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Einige Monate vergingen. Monate, in denen ich nachts nicht schlafen konnte und tagsüber ständig Angst hatte. Wenn ich durch das Schloss ging, lag meine Hand konstant an meinem Zauberstab und hielt diesen fest umschlungen.
In wenigen Tagen würde ich sechszehn Jahre alt werden, doch ich freute mich kein bisschen darauf. Ganz im Gegenteil; ich hatte Angst davor.
Ich wusste nicht, was ab diesem Tag anders sein würde, doch ich wusste genau, dass sich alles verändern würde. Absolut alles und es würde keine Ausnahme geben. Dieser Tag würde mein Leben verändern.
Seit Monaten hatte ich kein Wort von meinen Freunden aus Hogwarts gehört. Zwar war ich unbegreiflich traurig darüber, doch ich wusste, dass das ein gutes Zeichen war. Mein Plan schien also aufzugehen. Trotzdem machte ich mir Sorgen um sie und vor allem fühlte ich mich schuldig. Schuldig gegenüber Draco, dass ich ihn im Stich gelassen hatte und schuldig meinen Freunden gegenüber, dass ich ihnen kein Wort gesagt hatte.
Es tat weh, gemeinsam mit meinem Vater den Untergang Hogwarts' zu planen. Hogwarts war mein zuhause.
Außerdem hatte ich meine Mutter kennengelernt. Sie allerdings erinnerte sich nicht an mich. Keiner tat das, denn keiner wusste, dass Bellatrix meine leibliche Mutter war. Voldemort hatte seinen Zauber perfekt ausgeführt und das Gedächtnis hunderter verändert. Allerdings war ich froh darüber, denn die Frau war der Teufel. Ich wollte es nicht wahrhaben, dass sie meine Mutter sein sollte und wenn ich von ihr nicht daran erinnert wurde, dann war das auch einfacher.

Heute Abend stand ich vor dem bodentiefen Spiegel in meinem Zimmer.
Ich betrachtete mich und versuchte ein Lächeln auf meine Lippen zu bringen, doch es sah nicht echt aus. Mein Mund lächelte, meine Augen nicht.
Als ich mich das letzte Mal genauer betrachtet hatte, war ich noch in Hogwarts gewesen. Ich hatte eine große Veränderung an mir sehen können und auch dieses Mal tat ich das.
Meine Haut war blass geworden und mein Bauch war dünn. Zu dünn. Außerdem war mein gesamtes Erscheinungsbild nicht mehr so fröhlich wie es einmal war. Es war jetzt düster und traurig.
Ich wandte den Blick ab und ging zum Schrank. Vorsichtig zog ich eine hölzerne Schmuckschachtel aus einem der Kartons hervor und klappte ihren Deckel auf. In ihr lagen verschiedene Schmuckstücke, doch meine Aufmerksamkeit galt der kleinen Box auf dem Grund der Schatulle.
Langsam zog ich sie heraus und legte den Deckel bei Seite.
Eine kleine Kette mit einem silbernen Anhänger baumelte mir entgegen als ich sie vorsichtig herausnahm. Behutsam strich mein Daume über das kleine "D", welches an der Kette hing.
Vor fast genau einem Jahr hatte Draco sie mir zu meinem fünfzehnten Geburtstag geschenkt und seitdem hatte ich sie jeden Tag getragen. Bis vor zwei Wochen.
Am Anfang meiner Zeit im Malfoy Manor hatte ich sie noch getragen, doch die Schuld, die ich mit ihr um meinen Hals trug hatte ich nicht mehr ausgehalten. Es war naiv von mir gewesen zu denken, dass ich die Kette abnehmen und dann keine Schuldgefühle mehr haben würde, denn so war es nicht. Ich spürte, auch wenn ich sie nicht trug, das brennende Silber auf meiner Haut.
Ein trauriger Gedanke huschte durch meinen Kopf, als ich die Kette wieder in die Box fallen ließ. Ich würde diese Kette wahrscheinlich niemals wieder tragen.
Vielleicht, wenn mein Plan aufging, würde ich Draco wiedersehen, doch unsere Bindung war zerstört wurden. Von mir höchstpersönlich.
Er hasste mich sicher für das, was ich getan hatte, dabei war es alles nur für ihn. Ich tat das hier für Draco.
Als es unerwartet an meiner Tür klopfte, zuckte ich zusammen und ließ die Box auf den Boden fallen.
"Verdammt." fluchte ich und hob die Kette auf.
Schnell legte ich sie zurück in die Box und dann in die Schatulle. Ich ließ alles wieder im Schrank verschwinden und verschloss diesen. Dann ging ich zur Tür.
"Narcissa?"
Dracos Mutter stand davor. Sie bat eintreten zu dürfen und ich ließ sie.
"Setz dich." murmelte ich und deutete auf das kleine Sofa in der Ecke.
Ich setzte mich neben sie. Sie sah nachdenklich aus. Langsam streckte sie den Arm aus und legte mir etwas in den Schoß – ein Brief.
Kurz sah ich zu ihr auf, dann nahm ich den schon geöffneten Briefumschlag in die Hände.
Ich zog den Brief, der sich darin befand heraus und faltete ihn auf.
Mein Herz stockte, als ich die Schrift erkannte.

"Vater, Mutter,
ich habe die Sommerferien in Hogwarts verbracht, wie ihr es gesagt habt.
Vor ein paar Wochen hat das neue Schuljahr begonnen und hier ist die Hölle
los. Schüler verschwinden. Die meisten tauchen zwar wieder auf, doch eine Schülerin aus
meinem Jahrgang ist seit Monaten verschwunden. Sie war besonders.

In den Winterferien im Januar nachhause kommen.
Ich brauche eine Pause von Hogwarts und muss dringend andere Wände sehen.
-Draco.
"

Ein Stich zog quer durch mein Herz und durch meinen gesamten Körper. Draco vermisste mich und er klang kein bisschen Sauer.
Vielleicht hatte er mich noch nicht aufgegeben und würde nach mir suchen?
Nein. Das durfte nicht passieren. Wenn Draco nach mir suchte, dann wäre mein gesamter Plan gescheitert.
Mein Blick wanderte zu Narcissa. Ihre Augen waren glasig.
"Ich werde heute Abend einen Brief nach Hogwarts schicken." sagte sie. "Der dunkle Lord duldet es nicht, dass er nach Hause kommt. Er weiß nichts von all dem hier."
Ich wusste was sie meinte, niemand außerhalb dieser Wände wusste, dass sich Voldemort hier aufhielt. Logischer Weise.
"Vielleicht ist es besser so?" flüsterte sie und ihre Stimme brach. "Wenn mein Baby nichts von der Last tragen muss."
Tränen liefen über ihre Wangen. Auch mir fiel es schwer nicht zu weinen.
Behutsam legte ich eine Hand auf Narcissas Bein.
"Es ist besser so. Draco darf nichts von all dem mitbekommen. Er würde es nicht verkraften." flüsterte ich.
Sie sah auf.
"Bald wird er seinen Abschluss haben. Noch zwei Jahre." sie lächelte ein wenig. "Vielleicht ist das alles dann vorbei."
Jetzt wurde es mir klar.
Bei diesen Worten fiel es mir wie Schuppen von den Augen.
Narcissa war nicht böse und sie hatte auch nie vor etwas Böses zu tun. Sie unterlag Lucius und der unterlag meinem Vater, seinem Lord.
Narcissa tat all das nur aus einem Grund. Der selbe Grund, den ich hatte.
Sie musste ihm folgen, um nicht aufzufallen.

Erneut klopfte es an der Tür.
Unsere beiden Köpfe zischten zur Tür und Narcissa wischte sich schnell die Tränen aus dem Gesicht. Es war beeindruckend, wie sie innerhalb weniger Sekunden ihre Emotionen wechseln konnte.
Ich stand auf und öffnete die Tür.
"Lucius." sagte ich, als sein Kopf vor der Tür auftauchte.
Er verneigte sich leicht.
"Ihr Vater erwartet sie in der Halle." sagte er.
Dann fiel sein Blick auf seine Frau, die auf dem Sofa in meinem Zimmer saß.
Um von ihr abzulenken antwortete ich schnell.
"Ich werde gleich da sein, sagen sie ihm das."
Sofort nickte Lucius und verschwand.
Ich drehte mich zurück zu der Frau, die in meinem Zimmer saß.
"Bleib so lange du willst, " sagte ich mit einem Lächeln. "Ich werde jetzt nach unten gehen."
Ein kleines, dankbares Lächeln warf sie mir zu, dann ging ich aus dem Zimmer.

Draco Malfoy - Dangerous Game|✅Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt