Eine lebensmüde Aktion - zumindest fast

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Ich weiß nicht, wie lange ich wohl dagesessen hatte. Dunar hatte seinen Kopf die ganze Zeit still auf meiner Schulter ruhen lassen. Jetzt aber hob er ihn und blies mir sanft seinen nur lauwarmen Atem ins Gesicht. Wie so oft verlor ich mich einen Moment in seinen dunklen Augen, die mir so viel bedeuteten, wie es vermutlich keine anderen jemals würden. Okay, das war etwas extrem, aber hier in Hogwarts konnte ihm höchstens Marlene Konkurrenz machen.
Dunar drehte sich vor den Stein, sodass jetzt seine linken Rippen vor meinem Gesicht waren. Erwartungsvoll zuckte er mit den Ohren. Ich stand auf und strich mit den Händen über seinen Widerrist, dann schüttelte ich den Kopf.
„Es ist zu kalt. Außerdem kann ich meine Sachen nicht hierlassen."
Er stieß ein leises Wiehern aus.
„Na gut. Aber nur kurz."
Warum ließ ich mich eigentlich immer so leicht überreden? Gut, dass man vom Schloss aus den hinteren Uferrand, an dem die Steine waren, nicht sehen konnte. Schnell zog ich mir meinen Umhang, der dank Dunar eh schon ziemlich nass war, und meine Hose und Schuhe aus. Als ich nur noch in BH, Unterhemd und Unterhose dastand, fiel mir wieder aufs Neue auf, wie viele Narben und blaue Flecken ich mir in den letzten Jahren zusammengesammelt hatte. An den Knien hatte ich einige, bei denen ich mir sogar einbildete, dass sie seit Jahren einfach nicht verschwinden wollten und vor allem über meine Arme zogen sich zahlreiche Brandnarben.
Etwas unwohl war mir schon dabei, dass ich meine Sachen einfach so zurücklassen würde, aber ich würde ja nicht lange wegbleiben, außerdem besaß ich eh nichts Wertvolles, abgesehen von meinem Zauberstab, und wer sollte hier schon vorbeikommen?

Ich vergrub meine Hände in Dunars Mähne und schwang mich auf seinen Rücken. Wie immer fühlte es sich unfassbar vertraut an, als wären wir Eins.
„Na dann mal los, mein Großer."
Einen Moment bildete ich mir ein, eine Bewegung am Seeufer zu sehen, bevor Dunar lostrabte.
Ein normales Pferd hätte eine riesige Sauerei veranstaltet, wenn es ins Wasser getrabt wäre, aber Dunar war kein normales Pferd. Seine Beine zogen durch das Wasser, als wäre es gar nicht da. Wenige Sekunden später ging mir das Wasser schon bis zum Bauch. Die Tatsache, dass ich auf seinem Rücken saß, änderte leider auch nichts daran, dass das Wasser ganz schön kalt war. Nicht so kalt wie im Frühjahr, aber ganz warm wurde es leider auch über den Sommer nicht.
Als mir das Wasser bis zur Brust reichte, hielt Dunar kurz inne. Gerade seine Ohrspitzen schauten noch aus dem Wasser. Verzerrt durch die Wasseroberfläche konnte ich erkennen, dass er mir einen fragenden Blick zuwarf. Ich nahm einen tiefen Atemzug, um meine Lungen so weit zu füllen, wie ich nur konnte, dann tauchte ich meinen Kopf unter Wasser, lehnte mich dicht über seinen Hals und presste kurz meine Waden an seine Seiten.
Wasser verschloss meine Nase und Ohren. Während sich mein Körper noch kurz an den Kälteschock gewöhnte, war Dunar schon losgeprescht. Fische stoben uns aus dem Weg und ich konnte nur mit Mühe meine Augen aufhalten, so schnell galoppierten wir durch die Tiefen des Sees. Das Wasser rauschte in meinen Ohren, Schlingpflanzen und Wassergras flogen nur so an uns vorbei.
Meine Sicht war verschwommen, aber immer wieder sah ich größere und kleinere Schatten an uns vorbeiziehen. Dunar wich allen von ihnen geschickt aus, während wir durch die Tiefen des Sees galoppierten
Hätte ich es gekonnt, hätte ich laut gelacht, aber hätte ich meinen Mund aufgemacht, wäre ich vermutlich ertrunken. Apropos ertrinken. Meine Lunge schrie nach Luft. Länger als zwei Minuten konnte auch ich den Atem nicht anhalten. Meine Bewegungen waren durch das Wasser langsam wie in Zeitlupe. Ich klopfte ihm zwei Mal an die linke Schulter, als Zeichen zum Auftauchen.
Er reagierte sofort und richtete den Kopf Richtung Oberfläche. Mit nur wenigen Galoppsprüngen waren wir wieder oben. Mein Kopf brach durch die Wasseroberfläche. Luft. Einige Male atmete ich tief durch und spuckte Seegras aus, dann presste ich meine Waden gegen seinen Bauch und wir tauchten wieder ab.
Auf einem ungezähmten Kelpie wäre die Aktion lebensmüde gewesen. Zugegeben, ganz ungefährlich war das mit Dunar auch nicht. Bei unserem ersten Ritt unter Wasser hatte er mich unfreiwillig fast ertränkt. Ungebändigte Kelpies versuchten absichtlich, Menschen dazu zu bewegen, sich auf ihren Rücken zu setzen, um sie dann zu ertränken und zu fressen. Bei gezähmten Kelpies war das zum Glück nicht der Fall. Mit dem Anlegen eines Halfters wurden sie lammfromm und teilweise sogar reitbar, was dann aber auf das jeweilige Tier ankam.

Nach dem neunten oder zehnten Mal Auftauchen spürte ich, wie meine Hände und Füße langsam taub wurden. Schweren Herzens signalisierte ich Dunar durch leichten Schenkeldruck, dass ich langsam wieder zum Ufer musste.
Zügig trabte er zum Rand. Tropfnass kletterte ich von seinem Rücken auf meinen Stein. Schnell wollte ich in meinem Umhang nach meinem Zauberstab wühlen, um mich wieder halbwegs trocken zu bekommen, aber mein Umhang lag nicht mehr dort, wo ich ihn zurückgelassen hatte.

Tatsächlich war gar nichts mehr da, wo ich es zurückgelassen hatte. Der Stein war blank und leer, bis auf die paar Stellen, die sich dunkel färbten, als das Wasser aus meiner Unterwäsche darauf tropfte.

Kelpie || HP/Rumtreiber FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt