37. Prag mit Ander

2.2K 66 13
                                    

Eleanors Sicht:

Wir waren nicht mehr in Deutschland, sondern in Tschechien.

Ander hatte mich nach Tschechien gefahren. Genauer gesagt nach Prag. Er hatte tatsächlich einen Parkplatz gefunden, auf dem er über Nacht stehen konnte und zusammen stiegen wir aus.

>> Ich glaube das immer noch nicht <<, sagte ich kopfschüttelnd und schaute zu Ander hoch. Ich überraschte ihn damit, dass ich hochsprang und meine Arme um seinen Nacken legte.

Er machte einen Schritt nach hinten, bevor er nach meinen Oberschenkeln griff und ich so meine Beine um seine Hüfte schlingen konnte. Ich vergrub meinen Kopf in seiner Halsbeuge und grinste. Seine eine Hand rutschte unter mein Shirt am Rücken und lag auf meiner warmen Haut.

Als ich mich zurücklehnte und ihn glücklich anlächelte, wurde der Drang ihn einfach zu küssen so groß, dass ich ihm wenigstens meine Lippen auf die Wange drückte. Zugegeben, man konnte es auch seinen Mundwinkel nennen und Ander zog scharf die Luft ein.

Kurz lehnte er sich ein Stück näher zu mir, doch dann blinzelte er, griff nach meiner Taille und hob mich hoch, sodass er mich abstellen konnte. Eigentlich hatte er ja recht, dass es besser wäre, wenn wir nur Freunde bleiben würden.

Aber enttäuscht war ich trotzdem.

Dennoch lächelte ich und griff nach seiner Hand, um ihn so mit mir zu ziehen. Er folgte mir und steckte unsere Hände zusammen in seine Jackentasche. Es war kurz nach fünf und die Sonne schien noch heiß auf uns runter. Also schauten wir uns zuerst so viel der Altstadt an, wie wir schafften und anschließend besuchten wir eine der alten Büchereien.

Als es dunkel war, bestellten wir beide was zu trinken bei einer der kleinen Bars am Hafen. Da Ander erst am nächsten Abend wieder Auto fahren musste, bestellten wir beide ein Alster. Bei mir blieb es zwar in den nächsten Stunden nicht bei dem einen. Dafür stieg Ander danach auf Cola um.

Ich rutschte näher zu ihm, da wir am Hafen saßen und unsere Beine baumeln ließen und legte meinen Kopf an seine Schulter. >> Was glaubst du tun wir gerade? <<, fragte ich, während seine Fingerspitzen auf meinem Oberschenkel kleine Kreise malten. Diese Berührung wirkte so beruhigend auf mich, dass ich mich noch näher an seinen Körper kuschelte.

>> Ich glaube, dass Eleanor gerade mit Kopfhörern und Fahrrad durch den Wald fährt und das allein. Sie ist glücklich und sie stellt sich vor, wie es wäre, wenn sie das ihr Leben lang tun würde. Einfach Musikhören und durch den schönen Wald fahren.

Und Ander ist gerade mit seinem Vater zusammen bei einem Wanderausflug in den Bergen. Das Zelt ist aufgebaut und sie wollen Sternschnuppen anschauen, weil eine Sternschnuppennacht angesagt wurde. <<

Er lächelte traurig, während sein Blick auf das Wasser vor uns gerichtet war. Ich erinnerte mich an den Tag, als Ander zusammen mit seinem Vater in den Bergen Campen gewesen war. Es war eine Ewigkeit her gewesen, aber er hatte noch Wochen später davon geschwärmt gehabt. Ich griff nach seinem Kinn und drehte dein Gesicht zu mir. Dann strich ich ihm vorsichtig über die Wangen, als ihm eine Träne entwischte.

>> So funktioniert das Spiel aber nicht <<, flüsterte ich, da wir uns nur Dinge vorstellten, die Ander und Eleanor auf dem anderen Planeten taten, die wir nie erlebt hatten. Da ich aus Erfahrung wusste, dass er persönlich nicht gerne über seinen Vater sprach, lehnte ich mich leicht zu ihm hoch und drückte ihm einen federleichten Kuss auf die Lippen, um ihn dadurch abzulenken.

Als ich mich sofort zurückzog, schaute er mich mit großen Augen an und sein trauriger Blick war verschwunden. Vielleicht war es unüberlegt gewesen das zu tun, aber ich wollte es so sehr, dass ich an nichts anderes mehr denken konnte.

Mein Herzschlag erhöhte sich erneut, als er sich zu mir runterbeugte und seine weichen Lippen jetzt für den Bruchteil einer Sekunde auf meine drückte. Er lehnte sich wieder zurück und zog einen Mundwinkel nach oben. Dann legte er einen Arm um mich, sodass ich mich wieder an seine Brust kuscheln konnte.

>> Ja, ich glaube genau das tun sie gerade. Aber dieses Mal möchte ich mal nicht mit Eleanor tauschen. Ich will einfach weiter hier mit dir sitzen, in Prag. Danke Ander! <<

Seine dunklen Augen lagen auf meinem Gesicht. Er lächelte mich an und ich konnte gar nicht anders, als es zu erwidern. >> Immer. <<

Wir schwiegen eine Zeitlang und lösten den Blick nicht voneinander, bis jemand hinter uns anfing Gitarre zu spielen. Ich drehte mich um und sah einen älteren Mann, der sich die Gitarre auf einem Bein ableget hatte. Vor ihm saß eine Frau in seinem Alter und schaute liebevoll zu ihm hoch. Während er spielte schaute er ihr die ganze Zeit in die Augen, blendete alles andere aus und begann sogar leise mitzusingen.

>> Sowas will ich später haben. Ich will genauso sein. Mit irgendeinem Mann an meiner Seite, der mich selbst nach so langer Zeit noch so verliebt anschaut, wie am Anfang. Der für mich Gitarre spielt und der seinen Blick nicht von mir lassen kann <<, sagte ich leise und als ich aufsah, begegnete ich Anders Blick.

>> Ich kann nie aufhören dich anzusehen <<, flüsterte er und als ich ihn aus großen Augen ansah, zuckte er zurück, als hätte er erst jetzt bemerkt, was er da gesagt hatte.

Mein Herz schlug unheimlich schnell und die Wärme in meinem Bauch wuchs an. >> Geht mir genauso. <<

>> Äh, ich hole noch was zu trinken. Was willst du? <<, fragte er und stand schnell auf.

>> Eine Cola. Genug Alster für heute <<, erwiderte ich gepresst und sah ihm dabei zu, wie er zu der kleinen Bar lief, unsere leeren Gläser in der Hand.

--

Als wir zurück zum Auto gingen, war es nach zwei Uhr nachts. Ander hatte zwar gesagt, dass wir bestimmt noch ein Hotel in der Nähe finden würden, allerdings fand ich es witziger im Auto zu schlafen. Das hatten wir zusammen schon öfter gemacht.

Ich ließ die Lehne so weit es ging nach hinten fahren und kuschelte mich dann in den Sitz. Doch auch das wärmte mich nicht genug, also holte ich meinen Rucksack und kramte meine Wechselklamotten raus.

Da es draußen und im Auto sowieso dunkel war, zog ich mir das Oberteil über den Kopf und wechselte es gegen das lange Shirt. Genauso bei der Hose. In Jogginghose und Pullover war es direkt angenehmer.

Ich konnte Anders Umriss erkennen und grinste, als ich nach seiner Hand suchte und sie in der Mitte traf, als er sie gerade auch nach mir ausstreckte. Mit der anderen Hand strich ich ihm durch die Haare, bevor ich sie zurück in meinen Schoß legte und mich mit meiner Jacke zudeckte.

Ich liebe dich, dachte ich und drückte seine Hand einmal. Das hatte ich schon so oft in meinem Leben gedacht, aber erst jetzt fiel mir auf, auf welche Art und Weise ich ihn liebte. Ich bekam eine Gänsehaut. Ich liebte ihn und er wollte mit mir befreundet bleiben...

Er drückte meine Hand zurück.

>> Der Tag war so schön. Und das, obwohl du dabei warst. Ich mag dich nämlich gar nicht <<, murmelte ich müde.

>> Du solltest schlafen. Wenn man müde ist, redet man manchmal wirres Zeug. <<

>> Ich meine es ernst. <<

>> Ich auch <<, lachte er und ich spürte seine Hand, die mir in die Seite kniff. Ich quietschte auf und wand mich.

>> Für einen Zehner sag ich dir, dass du toll bist. Für dein Selbstwertgefühl. Ich weiß, dass du es brauchst. <<

>> Eleanor, ich kann dich mit jedem Wort von dir weniger ausstehen. <<

>> Gar nicht wahr, du liebst mich <<, rutschte es mir raus. Als Ander schwieg und keinen ironischen Kommentar von sich gab, schoss mir die Röte in die Wangen. Ich war so dumm.

Ich bekam keine Antwort mehr von ihm und irgendwann schlief ich tatsächlich ein.
Mit meiner Hand in seiner, in seinem Auto.
In Prag.

Eleanor und Ander ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt