Ich stand einfach nur da. Blinzelte. Und starrte reglos auf die Schrift. Doch solange ich auch darauf starrte, die Worte blieben die gleichen, die schreckliche Botschaft veränderte sich nicht.
Lass uns spielen, Alena.
Mehr eine Aufforderung als eine Botschaft. Aber eine Aufforderung wozu? Spielen. Was zur Hölle wollte der Mörder mit mir spielen? Und wieso hatte das Ganze überhaupt etwas mit mir zu tun? Wieso musste ausgerechnet bei einer Toten, für deren Ermordung ich ein Motiv hätte, eine an mich adressierte Nachricht liegen? Ich wollte mir einreden, dass das eben Pech war. Aber so etwas war kein Pech, kein Zufall.
Es war Schicksal. Nein, das vielleicht nicht unbedingt. Eigentlich glaubte ich nicht an so etwas. Aber wenn es schon kein Schicksal war, denn steckte zumindest ein Plan dahinter. Ich schüttelte langsam den Kopf, immer noch nicht ganz begreifend, nicht ganz begreifen wollend. Hinter diesem Mord und dieser Nachricht steckte der Plan eines offensichtlich Geisteskranken. Der diesen Mord für ein verdammtes Spiel hielt.
Gegen meinen Willen wanderte mein Blick zurück zur Leiche. Eine Leiche mit einem verfluchten, blutigen Einschussloch in der Stirn. Das war kein Spiel!
„Weiler." Florians Stimme riss mich aus meinen Gedanken, die schon wieder viel zu wild in meinem Kopf herumwirbelten. „Sag mir nicht, dass du weißt, was das bedeutet."
„Nein." Ich schüttelte den Kopf. „Nein, ich weiß nicht, was das bedeutet." Einerseits wollte ich es auch gar nicht wissen, denn was ich überhaupt nicht brauchen konnte, war ein Mörder, der meinte, irgendetwas von mir wollen zu müssen. Aber mir war natürlich klar, dass es für das Fortbestehen der Tatsache, dass da draußen so jemand herumlief, keinen Unterschied machte, ob ich wusste, was los war, oder nicht. Außerdem war es mein Job, herauszufinden, was vor sich ging. Warum Menschen getötet wurden. Warum Amelie Engel ermordet worden war.
„Für mich klingt das ziemlich eindeutig", meinte Florian und nahm mir den Zettel aus der Hand, um ihn noch einmal selbst zu betrachten. Viel zu schnell hatte er die Nachricht erneut durchgelesen und hob den Blick. Ich war noch nicht bereit, dem Blick seiner durchdringend blauen Augen standzuhalten. Also wich ich ihm aus. Wie ein Verdächtiger es tun würde. „Weiler, da will jemand was von dir." Ja. Soweit war ich schon. „Das ist nicht gut." Florian schüttelte den Kopf, während er den Zettel an jemanden von der Spurensicherung übergab. „Das ist richtig mies."
Wem sagte er das? „Ich weiß", murmelte ich und fuhr mir durchs Haar. „Scheiße, ich weiß."
„Ich meine: Kann ich ja irgendwie verstehen." Ich brauchte eine Weile, um zu verstehen, dass er nicht darauf einging, was ich gesagt hatte. Nein, er bezog sich auf seine eigene Aussage zurück. Da will jemand was von dir. Nun sah ich ihn doch an – aber nur, um ihm mit einem scharfen Blick meine Missbilligung deutlich zu machen. Merkte er nicht, wie ernst diese Situation war? Konnte er nicht wenigstens jetzt, ausnahmsweise einmal, von seinen lästigen Flirtversuchen absehen? Nur ein einziges Mal in den fünf Jahren, die wir jetzt schon zusammenarbeiteten, das war doch wirklich nicht zu viel verlangt. Außerdem sollte er doch allmählich begreifen, dass ich kein Interesse hatte.
Florians Reaktion auf meine zusammengezogenen Brauen war ein schiefes Grinsen. „Komm schon, Weiler", meinte er und hob die Hände wie das Unschuldslamm, das er sicher nicht war, so oft, wie er mir schon in den Ausschnitt gelinst hatte. „Dass jetzt jemand für dich mordet, zeigt doch, dass ich Recht damit hatte, dass du attraktiv bist und dich nicht in deinen Graues-Mäuschen-Klamotten verstecken musst."
„Ach!" Unwirsch winkte ich ab und machte mich entschieden wieder daran, den Tatort zu betrachten. „Leute zu ermorden hat rein gar nichts Romantisches."
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Spiel mit dem Mörder
Mystery / ThrillerDas Stadtzentrum Freudenstadts - ein Spielfeld. Ein Strauß weißer Rosen - ein weißer Spielstein. Eine Leiche - ein schwarzer Spielstein. „Lass uns spielen, Alena." Für die Kriminalpolizistin Alena Weiler sind Morde kein Spiel. Doch sie begreift schn...