„Brauchst du einen Nussknacker?"

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Die Wochen bis zum nächsten Vollmond zogen sich. Hausaufgaben, Aufsätze, zusätzliche Stunden in Verwandlung, die McGonagall mir aufdrückte und viel weniger Zeit für die Tierwesen, als ich eigentlich gerne gehabt hätte, zogen sich durch den Alltag.
Marlene wollte bis kurz vor Vollmond warten, bis wir ihr Seilkonstrukt bauen konnten, damit niemand aus Versehen im Wald darüber stolpern konnte, hatte aber ihren Plan noch deutlich verfeinert.
Das nächste Attentat der Rumtreiber ließ auf sich warten. Tatsächlich einmal vier Wochen ohne mindestens eine Hand voll Juckpulver im Umhang zu enden, grenzte schon an ein Wunder. Das hielt Marlene aber nicht davon ab, weiter an ihrem Racheplan zu schmieden, als wäre er ein Dolch, den sie ihnen ins Herz jagen wollte.

Und so hatte es schließlich zwei Gründe, dass wir am, ausnahmsweise mal nur bewölkten, Donnerstag des Oktobervollmonds nachmittags nach Pflege magischer Geschöpfe durch Hagrids Schuppen rumpelten, auf der Suche, nach Dingen, die vielleicht nützlich sein könnten.
In einer Holzkiste lagen schon zwei Seile, eine Seilrolle und allerhand anderer Kleinkram.
Irritiert hob ich eine Art missratene Zange aus einer verstaubten Ecke auf und hielt sie Marlene vor die Nase, die gerade die Dachluke des Schuppens von unten anstarrte.
„Brauchst du einen Nussknacker?", fragte ich sie grinsend.
„Damit knacken Muggel Nüsse?" Marlene starrte die zwei Metallteile, die durch ein Gelenk verbunden waren, konsterniert an.
„Es würde mich wundern, wenn-"
„Na Mädels? Find't ihr, was ihr sucht?", drang Hagrids Stimme von der Tür zu uns. Wir hatten ihm erzählt, wir wollten eine Seilbahn bauen. So weit von der Realität war das auch gar nicht entfernt.
„Hagrid, warum zum besoffenen Einhorn liegt hier Nussknacker in deinem Schuppen?", fragte ich und hielt ihn hoch.
Er zuckte die Schultern. „Benutz 'ch zum Bolz'n rausdreh'n.", sagte er und verschwand wieder in Richtung seines Gemüsebeets.
„Alles klar.", murmelte ich und schmiss ihn grandios zielgenau neben die Kiste.
Marlene seufzte und versuchte die Kommode, in der Hagrid seine Werkzeuge aufbewahrte, unter die Luke zu schieben. Leider war die Kommode absolut anderer Meinung und bewegte sich keinen Zentimeter. Ich betrachtete sie mit einem ungewollt belustigten brauchst-du-Hilfe-Blick, den sie ziemlich bewusst ignorierte.
Erst nach drei kläglich scheiternden weiteren Versuchen, gab sie nach. „Also gut, Hulk. Komm und hilf mir."
„Hulk? Seit wann liest du Muggelcomics?" Mit vereinten Kräften schoben wir die Kommode ein Stück zurück, sodass sie jetzt unter der Luke stand.
„Seit Lily mir die mal ausgeliehen hat. Ist aber total unrealistisch. Der Typ verwandelt sich einfach in ein großes grünes Monster, wenn er sauer ist.", keuchte sie und ließ noch einen Kleiderbügel, was der hier im Schuppen machte weiß ich bis heute nicht, mit in die Kiste segeln.
„Sagte sie, während sie mit ihrer Freundin eine Seilbahn baute, um einen Notfallplan bei der Konfrontation mit einem Werwolf zu haben." Ich hob die Kiste vom Boden auf und gemeinsam machten wir uns auf den Weg nach draußen.

An einem Baum, vielleicht vierzig Meter von der Hütte entfernt, begann also der Bau des Wahnsinnsprojekts. Gut drei Meter über dem Boden hatte eben dieser Baum einen wunderschönen breiten Ast, auf dem ich am Ende stehen würde. Das Problem war eher, nach oben zu kommen. Ja, ich war früher gerne auf Bäume geklettert, aber meine fehlende Übung in den letzten Jahren machte die Aktion nicht gerade leicht.
Erst nach einer Viertelstunde saß ich schließlich schweißgebadet auf dem Ast und versuchte, möglichst nicht nach unten zu schauen, während ich die Seilrolle aus meiner Hosentasche zog und sie mithilfe eines weiteren Seils an den Ast über meinem Kopf band.
„Fängst du?", fragte Marlene, die das Ende des ersten Seils am Boden in der Hand hielt.
„Wenn du richtig wirfst, ja." Ich ließ mich mit einem Bein rechts und einem Bein links auf den Ast der Buche sinken, um beide Hände frei zu haben. Irgendwie ironisch, dass mein Zauberstab aus dem gleichen Holz bestand, wie der Baum auf dessen Ast ich gerade saß. Das Ende des Seils segelte an mir vorbei und ich verfehlte es knapp.
„Ich hab doch gesagt, du sollst fangen!", rief Marlene.
„Ja, wenn du nicht richtig wirfst!", rief ich zurück und zog das Ende des Seils zu mir nach oben, um es durch die Seilrolle zu fädeln. Dann ließ ich beide Enden wieder zu meiner Freundin nach unten und scheiterte ein weiteres Mal beim Fangen des zweiten Seils, das ich anschließend um den Baumstamm selber knotete. Mit diesem Seil war es zum Glück sehr viel einfacher, wieder nach unten zu kommen, wo Marlene an eines der Seile aus der Seilrolle einen Eisenring band.
Mit dem Ende des langen Seils, das ich oben um den Stamm geknotet hatte, machten wir uns wieder auf den Weg zurück zu Hagrids Hütte. Zehn Minuten später spannte sich eine Seilbahn von der Buche durch sämtliches Geäst, zum dem Wetterhipogreifen, der auf Hagrids Schuppen stand.
Dann ging es wieder zurück. Marlene versuchte sich an einem recht komplizieren Spannzauber, während ich wieder nach oben kletterte, um den Kleiderbügel neben die Seilbahn zu hängen.

„Also", erklärte Marlene, nachdem ich wieder den sicheren Waldboden erreicht hatte. „Wenn du das Seil hier" Sie zeigte mit ihren Zauberstab auf ein dünnes Seil in ihrer Konstruktion. „Mit einem Durchtrennzauber zerschneidest und dich an dem Seil mit den Ring festhältst, dann zieht dich der Spannzauber nach oben."
„Und wenn ich das Falsche durchschneide?", fragte ich, während ich mir meine Schuluniform wieder über Pullover und Hose zog.
„Dann würde ich dir empfehlen, sehr schnell abzuhauen."
„Klingt gut."
„Also wenn du findest, dass das gut klingt..." Sie schüttelte den Kopf.
„Ich geh noch zu den Kelpies. Willst du mit?", fragte ich, um sie vom Thema abzulenken.
„Passt schon. Ich hab Hailey noch versprochen, ein Bild von ihrer Katze zu zeichnen. Bin eigentlich eh zu spät dran." Sie zog eine Grimasse.
„Na dann. Viel Spaß." Ich war nicht böse darum, dass sie nicht mitkommen wollte. Bei den Kelpies war ich meist doch lieber alleine.
„Bis zum Essen.", verabschiedete Marlene sich.

Kelpie || HP/Rumtreiber FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt