Kapitel 47

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„Fertig?"

Ich nahm einen Schluck Wasser aus dem Hahn und spuckte das Wasser zusammen mit dem Rest Zahnpasta ins Waschbecken. Dann nickte ich und drehte mich in dem kleinen Badezimmer zu Arian um, der am Türrahmen lehnte. Auf den ersten Blick wirkte er vielleicht entspannt, aber beim zweiten Hinsehen erkannte man seine angespannte, handlungsbereite Körperhaltung und seinen scharfen Blick, der kaum einen Moment von mir gewichen war seit er mir die Handschellen abgenommen hatte. Nur als ich die Toilette benutzt hatte, hatte er wenigstens den Anstand besessen, wegzusehen – doch das Bad verlassen hatte er nicht, er war dort in der Tür stehen geblieben, damit ich nicht auf dumme Ideen kam.

Verständlich. Denn immerhin waren meine Hände nicht mehr gefesselt, solange ich hier im Bad war. Vorerst nur im Bad und in deinem Zimmer, hatte er gesagt, als er sie mir abgenommen hatte. Und hier im Bad auch nur so lange wie nötig. Also so lange, wie ich brauchte, um aufs Klo zu gehen und mir die Zähne zu putzen. Und diese Zeit hatte ich natürlich genutzt, um dumme Ideen zu sammeln. Oder es zumindest zu versuchen.

Leider hatte Arian auch im Bad kaum Gegenstände übrig gelassen, die ich gegen ihn verwenden könnte. Weder Klopapier noch die Klobürste würden mich sonderlich weit bringen. Mit einem der Handtücher könnte man theoretisch jemanden würgen – wenn dieser jemand nicht so wachsam und nicht stärker als ich wäre. Den Spiegel könnte ich zerschlagen und eine der Scherben als Waffe einsetzen – sofern ich es schaffte, das alles schnell genug zu tun, bevor Arian mich wegzerren und wieder fesseln konnte. Was im Augenblick, wo er so wachsam war, eher unwahrscheinlich war. Und wenn ich nicht in naiver Hoffnung, dass das irgendetwas bringen würde, mit dem Stück Seife nach ihm warf, blieben eigentlich nur noch zwei Gegenstände übrig: die Haarbürste und die Zahnbürste. Die Zahnbürste, die ich gerade noch in der Hand hielt und die zwar nicht allzu spitz geformt war, aber vielleicht gerade spitz genug, dass ich damit Schaden anrichten könnte, wenn ich zum Beispiel auf sein Auge zielte...

Plötzlich kam Arian auf mich zu und ich zuckte vor Schreck zurück, nicht begreifend, was er auf einmal wollte, bevor er es auch schon getan hatte. Die Zahnbürste verschwand aus meiner Hand. Stattdessen legte sich wieder kühles Metall um mein Handgelenk. „Es ist schon spät", meinte Arian, während er mich herumdrehte. „Zeit, schlafen zu gehen." Ich schluckte den Fluch herunter, der mir auf der Zunge lag, und versuchte, mich nicht zu sehr darüber aufzuregen, dass ich mich eben so hatte überrumpeln lassen. Ja, natürlich war die Idee, mit einer Zahnbürste auf Arian loszugehen, nicht übermäßig erfolgsversprechend, aber irgendetwas musste ich versuchen und eben hatte ich noch die Chance dazu gehabt. Jetzt nicht mehr. Jetzt waren meine Hände wieder hinter meinem Rücken gefesselt.

Verdammt.

„Ich bringe dich noch in dein Zimmer", sagte Arian hinter mir. Als sich seine Hand auf meinen Rücken legte, erstarrte ich. Auch er schien kurz innezuhalten, doch dann beugte er sich vor und sagte für meinen Geschmack etwas zu nah an meinem Ohr: „Beruhig dich. Es ist alles gut." Nichts war gut. Ich hatte gerade meine erste halbwegs existente Chance vertan, etwas zu unternehmen, und jetzt stand ein Serienmörder viel zu dicht hinter mir und berührte meinen Rücken.

Als ich keinerlei Anstalten machte, mich zu beruhigen, und weiterhin angespannt blieb, seufzte Arian leise und schob mich vorwärts. Zu meinem Zimmer. Das war, wenn ich mir keine falschen Hoffnungen machte, wohl das einzig Positive an der momentanen Situation. Dass er von meinem Zimmer sprach, nicht von unserem, legte die Vermutung nahe, dass er mich dort alleine lassen würde und nicht vorhatte, sich mit mir ein Bett zu teilen. Fürs Erste zumindest.

Arian öffnete die Tür zu einem Zimmer am anderen des Gangs für mich und schob mich hinein. In mein Zimmer. Ein spärlich möbliertes Zimmer, mit einem Bett und einem Schrank. Einen Schreibtisch gab es auch, aber keinen Stuhl dazu. Es gab zwar einen Nachttisch, aber die Schublade fehlte, genauso wie die Nachttischlampe, die sonst wohl darauf stand. Alle Gegenstände, die ich als Schlagwerkzeug hätte einsetzen können, waren entfernt worden. Es sei denn, ich schaffte es, den Tisch hochzuheben und damit auf Arian loszugehen – und das war unwahrscheinlich. Genauso unwahrscheinlich wie dass ich hier irgendetwas anderes finden könnte, das Arian nicht entfernt hatte und das ich gegen ihn einsetzen könnte. Im Bad war er mit der Zahnbürste, dem fest in der Wand verbauten Spiegel und der Haarbürste die Risiken eingegangen, die er für nötig hielt, aber hier schien er mir wirklich nichts gelassen zu haben, das ich irgendwie gegen ihn verwenden könnte.

Spiel mit dem MörderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt