3. Ander

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Um kurz nach fünf kamen wir zuhause an und dankbar kletterte ich aus dem stickigen Auto ins Freie, wo ich mich neben Leonie und Kira auf die Einfahrt legte.

>> Luft <<, japste ich und legte mir dramatisch die Hand auf die Stirn. Mein Vater und Pia brachten mein Gepäck ins Haus.

>> Ihr müsst euch ein größeres Auto kaufen, Eleanor! <<

Ich drehte meinen Kopf in Kiras Richtung. >> Wir sind nur zu dritt. Das Auto ist groß genug. <<

>> Leonie und ich leben praktisch genauso hier, wie du. Wir fahren praktisch genauso oft in dem Auto mit, wie du. Also nein, es ist nicht groß genug. <<

Leonie richtete sich auf, damit sie mich über Kira hinwegsehen konnte. >> Und wenn das kein Grund ist, sich ein neues Auto zuzulegen, dann ist es die Farbe. <<

Ich begutachtete den pissgelben Kürbis auf Rädern liebevoll. >> Habt ein wenig Respekt meine Lieben. Das Auto ist älter als ihr und immer noch schneller. <<

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Eine Stunde später hievte ich mich vom kalten Asphalt hoch und verabschiedete mich von meinen Freundinnen. Ich bedankte mich dafür, dass sie mit zum Flughafen gekommen waren, und schenkte beiden eine dicke Umarmung.

Als ich die schwere Haustür hinter mir zuzog, rief mein Vater mich aus der Küche. >> Essenzeit Eleanor! <<

Als ich die Küche betrat saßen er und Pia bereits an dem großen Tisch und ich setzte mich zu ihnen. >> Lasagne, ich sterbe vor Hunger <<, seufzte ich glücklich und lud mir eine besonders große Portion auf.

Ich war seit vier Jahren Vegetarierin und zu meinem Glück berücksichtigte mein Vater das beim Kochen immer. Ich schaufelte das Essen geradezu in meinen Körper.

>> Ich hasse dich <<, meinte Pia und schaute mich über den Tisch her frustriert an.

>> Was? Wieso? <<

Sie deutete auf meinen Teller. >> Wie kann es sein, dass du immer so viel isst, aber nicht ein Kilo zunimmst und ich schon aufgehe, wie ein Schwamm, wenn ich nur an Schokolade denke? <<

Ich zuckte mit den Schultern und kippte mein Glas Cola runter. >> Gute Gene. <<

>> Wir haben die gleichen Gene. <<

Ich warf einen Blick auf die Uhr und rutschte ein wenig unruhig auf dem Stuhl herum. >> Geh schon. <<

Ich sah auf, als mein Vater das sagte. >> Hm? <<

>> Nun geh schon zu ihm. Ich weiß, dass du ihn unbedingt sehen willst. <<

Ich grinste, sprang auf und gab meinem Vater einen Kuss auf die Wange. >> Danke, danke, danke. Ich habe euch wirklich vermisst. << Und weg war ich.

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Noch während ich mir die Schuhe anzog, schrieb ich Ander, dass ich kommen würde. Er wohnte nur zwei Straßen weiter, deshalb holte ich mir gar nicht erst mein Fahrrad aus der Garage, sondern lief los.

Ich stehe draußen, war seine knappe Antwort und grinsend steckte ich das Handy weg. Ich war aus der Puste, noch bevor ich das Ende meiner Straße erreichte.

Wie ich Sport hasste! Dabei hatte ich sogar alles ausprobiert. Von Yoga, bis hin zum Cheerleadern. Doch beim einen hatte ich mir selbst etwas gebrochen, beim anderen jemand anderem. Es war also besser für alle, wenn ich es einfach bleiben ließ.

Trotzdem wurde ich schneller, als ich Anders Straße erreichte. Und endlich sah ich ihn.

Er trug eine schwarze Jogginghose und ein weißes Langarmshirt mit einem weiten schwarzen T-Shirt drüber. Noch bevor er den Mund öffnen konnte, schmiss ich mich in seine Arme. Ich spürte, dass er seine Arme um meinen Körper schlang und meine Beine baumelten in der Luft. Ohne zu zögern schlang ich sie um seine Hüfte und vergrub den Kopf in seiner Halsbeuge.

>> Respekt Eleanor. Für die dreihundert Meter hast du nur knappe fünf Minuten gebraucht. << Seine Stimme war so vertraut, dass mein Herz schneller schlug und ich mich grinsend zurücklehnte, um in sein Gesicht schauen zu können. Seine dunklen Augen musterten aufmerksam mein Gesicht.

>> Halt die Klappe Ander <<, lachte ich und indem er mich an der Taille hochhob, stellte er mich auf dem Boden ab. Mein Oberteil war verrutscht und seine warmen Hände strichen über meine Haut. Ich ließ mich etwas weiter nach hinten sinken und sein Griff wurde fester.

>> Du bist noch kleiner, als ich dich in Erinnerung hatte. << Anders sonst eher ernstes Gesicht strahlte mich an. Seine Grübchen stachen hervor und er schaute mich mit großen Pupillen an.

>> Ich glaube, du bist einfach nur noch mehr gewachsen. Im Ernst, wie groß bist du? <<, fragte ich.

>> Eins neunzig oder so. << Ander zuckte mit den Schultern, als wäre das gar nichts. Dann streckte er die Hände aus, umfasste vorsichtig mein Gesicht und wischte mir mit den Daumen Freudentränen von den Wangen. Seine Haut strich federleicht über meine erhitzen Wangen. In dem Moment öffnete sich die Haustür.

>> Eleanor, das gibt es ja gar nicht. Ist das schön dich endlich wiederzusehen. << Anders Mutter lief die kleine Treppe herunter und nahm mich fest in die Arme. Dabei fielen Anders Hände von mir ab. Tanja war eine kleine, runde Frau und in den letzten Jahren eine Art Mutterersatz für mich geworden. Ander hatte seine dunklen Locken auf jeden Fall von ihr.

>> Du bist ja noch schöner geworden. Hast du da einen Piercing? Und wo sind deine Haare hin? <<

Ich lachte laut und fasste mir in die Haare. >> Ich habe sie abgeschnitten. Als ich betrunken war. << Ich hörte Anders Lache hinter mir, drehte mich aber nicht zu ihm um.

>> Ich muss jetzt leider schon los. Mädchentreffen mit der Gitarrengruppe. Aber ich habe heute Kekse gebacken und es sind viele über geblieben. Bediene dich Eleanor! <<

>> Mache ich auf jeden Fall, danke. Und viel Spaß heute Abend. << Tanja kniff Ander in die Wange und lief dann zur Garage.

>> Kommst du mit rein? <<, fragte Ander und stieg bereits die Stufen zur Haustür hoch. Dabei griff er nach meiner Hand, um mich mit sich zu ziehen und ich lächelte.

>> Zu dir? Ich weiß auch nicht. Ich kann mir definitiv schöneres am ersten Abend vorstellen, als- <<

>> Denk an die Kekse meiner Mum. << Ich verschränkte meine Finger mir seinen, setzte mich nun doch in Bewegung und Ander schloss die Tür für uns auf.

Eleanor und Ander ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt