Fieberträume

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„Aufwachen." Eine Hand rüttelte an meiner Schulter. „He-ey, Erde an Freya."
Ich brummte etwas Unverständliches und zog die Decke höher. Mein Körper würde mir schon sagen, wann es Zeit war aufzustehen.
„Freya, wir haben in fünfzehn Minuten Unterricht."
Ruckartig schlug ich meine Augen auf. Ich hatte verschlafen?! Leicht verschwommen sah ich Marlene vollkommen angezogen neben meinem Bett stehen. Mit müden Armen schlug ich die Decke zurück und schwang meine Beine aus dem Bett.
„Komm ja schon."
„Ist alles okay bei dir?" Marlene musterte mich besorgt. „Du siehst irgendwie nicht gut aus."
„Mir gehts super.", entgegnete ich leicht krächzend, einen Hustenreiz unterdrückend. Schnell zog ich eine frische Schulrobe aus meiner Kommode. Mein Gleichgewicht hatte irgendwie sehr gelitten. Während ich versuchte, mein rechtes Bein in die Hose zu befördern, wurde meine Sicht plötzlich merkwürdig grau-schwarz. Ein dumpfes Pong erklang.
Es dauerte kurz, bis ich realisierte, dass ich dieses Geräusch verursacht hatte. Oder bessergesagt mein Rücken, der auf den Holzboden gedonnert war.
Marlene half mir, mich aufzusetzen. „Bist du dir sicher, dass es dir gut geht? Wo bist du letzte Nacht überhaupt gewesen. Die Gerüchteküche von Helena, Mary und Eyleen kocht schon wieder auf Hochtouren." Sie schob ihre eiskalte Hand unter meine Haare in meinen Nacken. Sonst waren ihre Hände eigentlich immer warm. Aber was war letzte Nacht überhaupt gewesen.
Es traf mich wie ein Blitz, der versuchte, sich einen Weg durch meine vernebelten Gedanken zu bahnen. „Das Fohlen!" Verzweifelt versuchte ich aufzustehen, aber Marlene hielt mich fest. „Ich muss nach unten zum See! Es ist letzte Nacht gekommen."
Marlenes Blick wanderte von mir zu den Klamotten, die nach wie vor über dem Stuhl hingen. Etwas wie Erkenntnis erschien auf ihrem Gesicht.
„Du gehst nirgendwo hin, außer in den Krankenflügel.", sagte sie dann bestimmt. „Du glühst wie ein Stück Kohle."
„Ich will aber nicht-" Etwas, wie eine Riesenfaust drückte meinen Brustkorb zusammen. Es waren meine eigenen Muskeln. Ein heftiger Hustenanfall schüttelte mich. Es war ein tiefes, kehliges Husten, als würde mein Körper meine Lunge loswerden wollen.
„Es interessiert mich nicht, ob du das willst oder nicht. Du würdest auch mit der Beulenpest noch im schwarzen See schwimmen gehen."
Ich erwiderte nichts mehr. Es war zwecklos. Wie bei einem kleinen Kind half Marlene mir beim Anziehen. Den Weg aus dem Gemeinschaftsraum und die Treppen nach unten nahm ich nicht wirklich wahr. Alles war verschwommen und verwischt, als hätte man ein Glas mit Wasser über ein Bild aus Wasserfarben gekippt. Marlene hatte ihren Arm um meine Hüfte gelegt und stütze mich.
Normalerweise hasste ich körperliche Nähe, aber ohne sie wäre ich vermutlich wie ein Slinkie einfach die Treppen heruntergepoltert. Schier eine halbe Ewigkeit später erkannte ich die reinweißen Betten des Krankenflügels. Ich war schon oft hier gewesen, dank sämtlicher Brüche und anderer Verletzungen, aber noch nie hatte ich mich so erbärmlich gefühlt wie gerade jetzt.
Schnelle Schritte kamen auf uns zu. Madam Pomfrey redete so schnell, dass ich Schwierigkeiten hatte, sie zu verstehen. Irgendwas mit unverantwortlich und Ruhe. Marlene wetterte entschlossen dagegen, aber auch in einem solchen Tempo, dass ich es nicht wirklich verarbeiten konnte. Ich wollte wieder nach oben in den Schlafsaal. Einfach weiterschlafen. Oder nach unten in den See. Der war wenigstens schön kühl. Was Kühles wäre jetzt schön, ja.
„Komm." Marlene dirigierte mich zu einem der Betten, auf das ich mich erleichtert setzte. Eine eiskalte Holzspitze fuhr über meine Stirn. Dann reichte mir, ich glaube es war Madam Pomfrey, ein Glas mit etwas Lauwarmem.
Ich setzte das unangenehm warme Glas an meine Lippen und trank es in einem Zug leer. Meine Kehle war unangenehm ausgetrocknet. Als ich ihr gerade das Glas zurückgegeben hatte, zog sich mein Brustkorb wieder zusammen und der nächste, tiefe Hustenanfall schüttelte meinen Körper.
Jemand hielt mich fest. So wie es sich anfühlte Marlene. Jemand anderes zog mir die Schuhe von den Füßen. Sobald der Hustenanfall verklungen war, hob jemand meine Beine und drehte mich in eine liegende Position. Eine wohlig weiche Decke bedeckte kurze Zeit später meinen Körper. Ich schloss die Augen. Ein Reiz weniger, den mein Kopf gezwungen war zu verarbeiten.
„Ich komm in der Pause noch mal vorbei.", drang Marlenes Stimme noch durch meine verhangenen Gedanken, bevor ich wieder in den Schlaf glitt.

Ich war in einem großen Raum. Ein Büro. An Schreibtischen saßen Menschen, die Dokumente bearbeiteten. Sie stempelten lange Pergamentrollen ab, rollen sie ein, banden sie zu und ließen sie dann in Kisten fallen, in denen sie zu brennen begannen und zu Asche zerfielen.
Dumbledore stand vor mir. Seine Lippen bewegten sich, aber er sagte trotzdem kein Wort. Wild gestikulierte er in Richtung eines Schreibtischs, an dem statt eines Stuhls ein umgedrehter Kessel mit Entenfüßen stand. Sollte ich mich da hinsetzen? Ich versuchte zu fragen, aber auch über meine Lippen kam kein Wort.

Ein Loch in den Highlands. Das Wasser schien ruhig zu sein. Still und glitzernd spiegelte sich die Sonne darin. Halt. Nicht nur eine Sonne. Zwei Sonnen. Neben mir standen Dad und Iduna. Jeder hatte eine Hand voll Schokofroschkarten, die sie tauschten.
„Ich geh jetzt schwimmen. Das ist gut für den Bizeps!", sagte Dad plötzlich unvermittelt. Er warf die Schokofroschkarten über die Schulter nach hinten und machte einen Salto in den See. Komisch. Dad konnte doch gar keinen Salto. Oder doch?
Er kraulte nach draußen. Iduna verschränkte ihre Arme vor der Brust und sah ihm nach.
Plötzlich begann die Mitte des Sees zu blubbern, als hätte jemand einen Stöpsel aus einem Abfluss gezogen.
„Dad!", schrie ich. „Komm raus!" Aber er hörte mich nicht. Das Wasser begann sich zu drehen. Es formte einen Strudel.
„Iduna! Hol ihn da raus!"
Iduna schüttelte den Kopf. „Das ist gut für seinen Bizeps.", sagte sie nur, bevor sie sich umdrehte und ging. Ich wollte rennen, aber meine Beine schienen an den Boden betoniert.
„Dad! DAD!" Hilflos musste ich mit ansehen, wie ihn der Strudel in die Tiefe riss.

Kelpie || HP/Rumtreiber FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt