„Na, was verloren, Winter?"

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Bevor ich innerlich zu fluchen anfangen konnte, fing ich an zu zittern. Wind fuhr in die Bäume des Waldes und die Sonne hatte sich hinter einer dicken Wolkendecke verschanzt. Dunar war schon wieder abgetaucht, vermutlich auf dem Weg zu seiner Freundin. Schlotternd schlang ich meine Arme um meinen Oberkörper.
Wer bitte hatte meine Sachen? Wo ich über die Steine zum Ufer hüpfte, hinterließen meine Füße dunkle Abdrücke. Meine Haare tropften wie blöd. Ein Niffler? Unsinn. Der hätte vielleicht meine Tasche geklaut, wegen den Metallschnallen, aber was wollte ein Niffler mit meinem Umhang und vor allem meiner Hose und meinen Socken? Ein Zentaur? Bullshit, der kam da nicht mal hin.
Meine Füße berührten das Kiesbett des Flussufers. Wer klaute denn einfach so Klamotten? Mir wollte absolut kein Tierwesen einfallen, was Socken klauen würde. Es sei denn...
„Na, was verloren, Winter?"
Sirius Black. Welcher Arsch auch sonst? Er saß auf einem Ast vielleicht eineinhalb Meter über dem Boden. Meine Tasche auf seinem Schoß und meinen Zauberstab provozierend zwischen seinen Fingern drehend, mit einem schmierigen Grinsen im Gesicht.
Als ich nichts erwiderte, sondern nur weiter in tropfender Unterwäsche vor ihm stand, bequemten sich auch seine Anhängsel aus dem Schatten. Vielleicht sollte es cool wirken, aber im Anbetracht der Tatsache, dass Potters Haare so aussahen, als hätte er in eine Steckdose gefasst, Pettigrews Hemd aus seiner Hose hing und Lupin so aussah, als würde er sich gerne selbst erwürgen, wirkte es eher wie ein kleiner Zwergenaufstand. Nicht, dass ich nicht so aussah, als hätte jemand mich gerade als Wischmopp benutzt und ich einen ganzen Kopf kleiner war als Potter, aber trotzdem konnte ich nicht wirklich entscheiden, ob ich oder sie hier den lächerlicheren Anblick boten.
„Ich hab dich gefragt ob du was verloren hast?!", fragte Black noch einmal mit Nachdruck und sprang von seinem Ast. Auch er war einen guten Kopf größer als ich und scheinbar ziemlich genervt davon, dass ich ihm weiterhin nicht antwortete.
Mein Blick huschte zwischen meinen Klamotten in Potters und meiner Tasche in Blacks Hand hin und her. Irgendwann würden sie mir die Sachen schon zurückgeben. Die konnten ja schlecht meine Sachen mit zum Abendessen nehmen. Andererseits war es auch noch eine Weile hin bis zum Abendessen. Vielleicht war ich bis dahin auch erfroren.
Der Blick, den Black meinen Körper entlangwandern ließ, machte mir auf einer ganz anderen Ebene nervös. Vor allem, da ich hier nach wie vor in Unterwäsche stand.
„Willst du nichts sagen? Bist du stumm oder so?" Potter drückte meine Kleidung Lupin in die Hand und schloss zu seinem Kumpel auf. „Kannst du nicht reden? Bist. Du. Taub?", fragte er sehr langsam und abgehackt, als wäre ich taub, stumm und blöd gleichzeitig.
Ich hielt meinen Blick weiter auf den Boden gerichtet und schüttelte den Kopf. Konnten sie nicht einfach meine Sachen wieder rausrücken? Das würde beiden Parteien eine Menge Ärger ersparen.

Einige Sekunden lang war nichts zu hören, außer das leise Plitsch, wenn ein Wassertropfen aus meinen Haaren das Laub traf und das leise Rauschen des Windes in den Bäumen. Ich presste meine Zähne fest aufeinander, damit sie nicht klapperten. Die Blöße würde ich mir nicht geben.
„Kalt, oder?", fragte Potter.
Ich zuckte die Schultern. Konnte er nicht einfach aufhören und mich in Frieden lassen?
„Wäre doch zu schade, wenn die hier" Er hielt meinen Umhang und meine Uniform hoch. „Im See landen würden."
Ne. Wäre es nicht. Sachen im schwarzen See waren nicht verloren. Sie wechselten nur den Besitzer und meinen Umhang würde ich mit einem Kelpie als Freund sicher wiederbekommen.  Ich zuckte wieder nur die Schultern.
Aber gerade das schien die Sache nicht besser zu machen. Obwohl ich sie nicht ansah, konnte ich spüren. wie die beiden langsam ziemlich genervt von mir waren. Was sollte ich denn stattdessen machen? Rumschreien?

Black machte einen Schritt nach vorne und stand jetzt unangenehm nah vor mir. Seine Schuhe, auf die ich jetzt starrte, waren verschieden geschnürt. Der Linke in Kreuzen, der Rechte in geraden Linien. Aus den Augenwinkeln konnte ich beobachten, wie er seine Hand hob. Kurz darauf ziepte es in meinen Haaren und er hielt mir ein Stück Seegras unter die Nase.
„Trägt man das jetzt so?", fragte er spöttisch.
Ich widerstand dem Drang, mir mit den Händen durch die Haare zu fahren, sondern starrte weiter auf den Boden zwischen Blacks Schuhen. Schweigend ließ ich es über mich ergehen, dass mir jetzt auch Potter Algen aus den Haaren rupfte. Teilweise auch mitsamt Haaren.
„Tatze, es würde mich nicht wundern, wenn wir hier noch einen Fisch drin finden würden.", spottete Potter.
„Vielleicht finden wir sogar nen Kappa.", erwiderte Black.
Ich hätte ihm gerne seine Ausgabe von Phantastische Tierwesen ins Gesicht geknallt, damit er sich hinter die Ohren schreiben konnte, dass Kappas japanisch waren. Hell, die zwei verspotteten mich hier und ich konnte nur an Kappas denken.
„Schau doch mal unter ihrem Unterhemd nach, Krone!", gackerte Black, während er in meiner Tasche herumwühlte.
Mein Kiefer verhärtete sich. Einfach nichts machen. Irgendwann würden sie aufhören. Nichts sagen. Nichts machen. Nichts tun. Einfach nichts. Eine stumme Träne lief meine rechte Wange hinab.

Als ich immer noch nichts sagte, als Potter hinter mir nach dem Saum meines Unterhemds griff, platzte Black der Kragen.
„Meine Fresse! Wehr dich doch endlich! Du kannst doch nicht hier rumstehen und einfach nichts sagen!", fauchte er.
Doch, konnte ich. Ich wusste, dass sie mir nichts tun würden. Sie waren nicht sonderlich nett, alle vier nicht, aber so weit würden sie nicht gehen.
Er packte mich an der Schulter und schüttelte mich.
„Tatze, das reicht!" Lupin kam aus seiner nicht existenten Ecke.
Ach, jetzt reichte es? Das vorher war ihm also egal gewesen? Dass ich hier schon eine gefühlte halbe Stunde stand, hatte nicht gereicht, aber jetzt reichte es?
„Jetzt gib ihr ihre Sachen zurück und lass sie in Frieden."
„Mach dich mal locker, Moony. Nur, bis sie den Mund aufmacht."
„Habt ihr lang genug versucht. Jetzt gib ihr die Sachen wieder."
„Dass du nicht ein Mal Spaß haben kannst..."
Black wühlte weiter in meiner Tasche, bevor er sie umdrehte und ihren Inhalt auf den Waldboden leerte. Bücher, Pergamente, Feder, Tintenfass, Notizen, all das fiel auf den Boden, bevor er meine Tasche mit einem Schnauben zur Seite warf und seinem Gefolge bedeutete, ihm zu folgen.

Auf dem Weg von der Lichtung drückte mir Lupin noch meine Klamotten in die Hand, bevor sie Richtung Schloss verschwanden. Leise weinend sank ich auf die Knie, als sie endlich außer Hörweite waren.

Kelpie || HP/Rumtreiber FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt