Der Butler bei der Seherin

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Hey Leute,

hier ist nun das Kapitel für diese Woche.
Ich hoffe, dass es euch gefällt und ihr viel Spaß beim Lesen habt.

LG Juzo-chan

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Kapitel 26: Der Butler bei der Seherin

Kurz nach 2 Uhr komme ich mitten im Wald zum Stehen. Nur wenige Meter vor mir befindet sich das kleine, leicht heruntergekommene Haus. Mit dem dunkelgrauen Stein und dem strohgedeckten Dach geht es gerade zu in der Nacht unter. Nur das Licht, welches durch die Fenster herausscheint, lässt erkennen, dass sich dort ein Haus befindet. Wäre das Licht aus, so würde man nur einen Schatten in der Dunkelheit erkennen. Auch ist es unschwer durch das Licht zu erkennen, dass sich zwei Personen im Inneren des Hauses aufhalten. Das war mir allerdings bereits bewusstem, als das Haus noch nicht in Sichtweite war. Überall auf dem Weg war ein fremder Geruch, der geradewegs zum Haus führte. Das wird mein Aufenthalt an diesem Ort nur unnötig in die Länge ziehen. Dennoch werde ich nicht hereinplatzen und die beiden stören. Nicht etwa, weil es mich interessieren würde, dass es zumindest einen von beiden unangenehm sein könnte oder ich sie stören würde. Es hat ganz allein den Grund, dass dadurch alles noch weiter hinausgezögert werden würde.
Lautlos betrete ich das Häuschen. Es ist noch genauso, wie es bei meinem letzten Besuch aussah. In diesem Raum brennt kein Licht, was mir allerdings keine weiteren Probleme bereitet. Da ich nicht beabsichtige einfach nur zu warten und den beiden zuzuhören, begebe ich mich zum Bücherregal. Wie nicht anders zu erwarten, gibt es nicht sonderlich viele moderne Werke. Das modernste Werk „Macbeth" stammt aus der Feder von Shakespeare. Selbst dieses Werk ist aber bereits um die 250 Jahre alt. Und die Beschreibung „modern" wohl nicht ganz passend. Obwohl ich dieses Werk bereits zu genüge kenne – da ich es dem jungen Herrn vor einigen Jahren näher bringen musste – nehme ich es aus dem Regal heraus. Es ist durchaus interessanter als sämtliche Zauber- und Heilkundebücher in dem Regal. Mir ist die Wirkung von Kräutern auf die Menschen wohlbekannt.
Es vergeht eine knappe halbe Stunde, in der ich einfach nur im Sessel sitze und lese. Dann öffnet sich die Tür und die Schritte und Stimmen verraten, dass es der Mann ist, welcher zuerst den Raum verlässt. Allerdings folgt die Person, wegen welcher ich hier bin, ihm direkt. Sie hängt sich an seinem Arm und drückt sich gegen ihn. Es ist nicht schwer zu erkennen, dass es ihm scheinbar sehr gefällt, wie sie sich an ihn drückt.
„Musst du wirklich schon gehen?", fragt sie mit unschuldiger Stimme. Für jemanden, der es nicht besser weiß, könnte es tatsächlich enttäuscht klingen. Allerdings weiß ich es sehr wohl besser. Das ist hier Spiel. Das Spiel, dass sie bereits seit Jahrhunderten mit den Männern spielt. Solange wie es ihr gefällt, spielt sie mit den Männern.
„Es tut mir leid, Liebste. Aber niemand darf bemerken, dass ich mich bei Nacht herausschleiche.", antwortet der Mann ihr, als er ihre Hände mit seinen umschließt und ihr direkt in die Augen schaut.
„Verspreche mir, bald zurückzukehren.", sagt sie mit sanfter Stimme.
„Das werde ich.", stimmt er hinzu: „Sei gewiss, ich werde nächste Nacht zu dir zurückkehren."
„Ich vertraue auf dein Wort, Liebster.", sagt sie, stellt sich auf die Zehenspitzen und legt ihre Lippen auf die seinen. Es dauert nicht lange und schon entsteht ein leidenschaftlicher Kuss, der aber nicht allzu lang anhält.
„Sobald der Mond hoch am Himmel steht, werden wir wieder vereint sein, Liebste. Verlass dich darauf.", sagt er, ehe er ihr einen letzten, beinahe unschuldigen Kuss schenkt und darauf das Haus verlässt.
„Nette Vorführung.", gebe ich von mir, als der Mann in der Dunkelheit verschwunden ist. Obwohl ich ihn noch sehen kann, ist es schier unmöglich, dass er mich noch hören kann.
„Oh Meister, was habe ich Euch vermisst! Ihr habt mich so viele Jahre nicht aufgesucht.", sagt sie mit anbiedernder Stimme. Es dauert nur Sekunden und schon klebt sie praktisch an mir. Entnervt schiebe ich sie ein Stück zurück und erschaffe so Distanz zwischen uns.
„Lass dieses Spiel. Ich bin nicht grundlos hier.", ermahne ich sie mit strenger Stimme. Kurz schaut sie mich aus traurigen, verletzten Augen an. Dann aber ändert sich ihr Blick und ihre Augen blitzen mir schelmisch entgegen. Genau deshalb bevorzuge ich es nicht hierherzukommen. Jedes Mal versucht sie ihr Gegenüber zu manipulieren. Auf diese Art und Weise erlangte sie zwar viel Wissen, aber es ist auch nicht zu leugnen, dass es nervig wird, sofern es einen nicht beeinflusst. Ihre Fähigkeiten ihre Mitmenschen zu manipulieren veranlassten mich vor einigen Jahrhunderten dazu ihre Dienste zu nutzen. Es hat schon so manch einen Vorteil gebracht.
„Natürlich, Meister.", sagt sie und schaut mich nun mit einem wissenden Lächeln an. Obwohl sie weiß, dass ich ihr ihre Macht verliehen habe, so weiß sie genauso, dass ich ihr Wissens hin und wieder bedarf.
„Da Ihr mich so selten besucht und mein Wissen verlangt, muss es durchaus wichtig sein.", sagt sie und geht auf ihr Bücherregal zu: „Das letzte Mal ging es um Euren Vertragspartner, der zum Teufel wurde."
„Worum geht es?", fragt sie, als sie mich lächelnd über die Schulter anblickt.
„Ich bin vor einiger Zeit einer interessanten Person begegnet.", beginne ich mit ruhiger Stimme: „Diese Person kann kein normaler Mensch sein, obwohl sie dennoch definitiv menschlich ist."
„Wie meint Ihr das? Könnt Ihr es bitte genauer beschreiben?", fragt sie nach ohne sich erneut zu mir umzusehen.
„Diese Person ist in der Lage Portale zum Hindurchreisen zu erschaffen und nach Belieben zu nutzen. Außerdem scheint sie einige kleinere Zauber zu beherrschen.", erkläre ich ruhig. Immerhin ist das die einfachste Möglichkeit an Informationen zu gelangen ohne dabei diese Welt verlassen zu müssen. In der Hölle wird es mit Sicherheit auch einige geben, die die Antwort auf diese Frage kennen, allerdings ist der Weg hierhin deutlich kürzer.
„Teleportationsportale?", hakt die Frau am Bücherregal noch einmal nach. Ich nicke nur bestätigend und blicke sie abwarten an. Ihre Hand, die bis eben über die Buchrücken gefahren ist, legt sie nun an ihr Kinn und scheint darüber nachzudenken.
„Das wäre eine Möglichkeit. Aber es kommt doch relativ selten vor. Oder zumindest sind nicht allzu viele Fälle bekannt.", murmelt sie vor sich hin. Bedauerlicherweise bin ich mir nicht sicher, worüber sie gerade spricht.
„Was wäre eine Möglichkeit?", hake ich ruhig, aber fordernd nach.
„Bitte verzeiht Meister, aber zuvor würde ich besagte Person gerne persönlich treffen, nur um meinen Verdacht überprüfen zu können.", sagt sie und wendet sich nun wieder mir zu. Ich schaue sie einen Moment schweigend an.
„Ich werde sie sicherlich in dein Hexenhaus bringen.", kontere ich nur.
„Das müsst ihr gar nicht, Meister. Es sind nur noch wenige Monate bis zum Sabbatfest. Ich werde wie jedes Jahr dort sein. Kommt doch einfach und bringt sie mit.", antwortet sie mit einem Lächeln. So manch einer würde es wohl als engelsgleich bezeichnen, allerdings weiß ich nur zu gut, welche Berechnung dahinter verborgen liegt.
„Du wirst sie nicht ansprechen, ohne dass ich in der Nähe bin. Verstanden?", frage ich ruhig, aber warnend nach.
„Ja, Meister.", sagt die Hexe vor mir mit erstickter Stimme. Nur zu deutlich spüre ich das Band, welches uns verbindet. Es mag zwar einige Jahrhunderte alt sein, aber es ist so kraftvoll, wie am ersten Tage. Ich verlieh ihr ihre Hexenkräfte und sie schwor mir Treue und Dienst. Ihr Wissen war damals, wie heute groß. Ihre Wissbegierde zu stark, als dass sie für die Dauer eines Menschenlebens gereicht hätte. So kam sie zu mir und bat mich um Hexenkraft. Mein Vorteil bei diesem Pakt sind die Informationen, die ich jederzeit erlangen kann... und zu Beginn noch einiges mehr.
Ohne weiter auf die Frau einzugehen, welche leicht in die Knie gesunken ist, gehe ich auf die Tür zu.
„Ich erwarte nach dem Sabbat eine Antwort.", sage ich noch, ehe ich in die Dunkelheit heraustrete. Kurz schweift mein Blick gen Himmel. Der Mond ist deutlich über seinen Höhepunkt hinaus. Die Nacht wird in wenigen Stunden enden.
>Ich sollte mich auf den Rückweg machen.<, denke ich, nach einem Blick auf meine Taschenuhr. Kurz gehe ihm Kopf den Fahrplan durch. Der Zug sollte sich mitten auf der Strecke zwischen zwei Haltestellen befinden. Es dürfte also nicht weiter auffallen, wenn ich mich an Bord schleiche.

~*~ Sicht von Lucia ~*~

Durch ein leises Geräusch wache ich auf. Müde richte ich mich auf und schaue mich um. Es ist niemand hier oder besser gesagt Sebastian ist noch nicht wieder da. Kurz geht mein Blick aus dem Fenster. Durch einen schmalen Spalt zwischen Fensterrahmen und Rollo kann ich hinausschauen. Noch ist es dunkel und die Sterne und der Mond stehen am Himmel. Allerdings wird sich das in einigen Stunden wohl ändern, so tief wie der Mond mittlerweile steht. Gerade als ich mich wieder hinlegen und weiter schlafen möchte, höre ich wieder Geräusche. Es klingt wie stumpfe Schritte. Allerdings sind sie sehr leise und kaum zu hören. Und noch dazu kommen sie vom Dach des Zuges. Verwundert bleibe ich also sitzen und mache mich innerlich bereits reagieren zu müssen. Wer weiß, vielleicht hatten die Verfolger Sebastians ja noch ein paar Freunde.
Als es dann leise von außen gegen das Fenster klopft, zucke ich kurz zusammen.
>Kein Mensch kann sich bei einer Zugfahrt außen am Fenster halten. Das kann doch nur Sebastian sein.<, denke ich mir und schiebe das Rollo ein Stück zur Seite. Ich habe mich nicht getäuscht. Dort vor dem Fenster hängt Sebastian, wie auch immer er das wieder macht, an der Außenseite des Zuges.
„Würdest du bitte das Fenster öffnen? Wir werden gleich durch einen Tunnel fahren. Und ich würde äußerst ungern das Fenster zerschlagen oder Gefahr laufen, dass mich hier doch noch jemand bemerkt.", sagt er mit ruhiger Stimme. Kurz schaue ich ihn nur stumm an, dann schäle ich mich etwas unbeholfen auf der Decke und krabble – ja so kann man es nennen – das kurze Stück zum Fenster. Schnell öffne ich dieses und bin im ersten Moment von dem Zugwind überrascht, dass mir beinahe das Fenster aus der Hand weht. Obwohl ich es nicht losgelassen hätte, ist es nun Sebastian, welcher das Fenster wieder schließt. Dabei allerdings ist er mir erneut viel zu nah und blickt mir auch schon wieder direkt in die Augen. Das Fenster schließt er, ohne hinzuschauen. Stattdessen liegt sein Blick ausschließlich auf mir.
>Macht es ihm so viel Spaß mich aus der Fassung zu bringen?<, frage ich mich innerlich. Ohne noch etwas zu sagen, greift er an meine Schultern und drückt mich wieder sanft nach unten. Noch ehe ich bemerke, was gerade passiert, spüre ich auch schon das Gewicht der Decke auf mir.
„Schlaf weiter. Es sind nur noch ein paar Stunden.", sagt er und entfernt sich wieder ein Stück von mir: „Wir müssen morgen früh noch besprechen, wie wir vorgehen werden, ehe wir ankommen." Während er das sagt, zieht er sich seine Handschuhe aus und löst seine Krawatte ein Stück. Obwohl ich liege, schaue ich ihn nur an. Seufzend legt er seine Handschuhe beiseite. Dann schließe ich auch schon meine Augen und kuschle mich weiter in die Kissen ein.
„Menschen sind wirklich eigensinnig.", kann ich die Stimme des Butlers noch hören und spüre, wie mir ein paar verirrte Strähnen aus dem Gesicht gestrichen werden: „Und nun schlaf ein." Dann drifte ich auch schon ins Land der Träume ab.

SchattendiebWo Geschichten leben. Entdecke jetzt