23. "Lass uns etwas spielen!"

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"Sevmeyi öğrenmeden ölmeyesin
(Du solltest nicht sterben, bevor du das Lieben gelernt hast)"
Emar Hoca - Adı aşk olmaz

"Ich werde in die Klausur am Dienstag nicht reingehen", teilt mir Shervin mit, während ich meine Sachen zusammenpacke. Durch seine Worte halte ich inne. Da wir Anfang Februar haben, stehen die Klausuren vor der Tür.
"Wie jetzt?", frage ich verständnislos.
"Mediha, die Klausur zum Methodenmodul findet am Freitag statt, es sind zwei Vorlesungen, die abgefragt werden. Auch in der Klausur zur Politikwissenschaft werden zwei Vorlesungen abgefragt. Ich schaffe das zeitlich nicht, werde in die Nachholklausur gehen."
"Du kannst mich doch nicht alleine lassen."
"Werde ich nicht, ich werde da reingehen, mir den Klausurbogen anschauen und dann wieder rausgehen."
"Wie?", frage ich irritiert.
"Die Politik Klausur läuft bisschen anders, du kannst da rein, die ersten 10 Minuten dir das anschauen, danach wieder rausgehen, ohne deinen Namen drauf zu schreiben, das Prüfungsamt vermerkt das als nicht teilgenommen."
"Willst du es nicht versuchen?"
"Nein, es hat keinen Sinn. Beide Profs haben den Stoff nicht eingegrenzt und das ist so scheiß viel. Es ist auch keine Multiple Choice Klausur, es geht wirklich um Transfer, sie wollen von uns, dass wir die Theorie in das Weltgeschehen einbinden und dafür haben wir nur eine einzige Stunde. Die Durchfallquote liegt bei 80%. Vergiss es, das wird nichts."
Kurz überlege ich.
"Soll ich auch nicht teilnehmen? Wirklich vorbreitet fühle ich mich nicht. Ich habe schon etwas dafür gelernt, aber wollte mich so wirklich erst ab Freitag darauf konzentrieren."
"Bulimie-Lernen, na dann viel Spaß."
"Was anderes lässt einem die Uni ja nicht übrig. Also soll ich auch nicht teilnehmen?"
"Wenn du nach dem Prinzip 4 gewinnt in die Klausur willst, dann zieh das am Dienstag durch. Ich mein das Schlimmste, was dir passieren kann, ist, dass du durchfällst. Und das hat keine Konsequenzen für uns, weil wir die Klausuren beliebig oft wiederholen können."
"Unter der Bedingung, dass wir bis zum Ende des 10. Semesters unser Studium beendet haben müssen. Wenn wir dann noch mitbedenken, dass bei uns die Klausuren nur jährlich, also entweder zum Winter- oder Sommersemester angeboten werden, ist das eine riesige Lüge."
"Allerdings. Aber ist doch amüsant, wenn Dozenten immer sagen 'sie können die Klausur so oft sie wollen wiederholen' so als ob wir jahrelang studieren dürften. Nach dem fünften Jahr wirst du Zwangsexmatrikuliert."
"Okay lass uns über irgendwas unterhalten, was etwas mehr Freude bereitet als diese Themen. Aber bevor wir das machen; deine Meinung für Dienstag steht?"
"Ganz sicher."
"Okay", seufze ich und packe zu Ende, damit wir loskönnen, da Feryal uns zum Essen eingeladen hat.

"Habt ihr mit Afra schon was geplant?", fragt mich Shervin, während wir aus der Politik-Nachholklausur laufen. Somit haben wir -zum Glück- alle Klausuren und auch schon die beiden Hausarbeiten hinter uns gebracht. Da es Ende März ist, somit auch Ostern ansteht und ab Morgen das neue Semester offiziell beginnen wird, haben wir bis zum Anfang der Vorlesungen nun wirklich Ferien. Ganze zwei Wochen. So gnädig!
So wie Shervin es vorhergesagt hat, habe ich die Politik-Klausur nicht bestanden und musste gemeinsam mit Shervin in die Nachholklausur. Kann jedoch nicht behaupten, dass diese unbedingt besser gelaufen ist. Ich hoffe einfach nur, dass ich im nächsten Wintersemester die beiden Vorlesungen nicht nochmal besuchen muss. Denn sie waren unerträglich. Vielleicht war es doch keine all zu gute Wahl Politikwissenschaft im Nebenfach zu belegen. Wir haben beide für diese Klausur so viel gelernt, wie für unser gesamtes Studium nicht.
Doch ist in den letzten Wochen nicht nur das passiert, sondern es haben sich auch unsere Eltern kennengelernt. Na ja um genauer zu sein haben Shervins Eltern meine Mutter kennengelernt. Das war auf jeden Fall ein weiterer ernster Schritt, der mir viele Bauchschmerzen bereitet hatte. Doch wie so oft -oder eigentlich immer- waren all meine Sorgen umsonst, denn seine Eltern haben sich ausgezeichnet mit meiner Mutter verstanden. Sogar so gut, dass unsere Mütter sich seitdem zwei Mal zum Kaffeetrinken verabredet haben.
"Mediha?", hakt er nach und erst da merke ich, dass ich gedanklich die letzten Wochen Revue passieren lassen habe und aufgrund dessen nicht auf seine Frage eingegangen bin.
"Ja, gestern Abend haben wir sogar alles gebucht. Es geht in die Niederlande, an die Nordsee. Der Ort ist eine Stunde entfernt von Amsterdam, wir planen deswegen einen Tagesausflug nach Amsterdam zu machen."
"Klingt gut, wann geht's los?"
"Übermorgen", spreche ich lachend. Afra und ich sind bekannt für unsere spontanen Aktionen.
"Das ist sehr spontan. Wünsche euch viel Spaß dann. Wann kommst du zurück?"
"Dankeschön. Wir bleiben drei Nächte dort und fahren dann aber am vierten Tag erst gegen Nachmittag zurück. Hast du mit Samir etwas geplant?"
"Ja, aber erst für die letzte Woche der Ferien."
"Die ganze Woche?"
"Fünf Tage, vier Nächte."
"Und wohin geht's?"
"Italien."
"Oh in den Süden, klingt gut. Wohin genau? Nach Rimini?", frage ich lachend.
"Genau, das hat uns noch gefehlt", antwortet er ebenfalls lachend.
"Sagt dir Cinque Terre was? Das ist im Nordwesten, zwischen Genua und Pisa. Sind fünf kleine Dörfer, die als Nationalpark zählen, deswegen darf dort nichts gebaut oder verändert werden. Du blickst von dort direkt aufs Meer."
"Das klingt auch richtig gut. Wünsche euch jetzt schon ganz viel Spaß und eine erholsame Zeit."

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