Ich versuchte meine Gedanken zu verdrängen. Versuchte, sie in eine Schublade zu stopfen, aus der sie erst einmal nicht mehr herauskommen würden. Vor allem aber versuchte ich, mir gegenüber Marlene nichts anmerken zu lassen. Das klappte eigentlich auch ganz gut, bis ich abends alleine im Bett lag. Dann kamen sie zurückgekrochen, wie Nattern auf warme Steine in der Sonne.
In Lupin steckte ein Werwolf. In dem Werwolf steckte Lupin. Nein, ich hatte keine Angst vor ihm. Wieso sollte ich auch? Aber wenn andere Schüler davon erfahren würden, dann würde in Hogwarts die Hölle losbrechen. ich drehte mich auf meine linke Seite und zog die Decke noch ein Stück höher.
Wie sollte ich ihm morgen gegenübertreten, ohne die ganze Zeit daran denken zu müssen, dass er sich jeden Vollmond in ein scheinbar unbändigbares Biest verwandelte? Aber vielleicht war das auch eine weitere Chance für mich. Würde ich mich halbwegs gut mit Lupin verstehen, dann wäre es vielleicht auch leichter, ihn als Werwolf zu zähmen. Aber es würde vor allem ihm helfen. Ich hatte in meinem Leben erst einen Menschen mit Lykranthopie kennengelernt und das, in den letzten Minuten seines Lebens.
Der alte Mann, der meine Eltern wegen eines Guhls auf seinem Dachboden gerufen hatte, hatte erzählt, wie sehr er Angst vor sich selbst hatte. Ich konnte mich noch genau an seine Stimme erinnern, obwohl ich erst neun gewesen war. Die hatte geklungen, als würde man Sandpapier aneinanderreiben.Ich weiß nicht mehr, wer ich wirklich bin. Wenn du ein Werwolf bist, dann hört die Welt für eine Nacht auf. Wenn du am nächsten Morgen wieder erwachst, dann weißt du nur, ob du jemanden getötet hast, wenn noch sein Blut an deinen Krallen klebt. Du hast Angst vor dir selber und alle haben Angst vor dir.
Aber ich habe keine Angst vor dir. Du bist nur ein netter Opa. Wie mein Opa. Hatte ich geantwortet. Der alte Mann hatte gelacht. Nicht einmal eine halbe Stunde später war er an Herzversagen gestorben.
Es ist schön zu wissen, dass es noch Menschen gibt, die an das Gute im Herzen von jedem Einzelnen glauben. Das waren seine letzten Worte gewesen. Dad hatte mich noch aus der alten, abgenutzten Küche bringen wollen, aber es war zu spät gewesen. Seit dem hatte ich die großen Skellettpferde auch sehen können, die man im Wald hin und wieder zu Gesicht bekam.Ich konnte es mir vermutlich nicht einmal im Ansatz vorstellen, wie sehr Lupin unter seiner Krankheit litt. Eine weitere Frage mischte sich in den Strudel meiner Gedanken. Wussten seine Freunde davon? Mussten sie fast. Wenn jemand jeden Monat für eine Nacht aus dem Schlafsaal verschwand, blieb das sicher nicht unbemerkt.
Und was hatte es mit dem Hund und dem Hirsch auf sich? Ich fühlte mich wie ein kleines Kind, das auf einem Stück Pergament die Punkte so verband, dass sie am Ende ein Bild ergaben. Es traf mich erneut so, als würde mir jemand mit einer Bratpfanne auf den Kopf schlagen.
Potter und Black. Die zottigen schwarzen Haare von Black. Der zottige Hund. Die Art, wie Potter sich bewegte. Seine Schritte wirkten oft staksig und vorsichtig. Wäre mein Körper nicht schon kurz vor dem Einschlafen gewesen, hätte ich jetzt vermutlich kerzengerade im Bett gesessen. Ich war nachts im Schuppen eingeschlafen, während Black McIdiot-vom-Dienst seinen Kopf auf meinem Schoß liegen hatte. So war er also am nächsten Morgen nach draußen gekommen. Es ließ mich innerlich kotzen. Wie hatte der Typ, der mich ebenso wenig leiden konnte, wie ich ihn, es wagen können, einfach so etwas abzuziehen? Es war widerlich. Absolut widerlich. Ich hatte ihn hinter den Ohren gekrault. Hätte ich nicht im Bett gelegen, hätte ich vermutlich auf Wiedersehen zu meinem Abendessen in meinem Magen gesagt.
Was war mit Pettigrew? Wusste er davon? War er auch in den Vollmondnächten dabei gewesen? Hatte er am Ende noch als Fliege an der Decke gesessen und mich beim Schlafen beobachtet?
Die Fragen häuften sich in meinen Gedanken und auf keine davon wollte mein Kopf eine wirkliche Antwort finden. Wie zur Hölle sollte ich morgen mit Lupin reden, ohne an den Werwolf in ihm denken zu müssen? Und wie sollte ich jemals wieder an Black vorbeigehen, ohne mental im Strahl zu kotzen?

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Kelpie || HP/Rumtreiber FF
Fanfic„Weißt du, machmal will ich einfach keine Hexe mehr sein. Ich wäre lieber einer von ihnen." ▪︎▪︎▪︎ Das sechste Schuljahr der Rumtreiber beginnt und natürlich nicht nur für sie. Auch für ihre Stufenkameradin Freya. Für sie, wie immer nur purer Stress...