„Wetten, der duscht seltener als ein Tebo?"

3.6K 289 31
                                    

Prinzipiell hatte sie ja auch schon Jahre Übung. Aber vor allem in den letzten zwei Jahren hatten sich ihre Zeichenkünste deutlich verbessert. Vor allem Gesichter. Und so schob ihr die Fünftklässlerin bereitwillig fünf silberne Sickel und einen Schokofrosch über den Tisch, im Tausch gegen die Zeichnung. Fünf Sickel pro Nase. Das war Marlenes Standardpreis. Über das Jahr verteilt kam da doch eine ganze Menge zusammen.

Endlich zog das Mädchen ab und ich konnte mich auf meinen Platz setzen.
Marlene schüttelte den Kopf und warf ihren Bleistift in ihr Ledermäppchen. „Ich hab das Gefühl du hast eine stärkere Bindung zu diesem Stuhl, als zu manch anderem Menschen."
Ich zog meinen Zauberstab aus dem Umhang und ließ ihn auf dem Tisch vor- und zurückrollen. „Ziemlich sicher sogar.", sagte ich dann langsam.
„Na, aber hoffentlich würdest du mich über den Stuhl wählen."
Nachdenklich blickte ich zwischen dem Stuhl und ihr hin und her. „Schwierige Entscheidung."
„Du kannst ihn ja nächstes Jahr in einen Hund oder so verwandeln und dann mitnehmen. Fällt sicher nicht auf."
Ich verzog das Gesicht. „Du kennst doch meine Noten in Verwandlung."
Marlene lächelte. „Jup. Aber du kennst auch meine Noten in Verwandlung."
„Willst du damit andeuten, dass du mir zum Schulanschluss einen Stuhlhund schenkst?"
Ihr Lächeln wurde zu einem Grinsen. „Vielleicht?"
„Knalltüte."

Ich holte mein Buch für Zauberkunst und ein Stück Pergament aus meiner Tasche.
„Notizen über Haushaltszauber. Da kommt doch Freude auf."
„Immerhin ist das was Brauchbares."
„Dann machen wir das wohl lieber jetzt und schieben es nicht ewig auf.", seufzte ich und machte mich daran, mir wichtige Stellen im Buch mit einem blauen Holzstift anzustreichen.
„Dass du immer in deinen Büchern rummalen musst..." Marlene schüttelte den Kopf.
Ich zuckte die Schultern. „Ist doch mein Buch."
„Aber du willst das doch nicht für immer behalten?"
„Na und? Wenn das jemand nach mir bekommt, dann hab ich schon vorgearbeitet."
„Ja, aber-"
„Hast du dir mal Snape angeschaut? Wie der schon seit Jahren in seinen Büchern rumschmiert?"
„Dessen Buchseiten haben aber wahrscheinlich auch Fettflecken von seiner Nase und seinen Haaren."
„Wetten, der duscht seltener, als ein Tebo?"
„Diese Warzenschweine? Könnte hinkommen."
Grinsend wandten wir uns wieder unserer Arbeit zu.

Marlene fuhr zuerst mit ihrem Finger die Zeichnung im Buch entlang und zog dann ihren Zauberstab.
„Glaubst du, der mach den Ratzeputz nächstes Mal mit uns?"
Ich zuckte die Schultern.
„Naja, kann ja nicht schaden schon mal zu üben. Hast du irgendwas Dreckiges für mich?"
Wortlos beugte ich mich unter den Tisch, zog meinen rechten Schuh aus und legte ihn auf eine freie Stelle des Tisches.
„Also so dreckig jetzt dann auch wieder nicht."
An der Sohle klebten Grashalme und kleine Dreckklumpen, die den Fußabtreter vor dem Gemeinschaftsraum überlebt hatten. Marlene schwang ihren Zauberstab.
Ratzeputz"
Nichts passierte. Erst einige Versuche später verschwanden die ersten Dreckklumpen.
Ratzeputz!"
Jetzt funktionierte es doch. Dreck und Staub verschwanden.
„Deine Schuhe sind eigentlich schwarz und nicht braun?", fragte Marlene erstaunt.
„Ich hab die seit locker zwei Jahren nicht mehr geputzt. Kann gut sein."
„Gib mir mal den anderen."
Ich tauschte die Schuhe. Bei meinem zweiten Schuh brauchte sie nur noch fünf Anläufe.
„Und was machst du jetzt, wenn wir den am Montag gar nicht machen?"
„Dann kann ich trotzdem für immer deine Schuhe putzen."
„Guter Punkt."

Inzwischen war es dunkel geworden. Nur die Fackeln und der Kamin erhellten den Gemeinschaftsraum.
Nachdem ich meine Notizen fertig hatte, schrieb ich den Kalender für Kesselbrand ab. Darin hatten Hagrid und ich verschiedene Zeiträume eingetragen, in denen wir es für möglich hielten, dass die Stute warf. Eigentlich war das aber nur Kaffeesatzlesen. Sie konnte jederzeit werfen. Ich seufzte. Hoffentlich würde es keine Fehlgeburt werden. Es war das erste Fohlen des Paares.
Dunar stammte aus unserem Loch zuhause und ich kannte ihn schon mein halbes Leben. Ziemlich genau sogar. Wir hatten ihn damals hierhergebracht, weil er sich immer mit seinen Eltern angelegt hatte. Und so war an meinem ersten Schultag nicht nur ich angekommen, sondern auch ein recht junger, rebellischer Kelpie. Woher die Stute kam wussten wir nicht. In meinem zweiten Jahr war sie irgendwann einfach aufgetaucht und geblieben. Dunar und sie waren ein Herz und eine Seele. Aber vor allem war sie gerissen. Es hatte ziemlich lange gedauert sie zu erwischen und ihr ein Halfter anzulegen, damit sie keine Gefahr mehr war. Aber seitdem war sie lammfromm und ließ sich manchmal sogar zum Reiten erweichen, aber nur, wenn sie auch Lust darauf hatte.

Endlich faltete ich den Zettel zusammen. Es brauchte keine Worte mehr. Schweigend gingen Marlene und ich nach oben in den Schlafsaal. Wie fast jeden Abend waren wir die ersten, die ins Bett gingen. Dafür waren wir aber auch diejenigen, die am nächsten Morgen vernünftig ausgeschlafen waren. Zumindest, wenn Marlene nicht wieder die ganze Nacht las.

Kelpie || HP/Rumtreiber FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt