Ich machte mich auf den Weg nach oben, auf der Suche nach Marlene. Vielleicht war sie ja in der Bibliothek? Ich wich sämtlichen anderen Schülern aus, die ebenfalls durch die Gänge liefen. Zum Glück waren es jetzt am Nachmittag nicht so viele.
Erleichtert tauchte ich schließlich in das schwummerige Licht der Bibliothek ein. Nach den Schlossgründen war dies hier vermutlich mein liebster Ort in Hogwarts, aber vor allem der erträglichste Ort innerhalb der Mauern. Hier waren selten viele Menschen auf einmal und wenn sie hier waren, dann hielten sie zu meiner Freude die meiste Zeit die Klappe. Durch die gefühlt unendliche Anzahl an Regalen und Büchern machte ich mich nun also auf die Suche nach Marlene.Aber auch nach einer Viertelstunde hatte ich sie nicht gefunden. Nur ein paar Spinnen und ein paar andere Schüler. Darunter Snape, der mich keines Blickes würdigte. Ich mochte ihn nicht wirklich. Aber ich wusste auch zu wenig über ihn, um ihn nicht zu mögen. Allerdings setzte die Tatsache, dass er Lily als „Schlammblut" bezeichnet hatte, ihn auf meiner Beliebtheitsskala nicht gerade weit nach oben. Nein, ich kam nicht wirklich gut mit Lily klar, aber das lag dann doch eher daran, dass ich die sozial recht inkompetente Person von uns beiden war.
Um nicht so auszusehen, als wäre ich ganz umsonst hier gewesen, zog ich ein dünnes Buch über Werwölfe aus dem Regal und ging zu Madam Pince um es auszuleihen. Sonst hätte sie mich vermutlich wieder missbilligend angestarrt, wie sie es so oft eigentlich mit jedem tat, der ihr über den Weg lief. Ich war nach wie vor der Meinung, dass sie und Filch sich mal auf ein Butterbier treffen sollten.Eigentlich hatte ich vor dem Abendessen noch nach oben in den Gemeinschaftsraum gehen wollen, aber dazu war jetzt nicht mehr wirklich Zeit. Also machte ich mich doch auf den Weg nach unten zum Essen, aber hoffentlich würde ich Marlene spätestens da wiedertreffen. Essen ließ sie sich normalerweise nicht entgehen.
Und so saß ich schließlich alleine am Tisch. Das Buch über Werwölfe neben mir. Nicht, dass ich einen großen Teil davon, was darin stand nicht eh schon gewusst hätte, aber so hatte ich es nicht umsonst ausgeliehen und als Bonus musste ich nicht mit anderen Leuten interagieren.
Während ich mir also an Gemüsesuppe die Zunge verbrannte, las ich mir Trivialfakten über die Unterscheidung von Werwölfen und normalen Wölfen durch und wartete auf Marlene. Ungeduldig tippte ich mit den Fingern auf das raue Pergament, auf das anatomische Zeichnungen von Wölfen gedruckt waren. Draußen ging gerade die Sonne unter und schien in einem hellen Rot-Orange durch die Fenster. Sie ließ die Statuen am Rand der Halle leuchten und die Feuer in den Kaminen blass und kraftlos wirken, erhellte die Staubkörner, die in der Luft tanzten und tauchte die Wände der Halle in rotes Licht. Ich musste die Augen zusammenkneifen, da sie mir dankenswerterweise ins Gesicht knallte. Es würde einer der letzten Tage mit einem so schönen Sonnenuntergang sein. Immerhin war es schon Mitte September und die Tage wurden kürzer.
Aber auch die Sonne konnte mich nicht wirklich davon ablenken, dass Marlene nach wie vor nicht aufgetaucht war. Meine Suppe war inzwischen alle, also konzentrierte ich mich auf das Buch, obwohl mir meine Konzentration inzwischen doch reichlich flöten gegangen war. Ich musste dringend ins Bett. Die jämmerlichen Überreste der Grippe kratzten doch noch etwas an mir.Gerade, als ich das Buch wieder zuklappen wollte, fiel ein Schatten vor mir auf den Tisch. In der Erwartung, meine beste Freundin zu sehen, sah ich auf. Ich brauchte einige Sekunden mit zusammengekniffenen Augen, um festzustellen, dass mir nicht Marlene gegenüberstand, sondern jemand, der gut einen Kopf größer war, als sie.
Lupin. Seine Haare sahen dank der Sonne, die ihm in den Nacken schien, so aus, als würden sie in Flammen stehen. Trotz der lauten Stimmen der Anderen und dem Geklapper von Geschirr und Besteck in der großen Halle, konnte ich deutlich hören, wie er mit den Knöcheln knackte. Aber sein Blick verriet, dass er das nicht tat, weil er mir gleich die Zähne ausschlagen wollte, sondern eher aus Nervosität.
Es lag eine unangenehme Stille in der Luft. Einen Moment schien er etwas sagen zu wollen, dann aber fiel sein Blick auf das Buch, das aufgeschlagen vor mir auf dem Tisch lag. Auf der aufgeschlagenen Seite war ein Werwolf zu sehen, der ein kleines Kind in den Arm biss.
Sofort bekam sein Blick etwas unwirkliches und tunnelhaftes, bevor er ihn schnell senkte und den Gang entlang zum Ausgang lief. Naja, lief. Eher rannte er, ohne wirklich zu rennen und nietete fast eine Erstklässlerin um, die ihm noch im letzten Moment auswich.Seine Freundesgruppe war nirgends zu sehen. Nachdem ich sicher zwei Minuten lang irritiert auf die Eingangstür zur großen Halle gestarrt hatte, wandte ich mich wieder dem Buch zu. Was bitte hatte ihn an dieser Zeichnung so verstört? Gut, sie war jetzt nicht gerade für ein Kinderbuch geeignet, aber mit 16 Jahren war man doch schon anderes gewohnt. Vielleicht hatte Pettigrew auch recht gehabt und Lupin hatte sich eiskalt in die Hose geschissen.
Das wäre doch die amüsantere Erklärung, aber vermutlich nicht die Richtige.Nicht einmal drei Minuten später knarzte die Bank mir gegenüber und jemand schlug mir das Buch vor der Nase zu.
„Na, du bist aber spät dran.", begrüßte ich Marlene, die sich schnell Abendessen auf den Teller häufte, bevor es verschwinden konnte.
„Ich dich auch.", keuchte sie. Ihre Wangen waren gerötet, als wäre sie in die große Halle gerannt, aber trotzdem wirkte sie ungemein fröhlich. Sadistisch fröhlich.
„Worüber freuen wir uns denn?", fragte ich, während ich mit den Fingerkuppen über das brüchige Leder des Buches fuhr.
„Über gar nichts? Ich bin einfach ein positiver Mensch?" Ich sah ihr an, dass sie förmlich darauf wartete, dass ich nachhaken würde, also tat ich ihr den Gefallen.
„Du hast einfach so plötzliche Endorphinwellen?"
„Nein." Ihr Grinsen wurde breiter. „Mein Plan ist so gut wie idiotensicher."
„Na, wenn Black darin involviert sein soll, dann sei er das besser.", murmelte ich und nahm einen Schluck aus meinem Wasserglas.
„Ich brauch nur noch ein paar kleine Dinge, aber da sag ich dir nochmal Bescheid. Merk dir nur, dass wir ein paar Viecher brauchen, die unauffällig und diebisch veranlagt sind."
Für sie schien das Thema damit erledigt und sie schaufelte weiter dämlich grinsend Kroketten in ihren Magen. Verwirrt sah ich ihr dabei zu. Diebisch veranlagte Tierwesen? Na, davon kannte ich zum Glück ein paar mehr.
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Kelpie || HP/Rumtreiber FF
Fanfiction„Weißt du, machmal will ich einfach keine Hexe mehr sein. Ich wäre lieber einer von ihnen." ▪︎▪︎▪︎ Das sechste Schuljahr der Rumtreiber beginnt und natürlich nicht nur für sie. Auch für ihre Stufenkameradin Freya. Für sie, wie immer nur purer Stress...