Kapitel 25

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„Und? Wie war die Pressekonferenz?"

Mit einem Ächzen, das eigentlich schon alles sagte, ließ Florian sich auf seinen Schreibtischstuhl fallen. „Kannst du dir wahrscheinlich denken." Also schlecht. Natürlich. Als hätte man etwas anderes erwarten können. Florian seufzte tief und rieb sich die Schläfe. „Die haben jetzt natürlich alle leichte bis mittelschwere Panik und Angst, dass wir unseren Job nicht richtig machen – was mir mehrmals ziemlich deutlich nahegelegt wurde." Damit war auch zu rechnen gewesen, denn natürlich brauchte die Öffentlichkeit einen Schuldigen und da waren wir Polizisten eben ein bisschen greifbarer und leichter verantwortlich zu machen als ein namenloser Serienmörder, der irgendwo in der Stadt herumgeisterte. „Außerdem gab es ziemlich viele Nachfragen nach dem Stand der Ermittlung und auch nach dir, aber Pfeffer hat alle erfolgreich abgeblockt, keine Sorge." Auch wenn das nicht meine Hauptsorge gewesen war, da ich eigentlich genügend Vertrauen in die Fähigkeiten des Staatsanwalts hatte, war dieser Punkt doch auch eine meiner Sorgen gewesen, eine kleinere, aber doch eine Sorge. Und ich war ganz froh, dass Florian mich in dieser Hinsicht schon von sich aus beruhigte, ohne dass ich nachfragen und ihm damit mein Misstrauen selbst gegenüber Leuten, um deren Fähigkeit ich im Grunde genau wusste, demonstrieren musste.

„Danke", sagte ich. Auch dafür, dass er mir erspart hatte, mein ungerechtfertigtes Misstrauen kundzutun. Aber vor allem: „Dafür, dass ihr nichts darüber gesagt habt. Und dass du das übernommen hast, diese Pressekonferenz." Ich hätte das im Moment wahrscheinlich nicht gepackt. Natürlich hätte ich hingehen können, aber ob ich es auch geschafft hätte, zu erklären, was los war, vor allem ohne dass man mir meine Schuldgefühle ansah? Fraglich. Und ob ich den Vorwürfen und Fragen der Journalisten hätte standhalten können, ohne einen erneuten Zusammenbruch zu haben, das war nicht einmal fraglich – mir war klar, dass ich das im Augenblick nicht hinbekommen hätte.

„Gern geschehen", meinte mein Kollege mit einem halben Lächeln. Als ich darum gebeten hatte, nicht an der Konferenz teilnehmen zu müssen, hatten weder er noch Pfeffer das hinterfragt. Dass sie ganz genau verstehen konnten, was mich dazu bewegt hatte, bezweifelte ich, aber sie hatten trotzdem irgendeine Art Grundverständnis gezeigt und mein Fernbleiben akzeptiert ohne mich dazu zu bringen, mich zu rechtfertigen. Und das war schon mehr als gut genug für mich.

„Also." Florian lehnte sich in seinem Stuhl zurück und zog den rechten Knöchel übers linke Knie. Dann sah er mich abwartend an. „Da ich mich jetzt gerade eine halbe Stunde lang mit einer Horde Journalisten herumschlagen durfte, bist du jetzt aber auch mal dran: Wie geht's weiter?"

„Also, der nächste Zug steht schon mal fest. Und sonst..." Ich holte tief Luft und nahm die Liste in die Hand, die vor mir auf meinem Tisch lag. Nachdem Nicholas Engel gegangen war, hatte ich ein paar Dinge notiert, die wir jetzt tun konnten. „Erstens können wir bei allen Blumenläden im Umkreis anrufen und nach verdächtig großen Bestellungen von weißen Rosen fragen." Ich glaubte zwar nicht wirklich, dass unser Mörder so dumm war, alle seine Rosen bei einem einzigen Blumenladen zu kaufen und damit eine Spur für uns zu hinterlassen, aber einen Versuch war es schließlich wert. „Zweitens sollten wir vielleicht mal schriftlich festhalten, was wir schon über den Täter wissen." Mittlerweile hatten sich immerhin zumindest ein paar grobe Informationen angesammelt, von daher würde es vielleicht helfen, sich noch einmal alle ins Bewusstsein zu rufen und zu überlegen, was wir jeweils damit anfangen konnten. „Und drittens können wir alle Bewohner der Orte durchgehen, die besonders gefährdet sind, weil sie sich auf dem Spielfeld befinden. Vielleicht kann ich da jemanden als potentielles Opfer identifizieren."

Ja, ich wusste, dass bis jetzt noch keines der Opfer zu Hause getötet worden war. Aber ganz Freudenstadt zu überprüfen, hielt ich nicht für sinnvoll – das war auch einfach überhaupt nicht machbar. Und ins Blaue hinein zu überlegen, gegen wen ich so viel hatte, dass der Mörder meinte, ihn umbringen zu müssen, das hatte ich schon einmal versucht, kurz nachdem ich Mikes Leiche gesehen hatte, und es hatte nicht sonderlich viel gebracht. Mein privates Umfeld hielt ich so klein, dass mir da kaum noch jemand einfiel, und abgesehen von der Sache mit Bloch, die mich damals fast meinen Job gekostet hätte, ließ ich beruflich eigentlich auch alles soweit hinter mir, dass ich keinen der Straftäter, die ich verhaftet hatte, für gefährdet hielt. Aber wenn ich konkrete Namen sah, vielleicht erinnerte ich mich dann an irgendetwas, was mir ganz ohne Anhaltspunkte nicht einfallen wollte, vielleicht kam mir dann irgendetwas wieder in den Sinn, was dem Mörder als Grund reichen würde, um die entsprechende Person ins Visier zu nehmen.

Spiel mit dem MörderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt