Kapitel 38

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Ich sollte nicht hier sein.

Das war unsinnig, aber nichtsdestotrotz hatte sich dieses Gefühl in mir festgesetzt. Das Gefühl, dass ich nicht hier in Florians Wohnung sein sollte, ohne sein Einverständnis. Ja, ich hatte ihn schon einige Male vor der Haustür abgesetzt und er hatte mich auch mal hierher eingeladen, mehrmals sogar. Aber dieses Mal, jetzt, wo ich seine Wohnung tatsächlich einmal betrat, hatte er das nicht erlaubt.

Er muss es auch nicht erlauben. Die Erlaubnis des Richters reicht.

Ja. Juristisch gesehen reichte der Durchsuchungsbeschluss, den Pfeffer beeindruckend schnell für uns besorgt hatte und der nun in meiner rechten Jackentasche steckte. Und in der anderen Tasche, als ungewohnt schweres Gewicht, lag Florians Schlüssel, der ihm abgenommen worden war, bevor er letzte Nacht weggesperrt worden war. Unwillkürlich griffen meine Finger danach und streiften das kühle Metall der Schlüssel und des Schlüsselanhängers in Form eines kleinen Fußballschuhs. Mir war dieser Schlüsselanhänger vorher nie aufgefallen. Während Florian den Anhänger an meinem Schlüsselbund wahrgenommen hatte, hatte ich mir nie die Mühe gemacht, auf seinen zu achten. Weil ich eine schlechte, unaufmerksame Kollegin war? Oder weil er besessen von dir ist und deshalb hyperfixiert ist auf alles, was mit dir zu tun hat. Okay, gut.

Allerdings wurde ich den Gedanken, dass auch an der ersten Erklärung etwas Wahres dran war, nicht los.

„Scheint ja ein großer Fußballfan zu sein." Kurniawans Bemerkung riss mich ruckartig aus meinen Überlegungen. Er und zwei weitere Polizisten hatten nach mir die Wohnung betreten, sich aber mittlerweile an mir vorbei geschoben. Was sich damit erklären ließ, dass ich noch immer wie angewurzelt im Eingangsbereich stand, während die anderen sich daran gemacht hatten, die Wohnung nach Beweisen abzusuchen. Doch offenbar hatte Kurniawan bemerkt, dass ich mich nicht von der Stelle bewegt hatte, und in seiner Arbeit innegehalten.

Er sah nicht aus, als würde er meine Untätigkeit in Frage stellen oder verurteilen. Aber irgendwie war das Verständnis, das in seinem sanften, nachsichtigen Lächeln lag, gerade unangenehmer als es ein Stirnrunzeln gewesen wäre. Ich verdiente dieses Verständnis nicht. Die Wohnung zu durchsuchen, war meine Idee gewesen, ich war diejenige gewesen, die Pfeffer dazu gedrängt hatte, so schnell wie möglich einen Durchsuchungsbeschluss zu besorgen. Und letztlich war das hier, zu funktionieren und Wohnungen zu durchsuchen, auch die von Kollegen, mein Job.

Also reagierte ich nur mit einem knappen Nicken auf die Bemerkung und machte mich nach einem Räuspern endlich daran, die Wohnung in Augenschein zu nehmen.

Kurniawan hatte Recht: Florian war ein großer Fußballfan. Das zeigte nicht nur sein kleiner Schlüsselanhänger, sondern auch seine Wohnung mit den Postern an den Wänden, dem VfB-Schal, der über die Lehne des Sessels vor dem Fernseher geworfen worden war, und die Fußball-Sammelhefte, die einen prominenten Ehrenplatz im ansonsten spärlich bestückten Bücher- und CD-Regal hatten und von denen die meisten schon älter zu sein schienen, aus der Zeit, als Florian noch zur Schule gegangen sein musste, wobei aber auch vereinzelte neuere Hefte dabei waren. Außerdem standen im Eingangsbereich ordentlich neben seinen eher wie achtlos einfach von den Füßen abgeschüttelt wirkenden anderen Schuhen aufgestellt zwei Paar Fußballschuhe, eins mit Stollen und eins ohne.

Richtig. Er hatte irgendwann mal am Rande erwähnt, dass er nicht nur gerne mit Pfälzer Fußball im Fernsehen schaute, sondern dass er auch selbst mehr oder weniger regelmäßig in der Herrenmannschaft eines kleinen Vereins spielte – groß davon berichtet hatte er nicht, es schien nichts zu sein, womit man sich brüsten konnte, aber doch etwas, das ihm offenbar Spaß machte. Oder vielleicht hätte er mir mehr darüber erzählt, wenn ich ihn denn danach gefragt hätte.

Ich schluckte. Falls er doch nicht der Mörder war, falls ich ihn zu Unrecht verdächtigte, würde er mir ab jetzt wohl nicht einmal dann noch etwas über sein Privatleben erzählen, wenn ich ihn danach fragte – dass wir, falls er sich als unschuldig herausstellte, wieder zu unserem recht guten kollegialen Verhältnis zurückkehren konnten, bezweifelte ich.

Spiel mit dem MörderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt