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KRONOS

Hast du jemals versucht, dir die Unterwelt vorzustellen?

Der eine mag mehr Kreativität in seine Fantasien hineinstecken, als ein anderer.

Was Jeon betrifft, so würde dieser recht überzeugt von sich behaupten können, einen überdurchschnittlich kreativen Kopf zu besitzen.

Aber was hier passiert, übersteigt seine Vorstellungskraft jedes Mal auf's Neue.

Gerade noch stand er inmitten der Kathedrale in Paris- doch alles zerbröckelt in einem gleißend hellen Licht, es schmerzt in seinen Augen und blendet seine Sicht.

Er kneift die Augen zusammen, hält schützend eine Hand vor sein Gesicht-

-und als alles vorbei zu sein scheint, öffnet er langsam die Augen.

Weiß.

Auf den ersten Blick befindet sich der junge Gott noch immer- oder schon wieder- in einer alten Kathedrale:

Dunkelgraue, metallische Säulen halten eine hohe Decke, die kein Ende findet.

Schneeflocken rieseln von oben herab und kitzeln seine blassen Wangen; schmücken sein pechschwarzes Haar und wiegen Schwer auf seinen Wimpern.

"Vis?", ruft er aus.

Sein Atem ist ein kalter Schleier in der Luft.

Der Schnee türmt sich auf den majestätisch gebogenen Pfeilern an den Wänden, bedeckt den Boden und die steinernen Treppenstufen, die zu einem leeren Thron hinauf führen.

Und dennoch- dies ist er, der Tartaros. Jeon fühlt die Energie deutlicher als je zuvor durch seine Adern fließen.

"Ich bin hier.", flüstert er mit sanfter Stimme und blickt auf seine blassen Arme hinab, unter denen der Eros in weißlich leuchtenden Bahnen durch seine Adern fließt.

Entschlossen ballt er die Hände zu Fäusten und bewegt seine schweren Stiefel vorwärts durch den Schnee, was ein leises Knarschen in der stillen Kathedrale erzeugt.

Er holt tief Luft, um erneut nach Vis zu rufen- da erregt eine rasche Bewegung auf dem verschneiten Boden seine Aufmerksamkeit.

Ein dunkles Gefühl breitet sich in ihm aus, als er die goldbraune Schlange erblickt, die sich leise durch den glänzenden Schnee bewegt.

Jeon setzt den ersten Fuß auf die verschneite Treppe und folgt ihr mit angespanntem Unterkiefer zum Thron hinauf.

Oben angekommen, hebt er den Blick von der Schlange zurück zu dem Thron- der nun nicht mehr leer in der Kathedrale steht:

Eine Frau sitzt mit überschlagenen Beinen darauf, als wäre sie die ganze Zeit über schon hier gewesen.

Mit einem überraschten Keuchen stolpert Jeon ein paar Stufen zurück.

Ein triumphierendes Lächeln schmückt ihr blasses Gesicht; honigbraunes Haar fällt ihr in leichten Locken über ein enges, glänzend rotes Kleid.

Dunkles, blutiges Rot in einem Saal von weiß.

"Persephone.", stellt Kronos fest und beißt die Zähne zusammen.

"Wilkommen, Kronos.", sie erhebt sich mit einer eleganten Bewegung von ihrem Thron und schreitet auf den jungen Gott zu, "Du hast gut hergefunden?"

"Hatte ich eine andere Wahl?", Kronos kommt wieder einen Schritt auf sie zu, "Wo ist er?"

"Shhhh.", zischt Persephone und ihre roten Lippen bilden ein breites Lächeln, während sie auf etwas oberhalb von Kronos' Schultern deutet.

𝐓𝐇𝐈𝐑𝐒𝐓𝐘Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt