Guten Morgen, liebe Sorgen

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Im Gegensatz zu den anderen vier Mädchen in meinem Schlafsaal, ließ ich mich nicht jeden Morgen von einem bekloppten Muggelwecker aus dem Schlaf reißen zu lassen. Ich brauchte inzwischen auch zuhause keinen Wecker mehr. Mein Körper war der Meinung, ich könne ja auch jeden Morgen um halb sieben aufstehen, ob es jetzt unter der Woche war, oder nicht.

Ich schlug die Decke zurück und rollte mich aus dem Bett. Einschlafen würde ich ohnehin nicht mehr können, also konnte ich auch etwas Sinnvolles tun. Pinkeln gehen zum Beispiel. Mit meiner Schuluniform unter dem Arm verschwand ich in das kleine Badezimmer, das ich mir mit den anderen Mädchen teilte. Während sich auf der Toilette sämtlicher Kürbissaft von gestern Abend wieder von mir verabschiedete, dachte ich daran, wie sich vor allem Helena darüber beschwert hatte, dass sie sich mit uns anderen ein Bad teilen musste. Mit machte das nichts aus. Zuhause hatten wir auch nur ein winziges Bad, das ich mir mit dem Rest meiner Familie teilte. Beziehungsweise mich mit Iduna darum stritt, wer morgens als erstes hineindurfte.
Iduna schloss nur erstens immer die Tür ab und brauchte zweitens fünf Mal so lange wie ich, aber sie wollte es trotzdem nicht einsehen, mich einfach vor ihr reinzulassen, oder mich wenigstens mit ins Bad zu lassen. Immerhin war ich ihre Schwester.

Während ich vor dem Spiegel stand und mir meine Haare durchbürstete, klopfte es an der Tür.
„Ich bin's.", vernahm ich Marlenes Stimme. „Darf ich mit rein?"
Wortlos drückte ich die Klinke hinunter und ließ sie mit ins Bad.
„Wie kannst du bitte so früh schon so munter sein? Was hast denn du für'n Biorythmus?" Ihre Augen waren müde und ihre blonden Haare sahen so aus, als hätte ein Diricawl versucht, sich ein Nest darin zu bauen.
Ich zuckte die Schultern. „Ich bleib halt in den Ferien nicht bis halb drei nachts wach und schreib Liebesbriefe an Black."
Marlene wurde rot und fing ungewöhnlich schnell an, ebenfalls ihre Haare zu bürsten.
„Reicht dir das echt nicht, dass der mir mit seinem Fußvolk letztes Jahr einen Eimer Hippogreifenpisse über den Kopf geschüttet hat?"
„Aber da hatte er ja nichts mit zu tun.", verteidigte sie ihre Flamme, auf den sie gefühlt seit dem zweiten Schuljahr stand. „Da haben ihn doch James und Peter sicher mit reingezogen!"
„Marlene McKinnon. Du warst dabei. Er hat den Eimer gehalten."
„Ja, schon aber-"
Ich verdrehte die Augen und verschwand aus dem Bad. Seit sie auf den Typen stand, versuchte ich, ihn ihr auszureden, aber, dass er ein totaler Arsch war, der willentlich die Schwächen anderer Menschen ausnutze, war ihr total egal. Es ging immer nur darum, wie hübsch er war, wie gut er Quidditch spielen konnte und pipapo. Seit der dritten Klasse versuchten er und seine Freunde, mich irgendwie aus der Haut fahren zu lassen. Der Eimer mit der Hippogreifenpisse war da noch harmlos gewesen. Aber bevor ich mich aus der Ruhe bringen lassen würde, würde Potter Evans auf ein Date bekommen.

Der Rest unseres Schlafsaals war nach wie vor am Schnarchen. Vermutlich aber nicht mehr so wahnsinnig lange. Trotzdem war ich sozial und packte meine Sachen möglichst leise zusammen. Gemeinsam mit Marlene, die das Vogelnest auf ihrem Kopf zum Glück gegen ihre normalen blonden Wellen eingetauscht hatte, machte ich mich schließlich auf den Weg nach unten zum Frühstück.
Auf dem Weg die Treppen nach unten sah ich sie irritiert von der Seite her an.
„Sag mal, hast du dich geschminkt?", fragte ich.
„Ein bisschen? Was dagegen?"
„Nee. Frag nur."
Oh Gott. Wahrscheinlich hoffte sie, beim Frühstück Black über den Weg zu laufen. Mal hoffen, dass der gerne lang schlief.

Die große Halle war noch recht leer. Es war ja auch noch recht früh. Nur vereinzelt saßen schon Schüler beim Frühstück. Ich ließ mich auf meinen Stammplatz am Ravenclawtisch fallen. Natürlich gab es keine festgelegte Sitzordnung an den Tischen, trotzdem ging es mir immer gewaltig gegen den Strich, wenn hier jemand anderes saß.
Ich schaufelte mir eine gewaltige Portion Porride in eine Schüssel und kippte Zimt und Zucker darüber. Marlene schaufelte Speck auf ihren Teller, den ich mich meinem üblichen angepissten Gesichtsausdruck beehrte. Nach drei Jahren hatte ich es aufgegeben, aus ihr auch eine Vegetarierin zu machen, aber das machte die Tatsache nicht besser, dass sie gerne tote Tiere aß.

„Ach, guten Morgen die Damen. Schon früh auf den Beinen, wie ich sehe?" Professor Flitwick hatte uns erreicht, mit unseren Stundenplänen in den Händen.
„Ist doch offensichtlich." Marlene lächelte und wir nahmen unsere Stundenpläne entgegen.
„Freitag fünfte sechste Geschichte der Zauberei. Das ist doch nicht deren Ernst?", stöhnte ich, als Flitwick von Dannen gezogen war.
„Das bedeutet dann wohl schlafen. Aber guck mal. Pflege magischer Geschöpfe haben wir am Donnerstagnachmittag. Dann kannst du danach gleich unten bei Hagrid bleiben."
„Apropos. Ich geh vor dem Unterricht noch mal kurz nach unten. Das schaff ich in den zwanzig Minuten noch. Das Kelpiefohlen müsste inzwischen eigentlich da sein."
„Knalltüte. Keine 24 Stunden hier und schon wieder hast du nur die Viecher im Kopf."
Ich zuckte die Schultern und kratze die Reste des Porridges aus meiner Schüssel.
„Bis später in Muggelkunde dann."
Mit meiner Schultasche über der Schulter machte ich mich auf den Weg nach unten zum See.

Kelpie || HP/Rumtreiber FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt