Kapitel 43

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Ich atmete tief die frische Abendluft ein und schloss für einen Moment die Augen. Genoss die Stille.

Gut, es war nicht vollkommen still. Der Herbstwind sorgte nicht nur dafür, dass ich bereute, keine Jacke mit raus genommen zu haben, sondern er bewegte auch sanft und leise die Wipfel der Bäume. Außerdem war da das sehr ferne Geräusch von Automotoren. Und näher waren da noch die leisen Unterhaltungen, das heitere Lachen und immer wieder auch das Klackern von hohen Schuhen aus dem Restaurant in meinem Rücken. Einige meiner alten Mitschülerinnen hatten sich für das Jubiläumstreffen herausgeputzt.

Ich öffnete die Augen wieder und senkte den Blick auf meine eigenen Schuhe. Auf die schmutzig blau-grauen Turnschuhe, die ich so lange tragen würde, bis es wieder schneite oder bis sie endgültig auseinander fielen – je nachdem, was zuerst passierte. Zu meiner Verteidigung sollte gesagt werden, dass ich Isabela nicht noch länger hatte warten lassen wollen und mich deshalb direkt nach dem Gespräch mit Florian und einem schnellen Update für Kurniawan ins Auto gesetzt hatte und ohne Umwege hierher gefahren war. Natürlich hatte ich so keine Zeit gehabt, mich nach der Arbeit noch umzuziehen.

Okay. Andererseits hätte ich mich auch nicht umgezogen, wenn ich Zeit dafür gehabt hätte. Was ich anhatte war gerade wirklich keine Priorität. Okay, ehrlich gesagt war das nie eine meiner Prioritäten, aber vor allem heute nicht. Nicht am Abend des Tages, an dem ich realisiert hatte, dass ich mich mit der Erkenntnis abgefunden hatte, dass Florian der Mörder sein musste.

Unwillig schüttelte ich den Kopf. Darüber hatte ich doch nicht nachdenken wollen, um mich genau davon abzulenken, war ich doch überhaupt hier – ja, sicher, ich war auch deshalb hier, weil ich es Isabela versprochen hatte, aber ein wichtiger Grund war auch, dass ich wusste, ein klein wenig Ablenkung täte mir jetzt sehr gut.

Tja, nur ist ein Treffen mit neugierigen, ehemaligen Mitschülern da keine besonders gute Idee. Ich seufzte. Ja, Ablenkung von meiner Arbeit hatte ich zumindest bisher tatsächlich nicht wirklich bekommen. Denn Isabela war nicht die Einzige, die den Artikel gelesen und Arian auf dem Foto erkannt hatte. Und natürlich war ich darauf angesprochen worden. Darauf, ob Arian und ich zusammen waren. Diese Frage war unweigerlich in jedem Gespräch aufgekommen, das ich mit irgendjemandem angefangen hatte. „Nein", hatte ich gesagt und jedes Mal noch ein „Und nein, das war auch kein One Night Stand" hinzugefügt, um der Frage, die ich daraufhin von den meisten Gesichtern abgelesen hatte, vorzubeugen. Und jedes Mal hatte ich meiner Stimme angehört, wie sie ein bisschen ungeduldiger geklungen hatte.

Daher hatte ich entschieden, mich kurz nach draußen zu verziehen und mir selbst eine kurze Pause zu gönnen. Denn es war nicht meine Absicht, hier einen Streit vom Zaun zu brechen, indem ich ausflippte und alle anfuhr, dass sie mich gefälligst in Ruhe lassen sollten. Nur weil ich übermüdet und unnötig genervt war. Immerhin wollte ich eigentlich nicht wirklich, dass sie mich in Ruhe ließen. Ja, ich wollte vielleicht, dass sie aufhörten, mich nach meinem Verhältnis zu Arian auszufragen, aber ich war schließlich hier, um mich mit Leuten zu unterhalten, die ich schon viel zu lange nicht gesehen hatte und die wieder zu sehen mich sicher noch mehr gefreut hätte, wenn da nicht die ganze Zeit noch ein Serienmörder in meinem Hinterkopf herumspuken würde.

„Verflucht", murmelte ich. Schon wieder an Florian zu denken war nicht der Sinn dieser kleinen Auszeit. Es sollte nicht so verdammt schwer sein, eine Minute lang nicht an ihn zu denken, an ihn und das, was er getan hatte und was...

„Hey." Ich drehte mich um. Und entdeckte Arian, der in der Jeans und dem dunklen Hemd, für das er sich heute entschieden hatte, auf mich zukam – eine kluge Wahl, da er so weder neben mir noch neben unseren ehemaligen Mitschülerinnen in Kleid und hohen Schuhen fehl am Platz wirkte. Und keine Überraschung, immerhin wusste ich, dass er schlau war.

Spiel mit dem MörderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt