Marlenes Blick huschte wieder einen Moment über meine Schulter und zum Gryffindortisch. Ich wand mich um, in der Erwartung Black zu sehen, aber stattdessen blieb mein Blick an einem Schopf blonder Haare hängen. Iduna. Wie immer mit ihrem Club aus Freundinnen. Aber vielleicht hatte Dad ihr schon einen Brief geschrieben? Wegen dem Verlag, ob alles geklappt hatte.
Kurzentschlossen stand ich auf und lief zum Gryffindortisch, aber auch, als ich direkt vor dem Platz stand, an dem meine Schwester saß, schien sie mich nicht zu bemerken. Oder bemerken zu wollen. Die Stimmen ihrer Freundinnen übertönten jedes meiner Worte.
„Iduna."
„Ja, ich kümmer mich um die spätere Sperrstunde. Hab ich doch gesagt.", sagte sie gerade zu einem Slytherin, die neben ihr stand.
„Wie läuft es jetzt eigentlich zwischen dir und Jonathan?"
„Iduna."
„Ach was, da läuft doch nichts. Sie ist doch viel zu gut für ihn."
„Findest du? Ich find fast, sie bräuchte mal jemanden wie ihn."
„Iduna!"
„Jetzt hört doch auf ihr beiden." Sie kicherte. Es war ein Lachen, was ich so seit Jahren nicht mehr bei ihr gehört hatte. Zumindest nicht in meiner Gegenwart.
„Aber ich finde schon, dass du mal-"
„Iduna Jaelle Winter!"
Endlich sah sie mich an. Es geschahen noch Zeichen und Wunder. Aber ihr fröhliches Gesicht wurde wieder so genervt, wie es immer war, wenn sie mit mir sprach. „Was?!"
„Ist das nicht ihre Schwester?", flüsterte eines der Mädchen, als stände ich nicht in ihrer Hörweite und könnte sie verstehen. Ich versuchte sie zu ignorieren.
„Hat Dad dir schon geschrieben? Wegen dem Buch."
„Ist das nicht die, die immer bei Hagrid rumhängt?"
„Freya. Du hast Dad vor noch nicht mal einer Woche das letzte Mal gesehen. Glaubst du der schickt mir Hiobsbotschaften?"
„Ich dacht ja nur. Vielleicht-"
Sie schnitt mir das Wort ab. „Ich hab Wichtigeres zu tun, okay?! Jetzt zieh Leine!"
„Wichtigeres?", knurrte ich. „Lästern oder was?"
„Du hast sie doch gehört!", fuhr mich einer der Jungen an. „Jetzt lass sie in Frieden, du Weirdo."
Es tat nicht weh, dass er das sagte, aber es tat weh, dass Iduna nichts sagte. Sie hatte sich einfach wieder ihren Freundinnen zugewandt. Sie sagte nichts. Sah mich nicht einmal an. Einen Moment bildete ich mir ein, etwas wie Mitleid in ihren Augen zu sehen, bevor ich mich umdrehte und wieder zum Ravenclawtisch ging.Wortlos nahm ich meine Tasche von der Bank. Marlene warf mir einen besorgten Blick zu.
„Hat sie wieder...?"
Ich nickte nur. Ich wandte mich noch einmal zum Gryffindortisch, um zu sehen, ob sie mir vielleicht nachsah, aber nein. Ihr Blick galt wieder ihren Freunden und sie lachte wie zuvor. Stattdessen wanderten mir vier andere Augenpaare nach, während ich aus der großen Halle rannte.
Meine Beine trugen mich wie von selbst nach unten zum schwarzen See. Warum konnte sie nicht einfach normal mit mir reden? Warum behandelte sie mich wie ein Stück Kacke, was unter ihrem Schuh klebte, sobald mehr als zwei Leute dabei waren?
Ich wischte mir die Tränen aus den Augen. Nach nur wenigen Sekunden saß ich wieder auf dem breiten Stein im schwarzen See am Waldrand und ließ kleine Kiesel über das Wasser schnellen. Ich wusste nicht, ob ich wütend oder traurig sein sollte. Jedes Jahr lief das so. Als müsste sie ihr Gesicht wahren und dürfe bloß nicht mit ihrer komischen Freakschwester in Verbindung gebracht werden. Warum konnte es nicht so sein wie früher? Als Dad uns noch Zuhause unterrichtet hatte. Damals hatte es ihr nichts ausgemacht, durch den Wald zu rennen, die Hände voller Harz und die Haare voller Dreck zu haben. Sie hatte mit mir zusammen die Kelpies gestreichelt, hatte mit mir Murtlaps gefangen und einmal hatte sie sogar eine Rotkappe verprügelt. Es war ihr egal gewesen, was die anderen sagten. Wir hatten uns.
„Wer braucht schon Freunde, wenn man eine Schwester wie dich haben kann." Das hatte sie gesagt. Bei unserem letzten Ausritt mit den beiden Kelpies, bevor sie nach Hogwarts gefahren war.Eine feuchte Pferdeschnauze schob sich in mein Gesicht. Es war Dunar. Sanft strich ich ihm über Stirn und Ohren. Das Wasser aus seiner Mähne tropfe auf meine Uniform.
Ja, Hogwarts hatte einen Keil zwischen Iduna und mich getrieben. In den ersten Weihnachtsferien hatte noch alles normal geschienen. Wir waren wie immer draußen gewesen. Waren Schlittschuh gefahren und hatten Schneetierwesen gebaut. Aber spätestens ab den Sommerferien war alles anders gewesen. Iduna hatte sich nicht mehr für die Tierwesen interessiert. Ab jetzt interessierten sie Klatsch und Tratsch, magisches Make-up, Frisuren und Jungs. Sie hatte keine Lust mehr, draußen im Wald herumzutoben, sondern schloss sich in ihr Zimmer ein und schrieb Briefe an ihre Freunde. Sie wollte auch nicht mehr mitkommen, wenn Mom oder Dad bei der Arbeit Hilfe brauchten.
Aber richtig zu spüren, bekam ich ihre abweisende Art erst, als ich auch nach Hogwarts kam. Ich war ihr egal. Ab dem Moment, in dem der sprechende Hut mich zu einer Ravenclaw erklärt hatte, war ich ihr egal gewesen. Ich war nicht so wie sie. Hatte von Anfang an nur Marlene als Freundin gehabt, während sie zu allen Zeiten von Menschen umgeben war.Menschen stressten mich. Vor allem Lehrer. Dunar hatte seinen Kopf auf meiner Schulter abgelegt und brummte leise, während ich ihn hinter den Ohren kraulte.
Mit Tierwesen war es so viel einfacher. Die verurteilten einen nicht, nur weil man nicht mit ihnen reden wollte. Warum konnte Iduna nicht einfach ihre Freunde mal stehen lassen? Immerhin war ich ihre Schwester. Aber je länger wir auf ein und die selbe Schule gingen, desto eher bekam ich das Gefühl, dass ihre Freunde ihr wichtiger waren als ich. Dass sie nicht mit mir reden konnte, ohne, dass ihr Coolness-Level signifikant sank. Vielleicht dachte sie, dass sie jetzt als Schulsprecherin nicht mit mir interagieren durfte, weil sie die anderen sonst nicht mehr akzeptierten.
Aber egal was, wenn man über mich sprach, war ich immer nur ihre Schwester, oder die mit den Kelpies. Ich war nie ich selbst.
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Kelpie || HP/Rumtreiber FF
Fanfiction„Weißt du, machmal will ich einfach keine Hexe mehr sein. Ich wäre lieber einer von ihnen." ▪︎▪︎▪︎ Das sechste Schuljahr der Rumtreiber beginnt und natürlich nicht nur für sie. Auch für ihre Stufenkameradin Freya. Für sie, wie immer nur purer Stress...