2. Eleanor-und-Ander-Sprüche

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Nachdem wir endlich das Gepäck und uns fünf in dem kleinen pissgelben Opel verstaut hatten und mein Vater den Rückwärtsgang einschaltete, um aus der Parklücke zu fahren, zog ich mein Handy aus der Hosentasche.

>> Eleanor? <<, fragte Leonie und ich sah auf.

>> Hm? Was? <<

Kira kicherte und sie setzte sich eine dunkle Mütze auf, die sie wohl im Auto gelassen hatte. >> Sie schreibt ihm. <<

Ich verdrehte die Augen. >> Denk nicht einmal dran <<, fing ich an, doch schon ging es los.

>> Das Eleanor und Ander zusammenkommen ist so klar, wie meine fünf im Mathe <<, rief Kira.

>> Das Eleanor und Ander zusammenkommen ist so sicher, wie ein Hochsicherheitsgefängnis <<, stimmte Leonie ein.

Ich seufzte. >> Der war noch nicht einmal gut. <<

>> Das Eleanor und Ander zusammenkommen ist so wahrscheinlich, wie ein- << Ich hielt Kira den Mund zu und ignorierte ihre Zunge, die sofort meine Handfläche benetzte. Das war ich von ihr gewöhnt und in dem Moment war es mir lieber als ein weiterer Eleanor-und-Ander-Spruch.

>> Ich kenne ihn schon genauso lange, wie euch und außerdem habe ich einen Freund. <<

Pia, die auf dem Beifahrersitz saß und ihre Aufmerksamkeit bisher nur auf die Musik im Radio gerichtet hatte, drehte sich um. >> Ich dachte ihr habt euch vor zwei Wochen getrennt? <<

Verräterin, dachte ich und versuchte mein Grinsen zu verbergen. Ander war jetzt seit elf Jahren mein bester Freund. Kennengelernt hatten wir uns als ich sieben Jahre alt gewesen war und ihm in der Schule eine blutige Lippe geschlagen hatte, nachdem er den Zettel mit meinen Deutschaufgaben gegessen hatte.

Ich war damals auf eine neue Schule gewechselt und am ersten Tag hatte ich, um nicht viel zu verpassen, alles schön mitgeschrieben. Und Ander? Er hatte mir von hinten meine Aufgaben vom Tisch gerissen und als ich ihm gesagt hatte, er soll sie mir wieder geben, hatte er sie gegessen.

Das ich ihm daraufhin ins Gesicht geschlagen hatte, hatte mir größeren Ärger eingehandelt als ihm.

Wir konnten uns lange nicht ausstehen. Er hatte mich gehänselt und ich ihn doof dastehen lassen, bis sechs Monate später ein Typ aus der vierten Klasse zu mir kam und mir aufgrund einer Wette, die er mit seinen Freunden hatte, meine Bluse hochziehen wollte.

Ich wusste das alles noch genau. Ich hatte hinter einem Busch gehockt, da ich mit meinen Freundinnen verstecken gespielt hatte. Da kamen die Typen und hatten mich an die Wand hinter mir gedrückt und meine Arme festgehalten.

Gerade als der Typ mir das Oberteil hochziehen wollte, war Ander wie aus dem nichts aufgetaucht und hat ihm so stark auf die Nase geschlagen, dass der Junge ins Krankenhaus musste und Ander starken Ärger bekam.

An dem Tag war ich zu ihm nach Hause geradelt. Er hatte Hausarrest bekommen und ich hatte vorgehabt nur schnell DANKE zu sagen und wieder zu verschwinden, doch dann hatte ich gesehen, dass im Wohnzimmer geradeaus ein Videospiel lief und mir war rausgerutscht: Das spiele ich auch!

Und dann hatte er meine Hand genommen, mich ins Haus gezogen und wir hatten eine Runde gespielt. Und aus einer Runde wurden zwei. Dann drei und am Ende war ich fast vier Stunden bei ihm gewesen, ohne es zu merken.

Danach hatten wir eine Woche keinen Kontakt. In der Schule saß er zwar hinter mir, aber wir redeten nicht. Doch dann kam Donnerstag und wir hatten Deutsch und der Lockenkopf hatte keine Hausaufgaben gehabt. Als die Lehrerin herum ging legte ich ihm meine auf den Tisch und bekam den Eintrag.

Das war mein Dankeschön dafür gewesen, dass er den Jungen geschlagen hatte. Ander hatte sich nicht bedankt, aber wenige Tage darauf hatte er mit seinem Mountain-Bike vor meiner Tür gestanden und ich hatte meins aus der Garage geholt und wir waren durch die Stadt gefahren, bis in den Wald der drei Kilometer entfernt in einem verbotenem Gebiet lag.

Und von dem Tag an stand Ander öfter vor meiner Tür. Er hatte sich seitdem verändert, was sein Äußerliches anging, aber sonst war er derselbe. Auch, wenn er manchmal ein echtes Arschloch sein konnte, beschützte er mich immer vor allem, was ihm nicht passte.

Als zum Beispiel in der fünften Klasse ein Junge bei einer Theateraufführung einen Kuss einbauen wollte, da wir schließlich Romeo und Julia spielten, hatte Ander ihm gesagt er solle die Fresse halten, sonst würde er nie wieder jemanden küssen können.

In der siebten hatte ich bei Wahrheit oder Pflicht die Aufgabe bekommen Jonas aus der Nebenklasse zu küssen, hatte es auch gemacht, in dem Moment wo Ander durch die Tür hereinkam. Er war wieder rausgegangen, ohne etwas zu sagen und hatte mich mehrere Tage ignoriert.

Jonas hat sich danach von mir ferngehalten und meine Freundinnen erzählten mir später, Ander habe gedroht Jonas zu schlagen, wenn er mir zu nah kam.

In der neunten Klasse hatte ich Streit mit meinem Vater gehabt. Ander hatte auf meinen Wunsch hin mit gepacktem Rucksack vor meiner Tür gestanden und wir waren "ausgerissen". Wir waren nicht sehr weit gekommen.

In der zehnten Klasse wollte mir ein Typ bei einer Party an die Wäsche, ich wollte das nicht. An dem Abend hatte ich zum ersten Mal Angst vor Ander. Der Junge hatte auch Angst und hat mich in Ruhe gelassen.

>> Eleanor! << Ich schaute erschrocken auf und meine Freundinnen grinsten wissend.

>> Glaubt doch, was ihr wollt... << Ich suchte Anders Chat auf meinem Handy.

Eleanor: Wieder in Deutschland

Ich wartete ungeduldig auf seine Antwort. Wenige Sekunden darauf summte mein Handy in meiner Hand.

Ander: Scheiße. Das letzte Jahr war so schön...

Grinsend tippte ich ein liebevolles Halt die Fresse und schaltete mein Handy wieder aus. Wie lange konnte sich diese zweistündige Autofahrt denn noch in die Länge ziehen?

Eleanor und Ander ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt