6. Herberts Apfelkuchen

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Eleanors Sicht:

Auf dem Weg zu Herbert schwieg Ander und das war ziemlich ungewöhnlich. Ich stieß ihn mit der Hüfte an und er schaute mich an.

>> Was ist denn los mit dir du Vogel? <<, fragte ich und zog eine Augenbraue in die Höhe. Sofort wurden seine Lippen wieder von diesem wunderschönen Lächeln geschmückt, das ich so liebte.

>> Selber Vogel. << Er ging nicht auf meine Frage ein, doch sein mürrischer Gesichtsausdruck war verschwunden.

Wir erreichten Herberts Haus und als wir klingelten hörten wir seine laute Stimme bis vor die Tür. >> Ich will keine Werbung und ich kaufe auch keine Kekse! <<

Wir klingelten nochmal und zehn Sekunden später öffnete er uns dir Tür. >> Ach ihr seid es. Eleanor, ich werd verrückt. Donner Lüttchen was hast du bloß mit deinen schönen Haaren gemacht? Das sieht ja aus wie ein Vogelnest bei dir da oben. <<

Ich lachte und konnte nicht verhindern, dass mir die Tränen kamen. Ich umarmte ihn vorsichtig und als ich mich von ihm losmachte deutete ich anklagend auf seinen eingegipsten Arm. >> Ander hat es mir schon erzählt. Herbert wir hatten doch abgemacht, dass du keine waghalsigen Abenteuer unternimmst, während ich weg bin. <<

Seine dunkeln tiefliegenden Augen kniffen sich zusammen, als er lächelte und es bildeten sich noch mehr Falten drumherum. >> Alt zu sein ist langweilig. Ich brauche Abenteuer, sonst sterbe ich noch vor Langeweile und nicht an Altersschwäche. Ich habe Apfelkuchen gemacht, kommt doch rein. <<

Wir betraten hinter ihm das kühle verlassene Haus und Ander legte mir dabei die Hand ins Kreuz. Herbert hatte weder Frau, noch Kinder oder andere lebende Familienmitglieder. Deshalb war nirgends im Haus auch nur ein Bilderrahmen zu sehen. Die Wände waren kahl und ließen das Haus einsam aussehen.

In der Küche roch es angenehm nach Kuchen. Grinsend ließ ich mich auf einen Küchenstuhl fallen und Ander setzte sich neben mich. Unterbewusst zog ich meinen Stuhl weiter in seine Richtung, bis sich unsere Beine berührten. Eine Sekunde später schlich sich seine Hand auf mein Bein. Herbert holte den Kuchen aus dem Ofen und stellte ihn auf die Arbeitsplatte. Schnell sprang ich auf, um ihm zu helfen.

>> Herbert, ich wette der Arzt hat gesagt, dass du deinen Arm schonen sollst! <<

Ander holte Teller aus dem Schrank, während ich für Herbert den Kuchen in Stücke schnitt und schließlich auf den Tisch stellte.

Als wir alle saßen, zeigte Herbert mit der Kuchengabel auf mich. >> Und jetzt erzähl mal. Ander hat mir zwar eine Menge erzählt, eigentlich hat er von nichts anderem geredet, aber ich möchte noch mehr von dir hören. Wie war dein letztes Jahr? <<

Ich schluckte den Kuchen runter und spülte mit schwarzem Kaffee nach. Ander sagte immer, ich wäre süchtig nach Kaffee und er hatte Recht. Ich lebte für ihn, ja, wenn ich könnte würde ich mich nur noch von Kaffee ernähren.

>> Es war großartig. Meine Gastfamilie war total nett und hat mich direkt super aufgenommen. Ich hatte dort einen kleinen Bruder und eine Schwester in meinem Alter. Das war natürlich perfekt, weil ich dadurch direkt Anschluss in ihre Freundesgruppe gefunden habe. Und ich habe dadurch Linus kennengelernt. Ich denke Ander hat dir von ihm erzählt. <<

>> Ja, er war dein Freund, stimmts? << Irgendwie sah er nicht so begeistert aus, wie ich erhofft hatte. Sein Blick wanderte zu Ander und wieder zurück zu mir.

Dann fiel sein Blick auf Anders Hand, die sich irgendwann erneut auf meinen Oberschenkel geschlichen hatte und leichte Kreise zeichnete. Als Ander seinen Blick bemerkte, ließ er seine Hand von meinem Bein gleiten und irgendwie nervte mich das.

Herberts seltsame Anspielungen nervten mich. Ich wusste zwar, dass viele Leute dachten, dass wir zusammen waren, besonders Menschen, die uns nicht gut kannten, aber Herbert kannte uns immerhin um die zehn Jahre. Er müsste es besser wissen.

>> Auf jeden Fall will meine Gastschwester mich in zwei Monaten, also in den Herbstferien besuchen kommen. <<

Ander klaute sich meine Kaffeetasse, weil seine alle war und ohne ihn anzuschauen, schlug ich ihm auf die Hände. >> Dann musst du sie mir unbedingt vorstellen. <<

Jetzt war mein Lächeln zurück und ich nickte energisch. >> Ich habe dir auch was mitgebracht, aber das habe ich jetzt zuhause vergessen. Ich bringe es dir die Tage vorbei <<, sagte ich zu Herbert. Dann wand ich mich an Ander. >> Und das habe ich total vergessen, dir habe ich auch was mitgebracht. <<

Ander legte den Kopf schief. >> Das will ich dir auch geraten haben. << Während er sprach verzogen sich seine Lippen zu einem Grinsen und mein Blick fiel auf die dunkle Sommersprosse auf seiner Oberlippe.

Ander hatte nur sehr wenige Sommersprossen, die einem nur auffielen, wenn man ihn aus der Nähe sah.

Und seit ich mich in der Grundschule zu ihm umgedreht hatte, als er mir die Aufgaben vom Tisch gerissen und ich ihm zum ersten Mal ins Gesicht geschaut und diese Sommersprosse gesehen hatte, hatte ich gewusst, dass ich mich in ihn verguckt hatte.

Das war ewig her und ich hatte es ihm niemals erzählt, weil unsere Grundschulzeit zunächst eigentlich aus einer tiefen kindlichen Feindschaft bestanden hatte, aber eine Zeitlang hatte sich mein junges Herz in ihn verguckt gehabt.

Doch als wir angefangen hatten, mehr Zeit miteinander zu verbringen war mir klar geworden, dass unsere Beziehung nur freundschaftlich war und auch immer so bleiben würde.

>> Wer will noch einen Nachschlag? <<, riss Herbert mich aus meinen Gedanken und meine Hand schoss in die Höhe.

Eleanor und Ander ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt