40. absolute Leidenschaft

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"Ve tek kişiye doluca yetebilmek
(Einem Menschen vollständig (aus)reichen)"
- Taladro & Rash - Caddeler

Verschlafen greife ich nach meinem Handy und sehe, dass es erst kurz nach 9 Uhr ist. Viel zu früh für einen Tag, dessen Nacht so lange, anstrengend, nervenstrapazierend und emotional war. Doch weiß ich, dass Afra schon wach ist, falls sie überhaupt geschlafen hat.
Also hieve ich mich mit aller Mühe aus dem Bett, schlendere erst ins Bad und danach ins Wohnzimmer.
Afra sitzt auf dem Sofa, das Bettzeug ist zusammengelegt. Ich frage mich, ob sie es überhaupt verwendet hat.
Ihr Blick ist auf den Fernseher gerichtet, welcher jedoch aus ist. Sie blickt in die Ferne, wirkt verloren.
"Guten Morgen", ich versuche gute Laune in meine Stimme zu verpacken, in der Hoffnung, dass sich diese auf sie überträgt.
"Guten Morgen", Afra gibt sich viel Mühe um ihre eigene Laune aufrechtzuerhalten, doch scheint es aussichtslos.
"Ich bereite uns Frühstück vor. Hast du auf etwas Bestimmtes Lust?"
"Mach dir keine Mühen, Mediha, ich bin nicht hungrig."
"Afra", bitte ich sie.
"Mir reicht Kaffee, der Geruch reicht, um mir gut zu tun. Ich muss gleich los."
"Wohin?" Meine Stimme wirkt etwas panisch.
"Weiß ich noch nicht. Ich muss laufen, um meinen Kopf frei zu kriegen."
"Ich komme mit, dann können wir gemeinsam laufen."
Afra's Hand umfasst meine: "Ich weiß das alles sehr zu schätzen, wirklich, aber ich muss alleine sein und mich erst sortieren."
Ich will Afra die Situation nicht erschweren, deswegen schlucke ich die ganzen Worte, die mir im Kopf und in meinem Herzen rumschwirren, runter.
"Dann komm mit mir in die Küche, damit wir gemeinsam zumindest noch einen Kaffee trinken können."
Als wir im Flur stehen, geht die Haustür auf und erst in diesem Moment merke ich, dass ich Shervin total vergessen habe. Seine Abwesenheit mir nicht aufgefallen ist, weil ich gedanklich so sehr mit Afra beschäftigt war.
"Guten Morgen, ich habe uns frische Brötchen gekauft", spricht mein Ehemann voller Elan und lässt mich schmunzeln.
Afra wird Shervin diesen Wunsch nicht abschlagen können, da sie es als unhöflich empfinden würde. Deswegen wird sie etwas essen, dieser Gedanke erleichtert mich. Zu wissen, dass Afra vermutlich stundenlang durch die Gegend laufen wird und dabei auch noch hungrig sein würde, hatte mir ein ungutes Gefühl bereitet.
"Ich danke dir, mein Lieber. Wir waren auf dem Weg zur Küche. Nachdem du deine Hände gewaschen hast, kannst du dich gerne zu uns gesellen."
"Ai ai Kapitän, wie Sie wünschen."
"Spinner."

Während ich den Tisch decke, schneidet Afra die Brötchen auf.
"Danke Shervin, das wäre echt nicht nötig gewesen", spricht Afra voller Dankbarkeit zu meinem Ehemann.
"Das ist absolut nicht der Rede wert. Außerdem habe ich das nicht getan, weil ich an euch denke, sondern an mich selbst. Ich habe heute noch ein Spiel, deswegen muss ich gut essen, sonst läuft das Ding nicht. Es ist also purer Egoismus."
Voller Dankbarkeit blicke ich in Shervins Augen, durch seine lockere Art sorgt er für eine Leichtigkeit, die ich im Moment nicht herstellen kann, da Afra's Worte von letzter Nacht noch auf mir Lasten. Ihr Schmerz gibt mir keine Ruhe.
Shervin schafft es, dass unser Frühstück mit Gesprächen verläuft, er macht es so geschickt, dass Afra zwar reden muss, aber sie nicht eingeengt wird. Ich bin in diesem Moment meinem Ehemann so unfassbar dankbar und merke, dass Shervin das aus meinen Augen ablesen kann.
Afra isst nicht viel, es ist nur ein halbes Brötchen, dass sie seit einer halben Stunde vor sich hin- und herschiebt. Aber selbst für dieses halbe Brötchen bin ich dankbar, denn so wird sie zumindest nicht komplett hungrig durch die Gegend laufen.

Während Shervin den Tisch abräumt, begleite ich Afra zur Haustür.
"Pass gut auf dich auf, ja?", spreche ich ihr einen Kuss auf die Wange drückend.
"Danke für alles", wispert sie voller Dankbarkeit.
Anstelle etwas zu erwidern, nehme ich sie in den Arm und drücke sie ganz fest.

"Alles gut?", fragt mich Shervin, ich schüttele meinen Kopf und lasse mich erschöpft auf einem Stuhl nieder.
Shervin setzt sich ebenfalls zu mir und greift dann mit seiner linken Hand nach meiner Hand, während seine rechte Hand an meine Wange gleitet.
"Du weißt aber, dass alles gut wird?"
"Wird es das?"
"Das wird es, ganz sicher. Vielleicht nicht jetzt, aber früher oder später auf jeden Fall."
"Danke", wispere ich, weil seine Worte gut tun, Kraft und Hoffnung schenken.

"Was machst du?", frage ich Shervin, als ich sehe, wie er hektisch den Schrank ausräumt.
"Ich finde mein Trikot nicht."
"Wofür brauchst du das denn?"
"Wir haben heute doch das Halbfinalespiel."
"Acht stimmt. Kannst du bitte aufhören unseren Kleiderschrank zu verwüsten? Ich werde dich all das aufräumen lassen, darauf kannst du Gift nehmen."
"Mediha, ich komme gleich zu spät. Wo hast du meine Sachen hin?"
Kopfschüttelnd sehe ich ihn an und deute mit meinem Zeigefinger auf den Wäscheständer: "Du siehst ja nicht mal das, was vor deinen Augen ist."
Mit seinen Krücken humpelt er dahin und schanppt sich seine Klamotten, doch nicht nur diese, denn er sorgt dafür, dass der halbe Wäscheständer mit auf dem Boden liegt.
"Ich schwöre dir, dass ich dich nach deinem Spiel das ganze Schlafzimmer aufräumen lassen werde."
"Ist ja gut", spricht er genervt, während ich augenverdrehend den Kopf schüttele.
"Kommst du eigentlich mit?", fragt Shervin mich, während er sich umzieht. Eigentlich müsste ich auf die anstehenden Klausuren lernen, doch das Angebot ist zu verlockend.
"Willst du denn, dass ich mitkomme?"
"Ich will immer, dass du bei mir bist."
"Ach, ist das so?", grinse ich ihn an.
"Du hast genau 10 Minuten Zeit, keine Sekunde länger, wenn du nicht rechtzeitig fertig bist, dann fahre ich ohne dich los."
"Du Esel", rufe ich und schnappe mir schnell eine Jeans und einen Kapuzenpulli von Shervin, welcher auf dem Boden liegt und in einem schönen Königsblau schimmert.
"Nachdem du dich angezogen hast, bist du doch fertig. Wo ist das Problem?"
"Siehst du diese tiefen Augenringe? So gehe ich ganz bestimmt nicht raus."
"Wem versuchst du denn zu gefallen? Du bist doch schon eine verheiratete Frau", ruft er mir hinterher, während ich ins Badezimmer verschwinde.
"Kannst du mir erklären, was das eine mit dem anderen zu tun hat?", rufe ich ebenfalls, während ich mir eine feuchtigskeitsspendende Creme auftrage.
"Viel. Du brauchst dich nicht hübsch zu machen, mir gefällst du, egal wie du aussiehst."
"Ach ist das so?", frage ich ihn grinsend, während ich meinen Kopf aus unserem Badezimmer ausstrecke, damit ich ihn sehen kann.
"Du tust so, als ob ich dir das nicht oft genug sagen würde."
"Es ändert nichts daran, dass ich es gerne höre. Um zu deiner Ursprungsfrage zurückzukommen; es geht nicht darum jemandem zu gefallen, sondern wie ein Mensch auszusehen."
"Ich könnte dir jetzt mit einem Kompliment schmeicheln und dir sagen, dass du immer wunderschön aussiehst, aber ich werde es nicht tun."
"Na dann, wenn das so ist."
"Du hast genau 10 Sekunden Zeit. 10, 9, 8, 7, 6, 5, 4, 3, 2, 1."
"Nervensäge", spreche ich aus dem Bad tretend.
"Ein Wunder, du hast es ja geschafft."
"Wie du so tust, als ob ich sehr lange brauchen würde."
Mit einem Mal zieht er mich runter, so dass ich fast falle, doch schafft es Shervin mich aufzufangen und zieht mich auf seinen Schoß.
"Kann es sein, dass deine Zunge immer spitzer wird?"
"Tut sie das denn?"
"Auf jeden Fall!"
"Du armes Ding, wie willst du mit mir jetzt fertig werden?"
"Das klären wir nach meinem Spiel."
"Nach deinem Spiel darfst du unser Schlafzimmer aufräumen."
Shervin öffnet seinen Mund, schließt ihn dann wieder.
"Na, sprachlos?"
"Komm jetzt", seufzt er.

Shervin auf dem Spielfeld zu beobachten, ist immer wieder eine Faszination. Egal wie oft ich ihm schon zugesehen habe, es wird nie langweilig und es wird vermutlich immer einer meiner Lieblingsbeschäftigungen bleiben.
Auf dem Spielfeld ist er voller Konzentration, geht in seinem Element auf. Alles andere um ihn herum existiert nicht mehr, er treibt die gesamte Mannschaft an, wie eine Kräftepol.
Jeder seiner Bewegungen ist geschmeidig und im Einklang, er strahlt pure Perfektion aus. Man mekrt, dass dieser Sport seine absolute Leidenschaft ist.
Ich befürchte, dass ich selbst beim Blinzeln irgendwas verpassen werde, deswegen versuche ich gar nicht zu blinzeln, versuche es auf das Mindeste zu reduzieren, um ja nichts zu verpassen.
Seine Bewegungen strahlen Eleganz und Macht aus, ich weiß nicht, wie er es schafft beides in einem zu vereinen und das auch noch beim Basketballspielen, doch er schafft es und sorgt dafür, dass alle Blicke auf ihm liegen, ausnahmslos alle. Selbst die Blicke, die nicht auf ihm liegen sollten.
"Siehst du den mit der Sieben auf dem Trikot? Wie gut er aussieht", höre ich eine viel zu hohe Stimme schwärmen. Über meinen Ehemann schwärmen. All meine Konzentration, die auf meinem Ehemann lag, ist mit einem Mal dahin und ich drehe mich um, um ausfindig zu machen, wer so über Shervin spricht.
"Der ist richtig heiß", kichert ein anderes Mädchen. Die Beiden sitzen hinter mir und ich muss mich zusammenreißen, um nicht meine Geduld zu verlieren. Was machen die beiden hier eigentlich? Männer aufreißen? Oder noch schlimmer; verheiratete Männer anmachen?
Ich versuche meine bösen Gedanken im Zaum zu halten, auch wenn es mir unheimlich schwer fällt. Sie können schließlich nicht wissen, dass Shervin vergeben ist, während er spielt, trägt er seinen Ehering nicht.
Zum Glück pfeift keine zwei Minute später der Scheidsrichter und beendet damit das zweite Viertel, so dass es nun eine fünfzehminütige Pause gibt. Ich lauf runter auf das Spielfeld, da mein innerer Teufel mir keine Ruhe gibt.
Als ich bei Shervin ankomme, drücke ich Shervin einen Kuss auf die Lippen, was ich sonst normalerweise in der Öffentlichkeit nicht mache, weil meiner Meinung nach solche Dinge nicht in die Öffentlichkeit gehören.
Shervin reagiert natürlich überrascht, doch als er sieht, wie sich kurz nach unserem Kuss meine Blicke auf die zwei Mädels in der Zuschauertribüne richten, wird ihm schnell klar, was das für eine Aktion sein soll, weswegen er lachen muss.
"Du kannst es nicht sein lassen oder?"
"Als ob du anders reagiert hättest."
"Wir wissen beide, dass ich mich besser als du im Griff habe."
"Wem versuchst du denn zu gefallen? Du bist doch schon eine verheiratete Frau!", äffe ich seinen Worten, die er Zuhause verwendet hat, nach; "Wie war das nochmal mit dem im Griff haben?"
"Hexe."
"Rede nicht so viel und geh zu deinem Team, damit ihr eure Taktik für die zweite Hälfte besprechen könnt."
"Thema ändern ist auf jeden Fall dein Ding."
"Klar", grinse ich ihn an, kehre ihm den Rücken zu und laufe wieder auf meinen Platz zurück.

Als ich von hinten angestupst werde, drehe ich mich um und sehe wie die beiden Mädels mich etwas betreten anschauen.
"Es tut uns leid, wegen dem Gespräch von eben. Das war echt unangebracht", piepst eine von beiden beschämt.
Da ich die Aufrichtigkeit hinter ihren Worten erkenne, will ich nicht unnötig hart zu ihnen sein.
"Alles gut. Nur für das nächste Mal: ihr solltet aufpassen, wie ihr über einen Menschen redet."
Sie geben mir recht und entschuldigen sich ein weiteres Mal.

Shervins Team gewinnt, aber nur knapp. Man muss sagen, dass es ein sehr faires, aber hartes Spiel war, da beide Teams sehr stark waren.
"Was kriege ich?", fragt Shervin mich grinsend.
"Wofür?"
"Dafür, dass mein Team und ich gewonnen haben", er spricht seinen Satz so aus, als ob meine Frage völlig überflüssig wäre, da es auf der Hand lag, worauf er hinauswollte.
"Deine Mutter hat leckeres Essen gekocht."
"Und was kriege ich von dir?"
"Was willst du denn von mir?" Ich weiß ganz genau, worauf er hinaus will.
"Zur Feier des Tages könntest du ja unser Schalfzimmer aufräumen."
"Vergiss es, das werde ich ganz sicher nicht machen."
"Aber ich bin voll kaputt", meckert er und erinnert mich in dem Moment an Daphne, die auch so reagiert, wenn sie etwas will, es aber nicht kriegt. Kommt anscheinend ganz nach ihrem Onkel.
"Von mir aus kannst du auch Morgen in der Früh aufräumen."
"Warum? Warum habe ich nur so eine gnadenlose Frau geheiratet?", fragt er in den Himmel blickend und die Situation überdramatisierend.
"Du armes Ding."
"Nicht mal Mitleid hast du mit mir."
Das einzige, was ich auf diese Worte tue, ist es ihm ein Grinsen zu schenken.


Meine lieben Zuckermenschen,
ich brauche eure Hilfe: mir sind die Zitate ausgegangen. Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr mit Zitate zukommen lasst, die ihr mit Mediha und Shervin assoziiert. Ich danke euch aus ganzem Herzen für eure Hilfe und hoffe, dass ihr viel Spaß beim Lesen hattet! ❤️
Verzeiht mir die lange Wartezeit, ich merke gar nicht, wie die Zeit im Moment vergeht - oder sollte ich fliegt sagen?

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