.𝕿𝖗𝖆𝖕𝖕𝖊𝖉.

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Jeon

Der junge Polizist zögert einen Moment, seine Hand schwebt noch in der Luft und ist bereits zur Faust geballt, um an die graue Bürotür seines Vorsitzenden zu klopfen.

Im selben Moment wird diese jedoch geöffnet, und er begegnet dem überraschten Blick von seinem Partner, Jo.

'Was hattest du im Büro von unserem Boss zu suchen?', fragen Jeon's Augen und er zieht misstrauisch eine Augenbraue hoch.

'Und was hast du hier zu suchen?', fragen Jo's erhobene Augenbrauen zurück.

Keiner von beiden scheint gewillt zu sein, das fragende Starren als Erster zu beenden.

"Geht das jetzt den ganzen Tag so weiter?", fragt der Leiter des GPD, und schiebt sich zwischen die beiden Polizeibeamten.

"Verzeihung, Sir...ich wollte-", Jeon umklammert die dünne Mappe in seiner Hand noch fester, bevor er den Blick auf seine Hände senkt und schwer schluckt.

Es fällt ihm nicht besonders leicht, seinen Vorsitzenden um eine Versetzung zu bitten.

Nicht etwa in einen anderen Distrikt von Seoul, sondern nach Busan, in eine ganz andere Stadt in Südkorea.

Und so sehr ihn die Vorstellung quält, diese Polizeistation und seinen Partner zu verlassen- es wird Zeit, dass Jeon beginnt, all die kaputten Teile, zu denen Vis ihn gemacht hat, wieder zusammenzufügen.

Er hat die letzten zwei Wochen damit verbracht, ungesunde Mengen an Bananenmilch in sich hineinzuschütten und seine Stirn gegen die Arbeitsplatte auf seinem Schreibtisch zu pressen, wenn er nicht gerade schweigend in's Leere gestarrt hat.

Nicht zu vergessen all die Stunden, die er in seinem Auto vor dem THIRSTY geparkt hat, sein rot beleuchtetes, tränenüberströmtes Gesicht, mitten im Regen, nur das dumpfe Geräusch der Scheibenwischer in seinen Ohren, bevor er den Motor gestartet hat und wieder zurückgefahren ist.

Seine eigenen Worte hallen noch immer durch seinen Kopf, so einsam und unerwiedert: 'Ich liebe dich.'

Er hat ihm alles von sich gegeben; seine Verletzlichkeit, seinen Körper und seine Seele- doch Vis hat ihn abgewiesen.

Jeon ist so unendlich wütend, er würde Vis am liebsten für immer vergessen.

Und dennoch sehnt er sich so verzweifelt nach ihm, dass er noch immer in Versuchung ist, wieder zu ihm zu fahren- und diesmal tatsächlich aus seinem Auto zu steigen.

Also bittet er seinen Chef um eine Versetzung, damit er diesem Kreislauf des Elends endlich entkommen und von vorn anfangen kann.

Vis hat ihn bereits erbarmungslos von seiner Welt losgeschnitten, jetzt ist es an Jeon, sie endlich hinter sich zu lassen.

"Ich-", setzt Jeon wieder an, als er eine Nachricht per Polizeifunk empfängt, die auf allen Geräten der Zentrale gesendet wird:

"...wir brauchen Verstärkung in der alten Lagerhalle, nördlicher Distrikt....", ein starkes Rauschen trübt die Stimme des Polizeibeamten, "...sie sind zu viele, vermutlich eine Gang..."

Jeon vergisst alles, was er gerade vorhatte und wirft die Mappe hastig wieder auf seinen Schreibtisch zurück, bevor er in die dunkelgraue Jacke seiner Polizeiuniform schlüpft.

"Jo und ich machen uns auf den Weg.", verkündet Jeon knapp und befestigt noch eine kugelsichere Weste um seinen Brustkorb.

"Wir-was?!", Jo reißt die Augen auf. "Jeon, wir sind nicht die Avengers-"

"Dann mache ich mich eben auf den Weg.", fährt Jeon ihn an, ein eisiger Blick in seinen blutunterlaufenen Augen.

"Unsere Leute sind dort unten, ich kann ihnen Rückendeckung geben, bis Verstärkung eintrifft.", er greift sich das Scharfschützengewehr und überprüft die Munition.

𝐓𝐇𝐈𝐑𝐒𝐓𝐘Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt