9. Nachtspaziergang

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Eleanors Sicht:

Ander saß bereits vor meinem Haus, als ich aus der Haustür trat. Er stand auf und lächelte.

>> Kannst du nicht schlafen? <<, fragte ich und folgte ihm, als er die Stufen der Veranda herunterlief und dann dem Gehweg folgte.

>> Bin nicht müde <<, sagte er lediglich und ich sah ihn an. Zwischen seinen Augenbrauen hatte sich eine Falte gebildet und ich wusste, dass er log.

Er bemerkte meinen Blick und seufzte. >> Habe ich dir jemals etwas verschwiegen, wenn es wichtig war? <<

Ich zog eine Braue in die Luft. >> Aber hallo! Und zwar als Klara das Motto der Kostümparty geändert hat und du es mir verschwiegen hast. Ich kam als saure Gurke, obwohl das neue Thema Superhelden war. <<

Ander grinste. >> Das ist acht Jahre her und ich war damals sauer, weil du mir an dem Tag Kaugummi in die Haare geworfen hast und ich mir ein Loch in die Haare schneiden musste. <<

>> Freundchen, du bist in den Weg gelaufen, als ich auf Theo gezielt habe. Der Arsch hat Kira an dem Tag ein dickes Nilpferd genannt. <<

Ich verstummte, als ich seine Hand spürte, die sich zu meiner in die Jackentasche schob. Ich sah auf und war erleichtert, als ich sah, dass die Falte zwischen seinen Augenbrauen und sein angespannter Gesichtsausdruck verschwunden waren. Meine Finger umschlossen seine und ich drückte seine Hand.

>> Und was sagt Sofia? <<, fragte er. Sein Daumen strich über meinen Handrücken. Elektrisierend und beruhigend zugleich.

>> Sie packt gerade, weil sie bei mir in den Garten zieht. Du weißt schon, die schöne Stelle unter der Eiche. Dort hin. <<

Ander nickte wissend. >> Da haben wir auch schon einmal gepennt. <<

Ich verdrehte die Augen. >> Ja und zwar nach Kiras Geburtstag vor zwei Jahren. Ich war sturzbesoffen und wir hatten beide die Schlüssel vergessen. <<

>> Ich habe in der Nacht dreimal deine Haare gehalten, als du gekotzt hast <<, feixte er und ich drückte seine Hand doller, sodass er sie fluchend zurückzog. >> Schöne Erinnerung <<, sagte ich ironisch.

Wir hatten die Siedlung verlassen und den Park erreicht. Wir mussten uns nicht mehr absprechen, wenn wir spazieren gingen. Wir landeten immer in diesem Park. Ich lief die letzten Meter und ließ mich zufrieden auf die Parkbank fallen, auf der ich mich so ausbreitete, dass kein Platz mehr für Ander über war.

Keine Sekunde später hob er mich mit Leichtigkeit hoch und setzte mich vor die Bank auf den Rasen.

>> Arsch <<, grummelte ich, stand auf und klopfte mir den Dreck von den Klamotten. Als ich mich wieder neben ihn gesetzt hatte, schwiegen wir einen Moment und lauschten beide auf den leisen Wind und das gelegentliche Platschen des Sees.

Schemenhaft konnte ich die Enten ausmachen, die auf der ansonsten so ruhigen Wasseroberfläche trieben. Ich lehnte mich an Ander an und war auf einmal total müde. Ich kuschelte mich an ihn und sofort schob sich seine Hand unter mein Oberteil und legte sich an die nackte Haut meines Rückens.

>> Was glaubst du tun wir gerade? <<, fragte ich in die Stille hinein. Das war ein kleines Spiel von uns beiden. Vor ein paar Jahren hatten wir genau hier gesessen und in den klaren Sternenhimmel gesehen. Ich erinnerte mich nicht mehr genau wie wir auf das Thema kamen, doch irgendwann hatten wir darüber geredet, was wäre, wenn es irgendwo noch einen Planeten geben würde, mit unserem identisch.

Wir hatten darüber geredet, dass es auf diesem Planeten bestimmt unsere Doppelgänger gab, die nichts von uns wussten und ihr unbeschwertes Leben lebten. Es machte uns Spaß uns ihr Leben auszumalen.

>> Ich glaube, dass Eleanor gerade in ihrem Zimmer ist und neben dem Bett auf dem Boden liegt. Sie hört ganz laut Musik und weint, weil sie einen traurigen Film geschaut hat. Und Ander ist gerade mit Freunden nachtbaden und bekommt, wenn er sich in wenigen Stunden ins Haus zurückschleicht, riesigen Ärger von seinen Eltern. <<

Ich nickte und gähnte laut. >> Das kann ich mir sehr gut vorstellen. <<

Irgendwann war ich wohl eingeschlafen, denn ich spürte, wie mich jemand an der Schulter wachrüttelte und mehrmals blinzelnd setzte ich mich auf. >> Hm? <<, fragte ich und rieb mir über die Augen.

>> Lass uns zurückgehen. Es ist schon halb drei. << Ich nickte und ließ mich von ihm Hochziehen. Den Rückweg legten wir überwiegend schweigend zurück. Wir waren beide müde und mir fielen immer wieder die Augen zu. Doch als wir vor meinem Haus standen, war ich garantiert nicht bereit ihn schon gehen zu lassen.

>> Pennst du hier? <<, fragte ich und verstand mich selbst kaum, weil ich vor Müdigkeit so nuschelte. Er wirkte erleichtert und nickte. Leise schloss ich die Tür auf und wir schlichen so leise wie möglich in mein Zimmer. Ich zog Schuhe und Jacke aus, bevor ich ins Bad ging und ihm eine frische Zahnbürste aus dem Regel neben der Dusche holte.

Wir machten uns im Stillen fertig, um niemanden zu wecken und erst, als wir wieder in meinem Zimmer waren, fragte ich: >> Gehst du morgen zu Lydias Geburtstag? <<

Er legte sich in mein Bett und ich kuschelte mich mit unter die Decke. >> Ja, Casper zwingt mich. <<

>> Gut so, sonst hätte ich dich nämlich gezwungen. <<

Er lachte und zog mich näher an sich. >> Das wäre mir egal gewesen. << Ich kniff ihm in den Bauch, doch er wirkte unbeeindruckt und lächelte einfach zu mir runter. Mir gefielen seine Augen. Er war verboten schön. Ich schlang meine Arme um seinen Bauch und dämmerte ein.

Eleanor und Ander ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt