Kapitel 18

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Das Hotelzimmer war schlicht, aber stilvoll eingerichtet. Aufgrund der hellen Cremefarbe, in der die Wände gestrichen waren, wirkte es etwas weniger klein, als es tatsächlich war. Doch trotzdem bemerkte man die geringe Größe des Zimmers, wenn man sich zwischen dem Doppelbett mit den aufgewühlten, weißen Laken und dem Schrank in hellem Holz – passend zu den beleuchteten Holzleisten an den Wänden – durchquetschen musste und sich dabei das Knie entweder an der Bettkante oder an der geöffneten Schwingtür des leeren Schranks stieß. Bilder oder andere Dekorationen gab es nicht, aber für den Zweck, für das dieses Zimmer gebucht worden war, brauchte man so etwas wohl nicht.

Für eine romantische Nacht zu zweit war es vermutlich nur wichtig, dass das Bett groß genug und die Wände nicht zu dünn waren. Zumindest nahm ich an, dass dieses Hotelzimmer für diesen Zweck gebucht worden war. Dafür sprachen das zerwühlte Bett, das Fehlen von Gepäck, die nachlässig auf den Boden geworfene Abendgarderobe und die blasse Frau, deren Bademantel nur dürftig verbarg, dass sie darunter kaum bis gar nichts anhatte und an der ich gerade eben vorbeigelaufen war.

Blieb nur die Frage, wo ihr... Begleiter steckte. Da das Zimmer so klein war, war es nicht sonderlich schwer, den Mann zu finden. Er lag im an das Zimmer angrenzenden, ebenfalls eher engen Badezimmer auf den weißen Fliesen. Regungslos. Tot – wenn das die Leiche war, die Florian am Telefon angekündigt hatte, was ich für wahrscheinlich hielt, in Anbetracht der Tatsache, dass sich unsere Pathologin gerade über ihn beugte.

„Morgen", meinte ich, während ich näher herantrat.

„Guten Morgen", erwiderte sie nach einem kurzen Blick über die Schulter. Dann runzelte sie die Stirn. „Alles okay?"

Ich konnte nicht antworten. Aber wahrscheinlich war das schon Antwort genug.

Denn Nein, es war nicht alles okay. Ich kannte diesen Mann. Aus der Zeit, als ich noch in Uniform unterwegs gewesen war, daher kannte ich ihn, daher kannte ich dieses Gesicht, das schon so kalt gewesen war, als er noch gelebt hatte. Diese Nase, die aus einem mir nur allzu bekannten Grund so aussah, als wäre sie schon einmal gebrochen worden. Und zwar zurecht. Dieses Arschloch hatte seine Frau nicht nur mehrfach mit anderen Frauen betrogen, sondern auch die Hand gegen sie erhoben, wenn sie doch mal den Mut aufgebracht hatte, ihn wegen seiner Affären und seinem unmöglichen Verhalten zur Rede zu stellen. Zu allem Überfluss hatte er die Dreistigkeit besessen, mir ins Gesicht zu sagen, dass doch nichts passiert sei, während seine Frau zitternd hinter ihm stand, mit einem deutlich sichtbaren blauen Auge in ihrem bleichen Gesicht.

Nachdem ich gemerkt hatte, dass weder Worte noch meine Faust diesem Mann irgendeinen Sinn von Anstand beibringen konnten, hatte ich versucht, die Frau davon zu überzeugen, Anzeige zu erstatten, doch ich war gescheitert. Sie war zu eingeschüchtert gewesen und hatte das Gefühl gehabt, das würde doch ohnehin nichts bringen. Schließlich hatte sie mich, um nicht weiter mit dem Thema konfrontiert zu werden, rausgeworfen und die paar Male, die ich danach noch versucht hatte, Kontakt aufzunehmen, hatte sie nicht mehr reagiert. Dass sie noch gelebt hatte, das hatte ich in Erfahrung bringen können, und auch dass sie ihren Mann zumindest nicht in den ersten drei Monaten nach meiner Ermittlung verlassen hatte.

Für den Fall, dass sie jetzt noch immer mit ihm zusammen war – nun, jetzt hatte er wohl sie verlassen. Auf eher unfreiwillige Weise. Allerdings... Ich runzelte die Stirn. Nirgendwo hier war Blut zu sehen und es gab auch kein Einschussloch.

„Ah, wie ich sehe, hast du den Toten gefunden." Nun, da Florian hinter mich trat, wurde es in dem schmalen Zugang zum Bad langsam eng. Er hatte seinen Notizblock gezückt und sah mich fragend an. „Ich habe gerade mit der Geliebten geredet. Kleines Update gefällig?"

Auf mein Nicken hin fasste er seine Erkenntnisse aus dem Gespräch für mich zusammen: „Also. Sie hatte eine Affäre mit dem verheirateten Opfer und hat sich gestern um halb acht mit ihm zum Abendessen getroffen. Gegen zehn Uhr sind sie hierher ins Hotel, um ein bisschen Spaß zu haben. Tja, daraus wurde aber irgendwie nicht so richtig was, weil ihm schwindlig und übel war, also haben sie früh entschieden, einfach schlafen zu gehen. Er ist dann irgendwann, schätzungsweise kurz vor Mitternacht, ins Bad gegangen und hat gekotzt, was sie nicht sonderlich beunruhigt hat – sie hat angenommen, dass er sich davor beim Alkohol einfach ein bisschen überschätzt hat. Also ist sie wieder eingeschlafen und vor einer knappen Stunde im leeren Bett aufgewacht, hat sich gewundert, dass er nicht da ist, und ist ins Bad. Na ja, und da hat sie dann die Leiche gefunden."

Spiel mit dem MörderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt