufmerksamkeit, dem nicht nachzukommen, sorgt für Stress in ihrem kleinen Körper. Sie wissen nicht, was Sie ihr im Moment antun. Ihr Körper schüttet unnötig Adrenalin aus, als Mutter könnten Sie das ganz einfach stoppen, in dem Sie Ihrer Tochter fünf Minuten die Aufmerksamkeit geben, die sie braucht. Aber Sie setzen sie lieber diesem Stress aus, im Moment steht der Körper Ihrer Tochter unter Alarmbereitschaft. Stellen Sie sich vor, Sie sind nachts unterwegs und werden von einem Mann verfolgt, das ist eins zu eins dasselbe Stressgefühl, was Ihre Tochter gerade empfindet. Sie haben kein Recht dazu ein kleines Kind so einem Gefühl auszusetzen, das ist nicht fair. Sie braucht Ihren Schutz und Ihre Zuneigung, wenn Sie ihr zuverlässig Zuwendung schenken würden, dann würde sie viel weniger weinen und schreien. Es würde ganz sicher auch nicht dafür sorgen, dass sie dadurch denkt, sie kann durch Geschrei alles kriegen, was sie will. Durch diese Ignoranz hinterlassen Sie Schäden, die irreversibel sind. Tun Sie das Ihrem Kind nicht an, das verdient es nicht." Nach diesen Worten werfe ich dem kleinen Mädchen einen Blick zu, meine Lippen formen sich zu einem aufrichtigen Lächeln und ich würde ihr am liebsten über die Wangen streichen, doch verkneife ich es mir, da ich ein fremdes Kind vor mir habe.

Doch allein durch mein Lächeln wird es ruhiger. Ich seufze tief, es ist so leicht Kinder glücklich zu machen und sie sollten niemals so einer Verkümmerung ausgesetzt werden.

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