Der Dieb auf dem Weg zum Blocksberg

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Hey Leute,

hier ist nun das nächste Kapitel.
Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen.

LG Juzo-chan

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Kapitel 53: Der Dieb auf dem Weg zum Blocksberg

„Wieso nicht?", fragt Jolene nach.
„Na ja... Es ist...", suche ich nach den richtigen Worten.

>Wie sage ich es am besten?<, frage ich mich im Stillen und suche geradezu verzweifelt nach den richtigen Worten. Der erwartungsvolle Blick von Jolene macht es auch nicht gerade einfacher diese Worte zu finden. Es ist ja nicht so, als wäre das Kleid nicht schön, es ist nur eben... sehr originell. Zwar ist es in meiner Lieblingsfarbe, also blau, gehalten, aber der Schnitt ist doch recht ungewöhnlich. Es ist ärmellos, hat einen weiten Ausschnitt und dürfte mir nur bis knapp zur Mitte meines Oberschenkels reichen, wenn überhaupt. Die weißen Ärmel beginnen am Oberarm und sind knapp über dem Ellbogen zusammengebunden, um danach locker herunterzufallen und so Puffärmel zu bilden. Der Rest des Kleides hat etwas Militärisches an sich, aber auch nicht so ganz. Das dunkelblaue Oberteil wird durch ein Band um die Hüfte gehalten. Direkt darunter beginnt der hellblaue Stoff des Rockes mit einer weißen Verzierung am Saum. (Nr. 5: )
„Meinst du nicht, dass es für diese Jahreszeit etwas zu kalt ist?", frage ich vorsichtig und hoffe, dass sie versteht, was ich meine. Kurz schaut die Waldhexe über das Kleid.
„Keine Sorge.", sagt sie dann nur: „Es gibt ein großes Feuer, dass für ausreichend Wärme sorgt."
>Okay, sie versteht es nicht.<, denke ich mir etwas niedergeschlagen: >Dann muss ich es eben direkt sagen.<
„Ich wollte damit eigentlich sagen, dass es doch etwas zu freizügig ist.", sage ich nun direkt. Kurz schaut sie mich an, dann auf das Kleid und anschließend noch einmal zu mir.
„Nein.", kommt es langgezogen und mit einer abwinkenden Handbewegung. Am liebsten hätte ich mir die Hand ins Gesicht geschlagen.

Nach einer knappen Stunde stehe ich dann in dem Kleid vor Jolene. Mit knirschenden Zähnen stehe ich da, während sie noch am Kleid herumzupft.
„Siehst du? Es ist nicht zu freizügig.", kommt es entzückt von ihr: „Es steht dir wunderbar."
>Aber ich finde es zu freizügig.<, denke ich mir. Das auszusprechen hat keinen Zweck. Ich habe es ihr 20 Minuten lang versucht zu erklären und erst vor knapp 10 Minuten aufgegeben, da ich nur auf taube Ohren gestoßen bin. Ob sie es wirklich nicht versteht oder einfach nur nicht hören will, kann ich nicht sagen. Vielleicht ist es ja auch eine Mischung aus beidem. Zum Glück scheint mein Haar aber in Ordnung zu sein, so wie es ist. Sie lässt es einfach offen, worüber ich sehr froh bin.
„Der Meister müsste auch gleich ankommen.", kommt es fröhlich von Jolene. Kurz bleibt mein Blick auf ihr liegen.
„Wieso nennst du Sebastian eigentlich immer „Meister"?", frage ich sie. Neugierig schaue ich sie an, als ich auf eine Antwort warte.
„Na, weil er mein Meister ist.", erklärt sie, als wäre es das Normalste auf der Welt: „Von ihm habe ich meine Kräfte erhalten. Im Tausch dafür diene ich ihm."
„Du wurdest nicht mit deinen Kräften geboren?", frage ich überrascht. Bisher habe ich gedacht, dass Hexen immer mit ihren Kräften geboren werden. Natürlich kenne ich auch die Theorie, dass Teufel Hexen im Austausch für ihre Seele die Hexenkräfte verleihen. Aber ich habe nie daran geglaubt. Immerhin habe ich ja auch diese ungewöhnlichen Kräfte und bin mit Sicherheit keinen Pakt mit einem Teufel eingegangen.
„Ja. Die meisten Hexen erhalten auf diese Weise ihre Kräfte. Aber es gibt auch Hexe, die mit ihnen geboren werden. Die Anzahl geborener Hexen sind aber seltsamerweise in den vergangenen Jahrhunderten stark zurückgegangen. Woran genau das liegt, kann ich dir aber auch nicht sagen.", erklärt sie weiter.
„Und wie lange hast du deine Hexenkräfte schon?", frage ich weiter nach.
„Seit etwa 300 Jahren, glaube ich.", antwortet sie nach kurzem Überlegen. Erstaunt schaue ich sie an. Ich hätte wirklich niemals damit gerechnet, dass Jolene bereits über 300 Jahre alt ist.
„In meiner Zeit war es unüblich, dass eine Frau sich bilden durfte. Ich hatte aber einen solchen Wissensdurst und kam auf keinem anderen Weg an mehr Wissen, als dem Meister meinen Dienst anzubieten und somit diese Kräfte und ein deutlich längeres Leben zu erhalten.", redet sie weiter.
„Bereust du es manchmal, das getan zu haben?", frage ich sie nach kurzer Stille. Überrascht schaut sie mich an.
„Wie kommst du darauf?", fragt Jolene nach. Unverständnis ist in ihrem Blick zu erkennen.
„Na ja, alle, die du kanntest, sind längst tot. Deine Familie, deine Freunde von damals.", erkläre ich. Kurz schaut sie mich an, dann legt sich ein schmales Lächeln auf ihre Lippen.
„Weißt du, ich lebte in der Hochzeit der Hexenverfolgung. Jeden Tag wurden unschuldige Frauen wegen Nichtigkeiten der Hexerei beschuldigt. Mein Verlangen nach mehr Wissen löste Misstrauen bei meinen Mitmenschen aus. Sie tuschelten über mich in meiner alten Heimatstadt. Am Ende war es meine eigene Schwester, die mich der Hexerei beschuldigte und dafür sorgte, dass ich vor ein Gericht gezerrt wurde. Am Abend vor der Anklage kamen meine Mutter und einer meiner Brüder zu meiner Zelle. Sie flehten mich an meine Wissbegierde abzulegen, mich zur Richtigkeit des bestehenden Systems zu bekennen und so mein Leben zu retten. Aber ich konnte es nicht. Es gab so viel, dass ich noch nicht wusste, dass den Menschen hätte helfen können. Noch in derselben Nacht tauchte plötzlich der Meister vor meiner Zelle auf und fragte mich, ob ich für die Erfüllung meines Wunsches nach mehr Wissen, bereit wäre ihm zu dienen und treu ergeben zu sein. Das war das Einzige, dass ich zu dem Zeitpunkt noch wollte. Ich trauerte meiner Schwester, die mich beschuldigte und meinen Eltern und Brüdern, die mein Verlangen nach Wissen nicht verstehen konnten, nicht lange nach.", erzählt sie mit einem bedrückten Glanz in den Augen. Auch wenn sie es nicht bereut, so scheint sie nun doch ihre Familie zu vermissen.
„Am nächsten Tag, während der Gerichtsverhandlung, habe ich das erste Mal meine neuen Kräfte ausprobiert. Ich kann dir sagen, die Menschen haben sich beinahe in die Hose gemacht vor Angst. Keiner von ihnen traf zuvor auf eine echte Hexe mit echten Kräften.", sagt sie plötzlich mit belustigter Stimme. Ihrem Blick nach zu urteilen, befindet sie sich in ihren Erinnerungen an diese Zeit.
„Nur wenige Monate später, ich wollte heimlich nach meiner Familie sehen und schauen, wie es ihnen ging, fand ich heraus, wieso meine Schwester mich wirklich anklagte.", erklärt Jolene, plötzlich wird ihr Blick erfüllt von Trauer: „Sie wollte mich loswerden, da sie meinen Verlobten heiraten wollte." Ein bedrückendes Gefühl macht sich in mir breit, da ich sie danach gefragt habe. Ich hatte ja keine Ahnung, was Jolene erlebt hat. Sie wirkt immer so fröhlich und unbeschwert.
Durch ein lautes Klatschen werde ich aus meinen betrübten Gedanken gerissen. Verwirrt schaue ich zu Jolene auf, welche nun wieder mit einem breiten Grinsen vor mir steht. In ihrer Hand hält sie einen langen, dunkelgrünen Umhang mit Kapuze.
„Zieh den am besten schon mal über. Der Meister sollte gleich da sein, dann werden wir gleich aufbrechen.", sagt sie und legt mir den Umhang um die Schultern. Ein wenig von ihrem plötzlichen Stimmungswandel überfordert, schaue ich sie an, während ich den Umhang an der Kordel schließe. Schlicht fällt er meinen Körper herunter und hält erstaunlich warm.
„Der Weg zum Blocksberg wird etwas kalt, daher...", sagt sie und deutet auf dem Umhang anstatt den Satz mit Worten zu beenden.
Genau in dem Moment, als könnte Jolene in die Zukunft schauen, öffnet sich die Tür und kein geringerer als Sebastian selbst betritt das Haus der Hexe.
„Meister, da seid Ihr ja.", kommt es sofort von Jolene, als sie auf Sebastian zu geht: „Wir sind bereit, um aufzubrechen. Es liegt also ganz an Ihrem Willen." Es ist wirklich seltsam, dass sie in dem einen Moment so ernst sein kann und im nächsten so anbiedernd. Kurz geht sein Blick zu mir herüber und mustert mich einen Augenblick, ehe er nickt.
„Dann werden wir auf der Stelle aufbrechen.", kommt es bestimmend von Sebastian: „Umso eher wir ankommen, umso eher erhalten wir die gewünschten Antworten."
Im nächsten Moment steht Sebastian auch schon direkt vor mir. Ohne Vorwarnung hebt er mich auf seine Arme und verlässt so das Haus. Ich kann Jolene noch kichern hören. Mit einem Blick über die Schulter des Teufels schaue ich sie an. Belustigt schaut sie mich ebenfalls an.
>Was hat sie vor?<, frage ich mich. Mittlerweile kenne ich sie gut genug, um zu wissen, dass dieser Blick nichts Gutes verheißen kann. Sie hat irgendetwas geplant.

SchattendiebWo Geschichten leben. Entdecke jetzt