We're going on a trip in our favourite pice of shit

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Der Hogwarts-Express. Man konnte über ihn sagen, was man wollte, aber er war ein schöner Zug. Das Problem war eher der Inhalt dieses Zuges. Menschen. Schon seit der ersten Klasse und meiner ersten Fahrt nach Hogwarts habe ich es gehasst in dieser überfüllten Sardinenbüchse zur Schule zu fahren. Das hatte sich auch in den letzten Jahren nicht geändert, nur mit dem Unterschied, dass ich jetzt über die Köpfe der Erstklässler hinwegschauen konnte, was die Sache aber nicht sonderlich besser machte.

Ein Schlag traf meinen Hinterkopf.
„Freya! Jetzt hör mir doch mal eine Sekunde zu."
Darf ich vorstellen? Iduna. Meine Schwester, Schulsprecherin, Gryffindor, beliebt und wenn es eine Miss Hogwarts gäbe, dann wäre sie es.
„Was denn?", antwortete ich ihr, über das Gewusel am Bahnhof hinweg.
„Ich geh nach vorne zu den andern Vertrauensschülern, wenn das für dich okay ist?"
Jedes Jahr fragte sie mich das. Als würde sie eines Tages wirklich eine andere Antwort als Okay von mir erwarten. Aber dieses Jahr war eh unser letztes Jahr zusammen, also wen interessiert das schon?
„Ich hab dich was gefragt."
Ich seufzte. „Ja. Ist okay."
„Dann bis später."
Nach diesen Worten verschwand sie mit ihrem Koffer zwischen den Schülern und Eltern. Bis später. Das ich nicht lache. In der Schule wechselte sie nur Worte mit mir, wenn es wirklich nötig war. Vielleicht liegt das daran, dass ich ohnehin nicht sehr gesprächig bin, oder es liegt daran, dass ich coolness-Level runterziehe. Eins von beidem.
Mit einem Seufzer nahm ich meinen Koffer auf und ging Marlene suchen.

Fündig wurde ich schließlich erst im Zug, in einem der hinteren Abteile. Wie ich diesen Zug hasste. Nichts als Menschen, gedrängt auf viel zu wenig Raum. Meine Familie wohnte in Schottland. Iduna war 17. Wir könnten also auch einfach nach Hogwarts apparieren, aber nein. Wir mussten nach Kings Cross und in dieser Blechbüchse acht Stunden dahin fahren, wo wir hergekommen sind. Super Planung. Zehn von zehn Sternen.
Genervt ließ ich mich auf einen freien Sitz im Abteil fallen. In dem Abteil saß zu meinem Unmut auch-
„Hi Freya! Wie waren deine Ferien? Habt ihr wieder Drachen gejagt? Ich find das ja immer noch unverantwortlich, dass deine Eltern dich zu all dem mitnehmen."
God damm it. Lily Evans. Eigentlich ist sie wirklich nett, aber erstens spricht sie gefühlt alles aus, was ihr durch den Kopf schießt und zweitens hat sie das Bedürfnis Menschen zu umarmen und wenn ich eins bis auf den Tod nicht ausstehen kann, dann ist das umarmt zu werden. Bei mir hat sie inzwischen zum Glück kapiert, dass ich ihr ein Bügeleisen ins Gesicht werfe, wenn sie mich nochmal umarmt.
„War schon okay. Marlene, füg linke Oberschenkelfraktur, Schlüsselbeinfraktur und Brandnarbe hinter dem linken Ohr auf die Liste hinzu."
Das blonde Mädchen gegenüber von mir grinste. „Aye, Sir." Sie zog einen zusammengefalteten Zettel und einen Bleistift aus ihrem Rucksack und schrieb die genannten Sachen mit auf den sehr lädierten Zettel.
„Macht ihr das mit der Liste immer noch? Ist das wirklich etwas, worauf man stolz sein kann?"
Ich nickte mit einem milden Lächeln und hoffte, dass Miss Evans sich bald verdünnisieren würde.

Als der Zug sich in Bewegung gesetzt hatte, erfüllte sich mein Wunsch tatsächlich.
„Ich geh dann mal durch die Gänge, schauen ob irgendjemand Hilfe braucht, oder, ob vier gewisse Idioten wieder Unfug treiben." Ihre grünen Augen verengten sich zu Schlitzen.
„Viel Spaß.", entgegnete Marlene, die aus dem Fenster zusah, wie draußen die Häuser Londons vorbeizogen.
„Werde ich haben." Die Abteiltür ging einmal auf und wieder zu.
„Gut, dass sie mich nicht gefragt hat, wie ich mir den ganzen Mist gebrochen habe.", sagte ich trocken, als wir endlich alleine waren.
„Warum? Hau raus." Marlene sah mir nicht in die Augen, sondern schaute weiter aus dem Fenster. Das rechne ich ihr hoch an. Wenn ich eines nicht leiden kann ist es, wenn Menschen versuchen mir krampfhaft in die Augen zu schauen.
„Also. Beim Oberschenkel hat mich ein Abraxaner weggetreten und beim Schlüsselbein und der Brandwunde waren wir in der Stadt bei einem, der sich ne Aschwinderin eingefangen hat. Das Vieh hat gemerkt, dass Papa und ich kommen und hat versucht mich zu erwürgen. Naja. Wir habens eingefroren, rausgebracht und in die Wildnis entlassen. Hoffentlich nistet sich das nicht woanders ein. Aber das sind schon echt tolle Tiere."
Jetzt sah Marlene mich doch an, aber zum Glück nicht in meine Augen. „Ist das der Grund für den Undercut? Hat das blöde Viech dir die Haare abgefackelt?"
Ich fuhr mir mit der freien Hand über den vielleicht fünf Zentimeter breiten Streifen unten an meinem Haaransatz, an dem meine fast schwarzen Haare jetzt raspelkurz waren.
„Ja. Aber das sind keine blöden Viecher. Die sind total interessant."
„Manchmal hab ich echt das Gefühl, du bist eher Hagrids kleine Schwester, als Idunas."
Hach ja. Iduna. Iduna mit ihren tollen, blonden Haaren und ihren meerblauen Augen. Mit ihrer makellosen Haut, ohne Brand- und Schnittnarben wie meine. Die immer von Jungs umschwärmt wird. So sehr, wie ich meine Schwester liebte, ging mir ihre Beliebtheit auf den Senkel. Dank ihr war ich nie Freya. Ich war immer Idunas Schwester, die nicht mal in das gleiche Haus gekommen war, wie ihre Schwester. Nicht, dass mir das sonderlich viel ausmachen würde, dass Menschen meinen Namen nicht kannten, nein, es war eher die Tatsache, dass mich schon unfassbar viele Leute gefragt hatten, ob ich ihnen ein Date mit Iduna organisieren könnte.
Ich war sogar froh, nicht im gleichen Haus gelandet zu sein, wie sie. Nichts gegen Gryffindors, aber wenn ich an die Geschichten dachte, die beim Frühstückstisch erzählt wurden, da fragte ich mich doch, wer auf die tolle Idee gekommen war, einen Haufen übermütiger Jugendliche in einen Turm zu sperren. In einen Turm. Das war doch total bekloppt.
Außerdem war ich froh eine Ravenclaw zu sein, da die meisten Ravenclaws eh besseres zu tun hatten, als einen 24/7 zuzutexten. Hätte ich mit Lily Evans in einem Schlafsaal wohnen müssen, hätte ich mich freiwillig von einem Nundu fressen lassen. Ich verstehe bis heute nicht, warum Marlene sich so gut mit ihr verstand. Außerdem war sie eine reine Einserschülerin. Das alleine wäre ja nicht schlimm gewesen, aber sie war die Art Einserschülerin, die jedem erzählte, sie wäre unfassbar schlecht gewesen, aber dann doch ein Ohnegleichen zurückbekam. Merkt man, dass ich sie nicht so wirklich mag? Vielleicht. Es gibt einen Haufen Menschen, die sie mögen, aber ich zähle nicht dazu.

Der Rest unserer Fahrt verlief ohne großartige Konversationen. Marlene erzählte nur, dass ihre Eltern sie nach Schweden mitgeschleift hatten, obwohl sie viel lieber zuhause geblieben wäre.
„Ich versteh das immer nicht. Andere Leute dürfen ihre Freunde in den Ferien besuchen, aber meine Eltern finden immer eine Ausrede, warum ich gerade dich nicht besuchen darf. Dabei wohnst du jetzt echt nicht so weit weg."
„Vielleicht hättest du ihnen nicht erzählen sollen, dass deine Freundin eine verrückte Schottin ist, in deren See hinterm Haus eine Kelpiefamilie lebt und deren Job es ist magische Tierwesen zu bändigen?"
„Aber komm schon. Das ist doch kein Grund, dass ich dich nicht besuchen dürfte."
„Wohl wahr, aber ab November bist du 17, dann kannst du mich ja an Weihnachten besuchen."

Ich kramte meine Ausgabe von Phantastische Tierwesen aus meinem Koffer und Marlene ihren Zeichenblock. Meine Ausgabe war schon lange nicht mehr das Schulbuch, was ich damals zu meinem elften Geburtstag bekommen hatte. Die Seiten waren mit Notizen vollgeschrieben, zusätzliche Notizzettel und Zeichnungen von Marlene lagen dazwischen. Das Buch sah eher aus, wie die Rezeptesammlung meiner Mama.

Wie immer kam irgendwann die Trolleyfrau mit den Süßigkeiten. Wie immer musste ich ablehnen, aber Marlene kaufte eine Schachtel mit Berty Botts Bohnen für uns beide. Bei dem Job meiner Eltern kam nur wenig Geld herum. Der Großteil war wie so oft für unsere Schulsachen draufgegangen. Zwar war der Beruf als Wesenbändiger gefährlich, aber doch war er ziemlich brotlos.
Wie immer kam irgendwann Lily zurück und beschwerte sich lautstark über die vier Rumtreiber, die einen Fünftklässler in Brand gesteckt hatten. Ich schaltete auf Durchzug. Dass sie sich hier drüber aufregte, würde die Sache sicher nicht besser machen.
Wie immer kamen wir erst bei Hogwarts an, als es schon dunkel war. Wie immer brachten uns die Thestralkutschen nach oben zum Schloss. Wie immer sang der Hut sein komisches Lied. Wie immer wurden die neuen Kinder eingeteilt. Wie immer sangen wir danach unser komisches Lied und wie immer schlugen wir uns danach den Magen voll, was das Zeug hielt.
Es fühlte sich irgendwie gut an, wieder hier zu sein, auch, wenn ich lieber zuhause geblieben wäre. Hier waren mir einfach zu viele Menschen. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass Marlene der einzige Grund war, aus dem ich noch nach Hogwarts kam. Und natürlich die Tierwesen. Vor allem die Kelpies.
Lächelnd sah ich zu der Zeichnung der Kelpiefamilie, die Marlene mir vor drei Jahren zu Weihnachten geschenkt hatte und die seitdem an meinem Bettpfosten hing, bevor ich schließlich doch langsam in den Schlaf glitt.

Kelpie || HP/Rumtreiber FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt