Gerüchteküche

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Am nächsten Morgen fühlte ich mich immerhin ein bisschen besser. Madam Pomfrey gab mir sämtliche Tränke, die meinen Husten immerhin dazu brachten, nicht so zu klingen, als würde ich mir gleich die Lunge aus dem Hals husten. Mein Fieber war gesunken, aber nach wie vor hoch.
Mit einem kalten Lappen auf der Stirn starrte ich schließlich an die Decke des Krankenflügels, die im Licht der aufgehenden Sonne rot-orange leuchtete. Mir war vorher nie aufgefallen, dass sie aus Spitzbögen bestand, die an mehreren Stellen sternförmig zusammenliefen. Auch die kleinen Verzierungen bemerkte ich erst jetzt. Wer machte sich denn so viel Mühe, um eine Decke zu dekorieren? Eine Decke musste doch lediglich stabil sein und halten, was sich auf ihrer anderen Seite befand.

Schritte rissen mich aus meinen Gedanken. Marlene hatte sich durch die Tür geschoben und kam jetzt auf mein Bett zu. Sie hatte dunkle Schatten unter den Augen, aber auch einen leicht mörderischen Blick auf dem Gesicht. Mit einer Art aggressivem Seufzer ließ sie sich auf meine Bettkante fallen. Der Lattenrost quietschte und ich rutschte mit den Beinen ein Stück in Richtung von der Stelle an der sie saß.
„Guten Morgen?", begrüßte ich sie, ungewollt etwas belustigt von ihrer schlechten Laune.
„Heute bring ich jemanden um!", fauchte sie. „Und wenn ich dafür nach Askaban gehe!"
Ich hob die Augenbrauen. Der Lappen auf meiner Stirn verrutschte. „Was hat Black jetzt schon wieder angestellt?", fragte ich mit gesenkter, kratziger Stimme. Im vollen Bewusstsein, dass einer seiner besten Freunde gerade mit im Krankenflügel lag.
Marlene machte sich nicht die Mühe, ihre Stimme zu senken. „Nicht der. Dessen größtes Verbrechen ist es nach wie vor zu existieren! Helene, dieser miese Backfisch!" Jetzt senkte sie doch die Stimme. „Sie behauptet, in der Nacht, in der du nach unten bist, einen Werwolf heulen gehört zu haben. Und jetzt erzählt sie jedem, dass du in der Nacht ja aus dem Schlafsaal bist. Was sie damit impliziert kannst du dir ja vorstellen! Sie untermauert das dann noch damit, dass du ja so viele Narben hast und eh nur mit Tierwesen rumhängst. Das schlimmste ist: Die beim Frühstück haben ihr das auch noch alle abgekauft! Das verbreitet sich gerade so schnell durch die große Halle, wie Drachenpocken! Die Schwester von Miss Schulsprecherin ist ein Werwolf, dies das!"
Ich zuckte die Schultern. Dass sie einen Werwolf gehört hatte, schien mir jetzt nicht so abwegig. Ich hatte ihn ja sogar gesehen.
Marlene fuhr sich durch die Haare. „Du musst da was gegen machen! Meine Güte, Freya, das kann dir doch nicht einfach egal sein!"
Ich seufzte und drehte den Lappen auf meiner Stirn um, sodass er wieder mit der kalten Seite nach unten lag. „Naja. Doch. Spätestens in einem Monat lieg ich wie ihr anderen friedlich pennend im Gemeinschaftsraum. Wenn ich anfange es abzustreiten, dann glauben die Backfische das doch nur noch mehr."
Marlene seufzte resigniert. „Gut. In manchen Momenten sind deine Gedankengänge doch erstaunlich schlüssig. Ich hab dir noch was mitgebracht."
Sie zog meine Ausgabe von Phantastische Tierwesen aus ihrer Schultasche und legte sie zusammen mit meinem abgeranzten Ledermäppchen auf die Decke.
„Danke.", murmelte ich.
„Bis später. Hagrid meinte beim Frühstück noch, er wollte später mal vorbeikommen. Darf ich jetzt eigentlich hat über 40 Grad Fieber überlebt mit auf die Liste schreiben?"
Ich musste lächeln. „Mach."
Marlene grinste und verschwand wieder durch die Tür nach draußen.
Wo war ich eigentlich in meinem Leben, dass Hagrid mich besuchen kam, aber meine eigene Schwester nicht? Hoffentlich hatte Hagrid sich um die Stute und das Fohlen gekümmert. Es musste den beiden einfach gut gehen und hoffentlich würde das mit dem Zäumen bei dem Fohlen so leicht werden wie bei Dunar.
Mit einem resignierten Seufzer nahm ich Buch und Mäppchen von meiner Decke und legte sie auf den Nachttisch. Dabei fiel mein Blick auf Lupin. Madam Pomfery hatte eigentlich gesagt, er dürfe heute wieder gehen, aber irgendwie sah er gerade so aus, als hätte er einen Geist gesehen. Aber einen blutigen-Baron-Level Geist. Sein Gesicht war käseweiß und er starrte in sein Buch, ohne, dass sich seine Augen bewegten. Etwas irritiert wandte ich meinen Blick wieder ab.
Auf der anderen Seite des Krankenflügels lag noch ein anderes Mädchen. Eine Fünftklässlerin aus Gryffindor. Neben ihr stand eine, nach Muggeltechnik aussehende Maschine, die aber anscheinend modifiziert worden war. In ihrem rechten Arm steckte eine Nadel, an der Schläuche hingen. Sie war erst seit heute Morgen hier. Anscheinend kannte sie das Prozedere schon, denn sie redete und spaßte mit Madam Pomfrey, als wären sie sehr gute Freunde. Von dem, was ich in meinem halbapathischen Zustand mitbekommen hatte, funktionierten ihre Nieren nicht mehr. Deshalb musste sie zwei oder drei Mal pro Woche in den Krankenflügel. Magie konnte also auch nicht alles regeln.

Ich wurde langsam schon wieder müde. Dabei war ich vor gerade ein Mal einer Stunde aufgewacht. Krank sein war scheiße. Man lag wie ein jämmerliches Stück Verderben in der Ecke und musste sich darauf verlassen, dass andere Menschen sich um einen kümmerten.
Während mein Gehirn sich langsam wieder abschaltete, geisterte das Bild des Werwolfs durch meine Gedanken.
Ein echter Werwolf, hier in der Nähe der Schule. Für die Schüler war er eine Gefahr, aber was, wenn das meine Chance wäre Iduna zu beweisen, dass ich nicht nur eine nervige Klette war? Wenn ich den Werwolf zähmen würde...
Aber bevor ich noch weiter darüber nachdenken konnte, hatte der Schlaf sich schon meine Gedanken wieder zurückerobert.

Kelpie || HP/Rumtreiber FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt