"Take care of her, because life doesn't bless you with a good woman twice."
Meine Schwester geistert in meiner Wohnung rum, während ich versuche zu lernen.
"Feryal, kannst du nicht einfach gehen? Du störst mich!"
"Nz", schnalzt sie frech mit der Zunge, "nicht ich störe dich, sondern deine Gedanken tun es und dem bist du dir ganz genau bewusst."
"Was soll das werden? Therapiestunde bei Feryal?"
"Gib es zu, wenn ich mich dazu entschieden hätte, dann hätte ich das echt gut hinbekommen."
"So gut, dass du die Leute damit verjagt hättest."
Ihre Augen ziehen sich zu Schlitzen zusammen und sie mustert mich böse, doch schüchtert mich das natürlich kein bisschen ein.
"Du bist wieder so unerträglich, dass ich echt kotzen könnte."
"Wie gesagt, du kannst auch einfach gehen."
"Ich mache uns beiden jetzt Kaffee und wir werden miteinander reden, ob du willst oder nicht." Da ich weiß, dass jegliche Widerrede zwecklos ist, ergebe ich mich. Feryal ist eine extrem nervige Diskussionspartnerin und so schlecht wie meine Laune im Moment ist, habe ich keine Lust mich mit ihr auseinanderzusetzen.Nach wenigen Minuten kommt sie mit zwei Tassen zurück und allein der Duft des Kaffees sorgt dafür, dass ich etwas zur Ruhe komme.
Eine Weile herrscht Stille, bis Feryals Hand meine umgreift. Es ist eine trost-, aber auch kraftspendende kleine Geste."Ich weiß, wie du fühlst, Shervin, glaub mir. Aber vergiss nicht, dass du seit Samstag einen Ring an deinem Finger trägst. Ein Versprechen gegeben hast."
"Ich habe nicht vor die Verlobung aufzulösen."
"Das weiß ich. Aber du stößt Mediha von dir und auch wenn sie dir das nicht zeigt, weil sie um euch kämpft, verletzt es sie. Vergiss das nicht. Säe keine Zweifel in sie. Dieses Mädchen tut dir so gut, sie heilt deine Wunden, lässt dich wieder lachen und glücklich sein. Säe keine Zweifel in sie, lass sie nicht denken, sie würde dir schaden. Mediha würde sich selbst, ihr eigenes Glück aufgeben, damit du glücklich wirst. Wenn du sie denken und fühlen lässt, dass sie dir schadet, dann würde sie sich selbst aufopfern, nur damit es dir wieder gut geht. Lass das nicht zu. Lass sie so nicht denken und fühlen."
Mit der freien Hand fahre ich mir über das Gesicht."Es ist alles so scheiße verzwickt und ich weiß einfach nicht, wie ich handeln soll."
"Lass es zu, dass sie dir hilft. Nimm die Hand, die dir zur Hilfe gereicht wird an. Ich weiß, dass du ein Einzelkämpfer bist, aber du bist auch nur ein Mensch. Wir kommen alle an unsere Grenzen und da ist es nicht schlimm oder gar verwerflich sich Hilfe zu holen. Auch wenn es lediglich mentale Hilfe ist. Es tut uns allen gut, mal unsere Sorgen, unsere Last abzulegen, auch wenn es nur für einen kleinen Moment ist. Das macht dich nicht schwach oder verwundbar, wenn du das machst. Nimm die Hand, die dir gereicht wird an, sonst drehst du durch. Teile deine Ängste, Sorgen, Bedenken und Zweifel einfach mit Mediha. Sie wird dich verstehen und niemals dafür verurteilen, das weißt du doch. Mach es nicht schwerer als es schon ist, kleiner Bruder." Auf die letzten beiden Worte muss ich leicht lächeln, denn Feryal will mir damit deutlich machen, dass sie älter ist und weiß, wovon sie spricht.Im Grunde weiß ich, dass sie Recht hat. Dass es absolut nicht verwerflich ist, wenn ich all das, was mich belastet mir Mediha teile. Nein, dass es sogar ziemlich dumm ist, dass ich es nicht tue, weil ich dadurch Distanz zwischen uns schaffe und das tut uns beiden nicht gut, dem bin ich mir bewusst.
"Es klingt so einfach, wenn du all das sagst", seufze ich deswegen.
"Shervin, wir sind Menschen, wir sind soziale Wesen und wir brauchen es einfach, dass man uns zuhört, dass man für uns da ist. Wir leben durch die zwischenmenschlichen Beziehungen, die wir führen. Wenn diese nicht wären, dann würden wir aufhören zu existieren. Das alles brauche ich dir -als angehenden Pädagogen- doch wohl nicht erzählen oder?"
"Nein, das nicht-" "-setz kein Aber dahinter. Mach dir mal ernsthafte Gedanken über meine Worte. Ich muss jetzt gehen, habe gleich einen Termin."
Ich nicke und verabschiede meine Schwester. Ob Feryal wirklich einen Termin hat oder nur gegangen ist um mich mit meinen Gedanken alleine zu lassen, weiß ich nicht, doch bin ich ihr dankbar. Denn im Moment will ich einfach nur etwas alleine sein.Das Alleinsein hält jedoch auch nur bis zum Abend, denn Samir taucht nach der Arbeit bei mir auf, so dass wir gemeinsam zu Abend essen und er dann mit zwei Kaffeetassen ins Wohnzimmer kommt.
Im Gegensatz zu meiner Schwester hat er es jedoch nicht unbedingt nötig mich voll zu labern und dafür bin ich ihm unfassbar dankbar.
"Damals", fängt er an und hat auch direkt meine Aufmerksamkeit. Denn über damals spricht er nicht.
"Damals", setzt er erneut an, "bin ich davon ausgegangen, dass ich wirklich glücklich werden kann. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich ganz fest daran geglaubt, habe das tief in mir gespürt." Ein bitteres Lächeln umspielt seine Lippen.
"Shervin, du stehst vor diesem Glück, du bist dem so nah wie noch nie zuvor. Mediha tut dir so gut, wie es niemand bis jetzt getan hat. Du wirkst befreit und glücklich. Gebe dieses Glück ja nicht auf. Sie macht dich glücklich und es ist schön das mitanzusehen."
Ein leichtes Lächeln bildet sich nun um meine Lippen, denn mein Bruder hat Recht, Mediha macht mich so glücklich wie niemand es je geschafft hat oder schaffen könnte.
Doch mein Lächeln hält nicht lange, denn ich weiß, dass Samirs Dämonen ihn plagen. Er muss loslassen, all das Schlechte hinter sich lassen, damit er weitermachen kann. Doch tut er das nicht, er hält daran fest, lässt sich davon runterziehen und versperrt sich sein eigenes Glück. Meine Gedanken behalte ich jedoch für mich, denn er ist im Moment nicht bereit all das zu hören. Er braucht noch Zeit. Zeit für Heilung.
Doch meine Zeit zum Heilen ist schon da. Sie kam, an dem Tag, als ich Mediha das erste Mal gesehen habe. Ich wusste, dass sie für viel Wirbel in meinem Leben sorgen würde und im Endeffekt hatte sie ja auch genau das getan. Mein Leben auf den Kopf gestellt, doch selbst das ist mir lieb, selbst das tut mir gut, so verrückt das auch klingt.Es ist sehr kurz, dennoch hoffe ich, dass ich viel Spaß beim Lesen hattet meine lieben Zuckermenschen!❤
Eure Verâ
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MS
Romance"Die größte Blockade ist im Denken und Fühlen der Menschen verankert." Diese Worte würden mich prägen wie sonst keine, doch ihr Ausmaß hätte ich mir niemals erdenken können. Offizieller Start: 27.05.2019/2020 Offizielles Ende: noch laufend