31. Alexis Carter

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>> Es ist nicht einmal neun Uhr. Was ist los? <<, fragte Eric und rückte auf dem Sofa weiter nach vorne.

Ich glaube, dass ich auf meinen besten Freund stehe, den ich seit Ewigkeiten kenne und er benimmt sich, als würde er mich hassen. Deshalb fahre ich jetzt nach Hause, dachte ich.

>> Familiäre Probleme. << Anstatt das du sagst, dass du müde bist, dachte ich verbissen, doch jetzt war es zu spät. Ich hob das Handy, als hätte ich eine Nachricht bekommen. >> Mein Vater hat mir eben geschrieben. Wir sehen uns. <<

Kira schaute mich fragend an, doch ich verließ die Stube und zog Schuhe und Jacke an. Dabei schrieb ich ihr und Leonie: Notlüge, sorry. Als ich die Einfahrt runterlief, hörte ich, wie die Haustür aufging.

>> Hey, Eleanor, warte. <<

Mein Herz blieb beinahe stehen, als ich Anders Stimme hörte. Wie angewurzelt blieb ich stehen, drehte mich aber nicht sofort zu ihm um. Ich atmete langsam ein und aus, bevor ich mir ein Lächeln auf das Gesicht zwang und mich zu ihm umdrehte. >> Ja? <<

Ander joggte zu mir, bevor er vor mir stehen blieb und sich einmal durch die Haare fuhr. >> Ähm... ist bei deiner Familie alles in Ordnung? Geht es allen gut? <<

Ander liebte meine Familie, natürlich machte er sich sorgen. Hätte ich nicht einfach gar nichts sagen können? >> Ja, nichts Schlimmes, alles okay. <<

Er schwieg kurz und musterte mein Gesicht. Es war ungewohnt, ihm so nah zu sein, ohne ihn dabei zu berühren. Um dem Drang nicht nachzugehen, verschränkte ich meine Arme vor der Brust. >> Bei dir auch? << Als ich ihn fragend ansah, fügte er hinzu: >> Geht's dir auch gut? <<

Wollte er mich verarschen? Was erwartete er denn? >> Wie geht es dir denn? Geht es dir gut? <<, stellte ich also die Gegenfrage. Ander schwieg. >> Ganz genau <<, sagte ich und drehte mich um.

--

In der Nacht schlief ich nicht gut und als der Freitag endlich überstanden war, rief ich meine Cousine an.

Alexis wohnte ebenfalls in Berlin, allerdings so weit von mir entfernt, dass wir uns hauptsächlich an Feiertagen oder Geburtstagen sahen. Gerade, als ich dachte, dass sie nicht abnehmen würde, ging sie ran. >> Eleanor? <<, ertönte ihre Stimme.

>> Hey, ist es gerade schlecht? <<, fragte ich und spielte mit meinen Haaren.

>> Nein alles gut. Phoenix und ich kochen gerade, aber er schafft das schon allein. <<

Phoenix war Alexis Freund. Sie waren jetzt über ein Jahr zusammen und vor kurzem sogar zusammengezogen. Kennengelernt hatten sie sich dadurch, dass Alexis ein Jahr zu ihrem Vater hatte ziehen müsste. Er hatte ihre Mutter und sie verlassen, als sie noch jünger war und hatte seit sechs Jahren eine neue Frau. Und diese neue Frau war Phoenix Mutter. Eigentlich waren Phoenix und sie also Stiefgeschwister.

>> Hör auf, das ist genug Salz. Phoenix! Stopp. Hör auf, das ist Zucker und kein Salz. Oh Gott. <<

>> Alles gut bei euch? <<, fragte ich lachend nach.

>> Ja. Wir essen jetzt anscheinend gezuckerte Spagetti mit Tomatensoße. Falls du lange nichts von uns hörst, dann weißt du, dass es an dem Essen lag. Und das nur weil Phoenix blöd ist. <<

>> Ich mag dich nicht <<, hörte ich Phoenix im Hintergrund zu Alexis sagen.

>> Tust du wohl. <<

>> Nein, du bist scheiße. <<

>> Du liebst mich! <<

>> Nicht immer <<, sagte Phoenix und ich hörte irgendetwas knallen und dann Alexis Lachen.

>> Habt ihr Küchensex? <<, fragte ich trocken und schaltete das Licht aus, sodass ich im dunklen Zimmer lag.

>> Meinst du jetzt gerade oder allgemein? <<, rief Phoenix und ich zog die Nase kraus. >> Die Antwort auf beide Fragen ist ja <<, fügte er hinzu.

>> Mund zu, es kommt scheiße raus. << Bei Alexis Worten musste ich lachen und rieb mir müde über die Augen.

>> Ich will die Scheidung. <<

>> Wir sind noch nicht verheiratet. Also koch weiter, sonst brennen die Zuckernudeln an, ich gehe telefonieren. <<

>> Noch nicht? <<, hörte ich Phoenix und konnte mir vorstellen, dass er grinste. Zumindest klang er danach. Alexis antwortete ihm nicht.

Ich hörte, wie sie eine Tür öffnete und wieder schloss und dann eine Zeitlang nur ihren Atem. >> So, ich bin jetzt allein. Ist alles in Ordnung? Was geht in deinem traurigen Leben? <<, fragte sie.

>> Ich habe Streit mit Ander <<, platzte es aus mir heraus.

>> Was? Wieso? <<

>> Letztens haben wir mit allen Wahrheit oder Pflicht gespielt und... also ich habe die Aufgabe bekommen Ander zu küssen. <<

>> Ohne Scheiß? Hast du das gemacht? <<

Sofort musste ich an Anders Lippen denken und in meinem Bauch und in meinem Unterleib breitete sich eine Hitze aus. >> Ähm. Ja. <<

>> Ach du grüne Neune. Und es war so schlecht, dass ihr Streit habt? <<

>> Nein. Quatsch, als ob es schlecht werden würde, wenn ich beteiligt bin. <<

>> Überschätz dich nicht <<, lachte Alexis und ich musste tatsächlich grinsen.

>> Was auch immer. Es war echt... also es war wohl irgendwie schon gut. Und hat mir auch gefallen sooo... << Ich spürte, wie mir die Röte in die Wangen stieg und einfach, weil es Alexis war, blieb ein Ich-habe-es-euch-doch-immer-gesagt-Spruch aus.

Obwohl sie das getan hatte. Immer hatte sie vermutet, dass Ander und ich Gefühle füreinander hatten. Das es nicht nur Freundschaft zwischen uns war. Doch anstatt etwas in die Richtung zu sagen wartete sie geduldig darauf, dass ich weitererzählte.

>> Und an seinem Geburtstag letzte Woche... also... da haben wir irgendwie ein bisschen sehr miteinander rumgemacht, als wir betrunken waren. Danach hat er mich weggeschickt und mich in Unterwäsche zurückgelassen. Seitdem haben wir irgendwie keinen Kontakt mehr. <<

>> Scheiße... Das klingt echt nach einem riesigen Problem. Ich gehe mal davon aus, dass ihm euer erster Kuss auch gefallen hat, sonst wäre es nicht zu dem danach gekommen. Die Frage ist, willst du mit ihm befreundet bleiben oder willst du, dass es Freundschaft und Liebe ist. <<

Das war eine wirklich gute Frage.

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Als wir aufgelegt hatten, war ich zu keinem Entschluss gekommen. Jetzt stand ich in der Küche und machte mir eine Schale Müsli fertig, um sie mit hochzunehmen. Mein Vater war bereits schlafen gegangen und Pia schaute im Wohnzimmer einen Film mit einer Freundin.

Mein Handy blinkte auf und ein Blick auf den Display verriet mir, dass es Tom war. Wir schrieben gelegentlich und nicht besonders viel, aber ich mochte seine Art bisher.

Außerdem fand ich, dass ich ruhig ebenfalls jemanden kennenlernen konnte, wenn Ander jemanden datete.

Seine Worte vom Vortag schmerzten immer noch.

Eleanor und Ander ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt