Die Stundenpläne der Rumtreiber

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Marlene schien das ganze Wochenende in Grübeleien versunken. Während ich Hagrid aufs Neue mit den Hippogreifen und den Nifflern half, die Bowtruckles mit Holzläusen fütterte, feststellte, dass das Fohlen im Bauch der Stute noch zur Genüge um sich trat und fast ersoff, weil ich zu langsam aufgetaucht war, kritzelte sie die ganzen zwei Tage irgendwelche Notizen auf kleine Zettel und machte sich Zeittabellen.

„Was ist eigentlich mit deinem Racheplan?", fragte ich sie schließlich am Sonntagabend beim Essen, in der schon recht leeren Halle. „Willst du ihnen eine runterhauen?"
Marlene schnaubte und ließ eine ihrer Tabellen in ihrer Tasche verschwinden. „Bin ich eine Gryffindor oder eine Ravenclaw? Immer mit dem Kopf durch die Wand, oder was?"
Ich zuckte die Schultern. „Wäre doch effektiv."
„Mit meinen Laucharmen wäre das absolut nicht effektiv. Glaub mir, ihnen eine überzubraten hab ich nicht nötig. Es gibt bessere Methoden, jemandem das Leben zur Hölle zu machen." Ein fieses Grinsen schlich sich auf ihr Gesicht und irgendwie war ich in dem Moment doch ganz froh, sie nicht als Feindin zu haben.
„Alice!", rief sie plötzlich. Schnell tauchte sie unter dem Tisch durch.
Verwirrt drehte ich mich um, wo gerade eben jene Alice vorbeilief. Marlene hielt sie am Ärmel fest. Sie würde ihr doch jetzt nicht von dem Vorfall im Wald erzählen? Sämtliche Horrorszenarien schossen durch meinen Kopf.
„Marlene?", fragte Alice gleichzeitig irritiert und belustigt.
„Alice, schaffst du es, Frank dazu zu überreden, die Stundenpläne von den Rumtreibern zu klauen?"
Jetzt sah Alice nur noch irritiert aus. „Prinzipiell ja, aber was willst du denn damit?"
„Ich-" Sie biss sich kurz auf die Unterlippe und senkte dann die Stimme, sodass auch ich Probleme hatte, sie noch zu verstehen. „Wegen Sirius, weißt du."
Ein Grinsen schlich sich auf Alices Gesicht. „Ah, ja. Love is in the air. Ich seh schon. Ich kann nichts versprechen, aber ich kümmer mich drum."
Marlene klopfte ihr auf die Schulter. „Du bist super, danke." Sie kletterte über den Tisch wieder an ihren Platz gegenüber von mir.
„Dafür schuldest du mir aber was!", rief Alice noch, bevor sie aus der großen Halle verschwand.
Meine Augenbrauen wanderten nach oben. „ich dachte, du willst nichts mehr von Black?"
„Will ich auch nicht. Außer sein Herz auf einem Tablett. Aber mit sowas bekommt man Alice immer rum."
Naja, solange es nur das war...

Am Montag in der Pause vor Zauberkunst schob Alice Marlene im Vorrübergehen tatsächlich vier kleine Knitterzettel in die Umhangtasche, bevor sie weiterlief, als wäre nichts gewesen. An unserem Platz ganz hinten Im Zauberkunstklassenzimmer zog Marlene die Zettel heraus und faltete sie auseinander.
„Bingo.", flüsterte sie und ließ sie wieder verwinden. „Frank hat sie abgeschrieben."
Die Tinte war recht verwischt und die Buchstaben klein und krakelig, als hätte er sie sehr hektisch abgeschrieben. Hatte er vermutlich auch.

„Heute lernen wir, wie man große Haushaltsgegenstände dazu bringt, einfache Arbeiten zu erledigen.", quiekte Professor Flitwick vorne. „Dafür holt sich bitte jeder hier vorne einen Reisigbesen."
Auf dem Boden vor seinem Pult lag ein Haufen alter, sehr ramponiert wirkender Reisigbesen. Das große Stühlerücken und Umhangrascheln begann, als alle aufstanden um sich aus dem Haufen die herauszusuchen, die nicht so aussahen, als hätte man mit ihnen schon zu Schulzeiten Newt Scamanders die Toiletten geschrubbt. Ohne großartigen Enthusiasmus sammelte ich zwei der Besen vom Haufen und reichte wieder an unserem Platz, einen davon an Marlene weiter, die ihn wortlos entgegennahm.
Den Rest der Stunde verbrachten wir damit, zu versuchen, unseren Besen Arme und Beine wachsen zu lassen, während Flitwick uns erklärte, dass man die Besen in dieser Gestalt auf keinen Fall zerbrechen durfte, weil sie sich sonst verdoppelten.
„Das ist doch echt voll für'n Arsch.", murmelte Marlene, während ihr Besen mit viel zu kurzen Beinen und Händen auf dem Tisch zappelte.
„Das sagst du so lange, bis du zig Ställe fegen musst.", entgegnete ich. Mein Besen spazierte fröhlich durchs Klassenzimmer und fegte den Mittelgang. Dieser Zauber gehörte zu den wenigen, die ich wirklich einwandfrei beherrschte. Dad hatte ihn mir illegalerweise vor ein paar Jahren in den Sommerferien beigebracht. Bis heute hatte ich leichte Paranoia, dass das rauskommen würde und ich von der Schule fliegen würde. Vielleicht war es doch nicht so klug gewesen, den Besen sofort zu verhexen. Vielleicht hätte ich mich etwas ungeschickter anstellen sollen.
Schnell nahm ich meinen Zauberstab vom Tisch, richtete ihn auf meinen Besen und flüsterte: „Accio." Der Besen flog durch den Gang, verfehlte meine Hand und knallte mir gegen die Schulter.
„Na, Fangen üben wir noch.", witzelte Marlene. Ihr Besen hatte sich mittlerweile auf die Stummelbeine gekämpft, hüpfte vom Tisch und fiel sofort wieder um. Mit dem nächsten Schwung ihres Zauberstabs wuchsen sie auf eine halbwegs vernünftige Länge.
„Ach halt die Klappe." Ich ließ die Gliedmaßen meines Besens wieder verschwinden. „Was ist jetzt eigentlich dein Plan? Wegen den... du weißt schon."
Das Grinsen kehrte wieder auf Marlenes Gesicht zurück. „Abwarten. Kann sein, dass ich mir irgendwann mal einen von den Nifflern ausleihen muss."
„Du kannst einen Niffler nicht ins Schloss lassen.", entgegnete ich sofort. „Das endet in einer Katastrophe."
„Och. Vertrau mir."
„Ich vertrau dir in vielen, Marlene, aber nicht mit Tierwesen. Du könntest nicht mal nen Knisel von ner Katze unterscheiden."
„Kann ich wohl. Knisel sind viel schlauer als Katzen!"
„Jou. Und wie willst du das nachweisen, wenn einer vor dir steht? Ihn Matheaufgaben rechnen lassen?"
„Klugscheißer."
„Selber."
„Sehr schlagfertig."

Kelpie || HP/Rumtreiber FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt