Kapitel 26

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„Alena." Wenn Florian meinen Vornamen benutzte, dann hatte er etwas zu sagen, das er für wichtig erachtete. Also hielt ich inne und sah ihn an, um ihm zu zeigen, dass ich mir anhören würde, was er zu sagen hatte. Mein Kollege seufzte schwer. „Ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob die Idee, die Bewohner an den gefährdeten Stellen durchzugehen, wirklich sinnvoll ist. Ich meine, wir sind schon mit der Hälfte durch und haben noch niemanden gefunden, mit dem du jemals zu tun hattest." Offensichtlich war von seinem anfänglichen Optimismus inzwischen nicht mehr ganz so viel übrig. Was irgendwie auch verständlich war – stundenlange ergebnislose Arbeit wirkte sich tatsächlich ziemlich frustrierend aus.

Es war ja nicht so, dass wir einfach eine vorgefertigte Liste in der Weise durchgehen konnten, dass ich jeden Namen las, kurz darüber nachdachte, ob ich die Person kannte und ob ich eine negative Erinnerung mit ihr verband, und dann mit dem nächsten Namen auf der Liste weiter machte. So eine Liste hatten wir nicht, die hatten wir uns erst zusammenschreiben müssen. Und da ich eine mögliche Identifizierung eines potentiellen Opfers nicht daran scheitern lassen wollte, dass ich nur den Namen nicht kannte, entweder weil ich ihn nie erfahren hatte, weil ich mich nicht mehr daran erinnerte oder weil der Nachname sich durch eine Heirat oder Scheidung geändert hatte, hatten wir zu jedem Namen auch nach einem Foto gesucht. Das war zwar mit der Hilfe des Internets kein Ding der Unmöglichkeit gewesen, aber Zeit in Anspruch genommen hatte es doch. Zeit, die an unserer beider Zuversicht gekratzt hatte.

Trotzdem, auch wenn ich am Anfang weniger optimistisch gewesen war als mein Kollege, weigerte ich mich jetzt schlichtweg, diesen Ansatz als nicht sinnvoll einzustufen. Denn es war wenigstens etwas, irgendetwas, das mir ein bisschen das Gefühl gab, etwas tun zu können und Dinge im Griff zu haben. Also hielt ich mich daran fest. Außerdem: „Wir haben jetzt schon so viel Zeit darauf verwendet, alle Personen zusammenzukriegen. Also bringen wir das jetzt auch zu Ende."

Florian wirkte immer noch skeptisch. „So klein, dass du irgendjemanden, der am Marktplatz wohnt, kennen musst, ist Freudenstadt jetzt auch nicht. Das weißt du doch, oder?" Da hatte er zwar Recht und die Tatsache, dass wir die Hälfte der Anwohner, die von mir zusammengesucht worden war, bereits ergebnislos durchgegangen waren, sprach auch für ihn.

Aber: „So groß, dass nicht eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, dass ich mindestens eine Person kenne, die in der Nähe des Marktplatzes wohnt, ist unsere Stadt allerdings auch nicht", hielt ich dagegen und damit, und mit Florians kapitulierendem, erneutem Seufzen, war die Diskussion beendet. „Also, wen hast du auf deiner Liste?"

Florian warf einen Blick auf den Zettel vor sich. „Moritz..." Er zögerte, legte die Stirn in Falten. „Ich weiß nicht, was das sonst sein soll, deswegen schätze ich einfach mal, dass das Französisch ist, also wird es wahrscheinlich Durand ausgesprochen. Der Typ heißt Moritz Durand."

Da der Name mir nichts sagte, warf ich einen Blick auf das zugehörige Foto, das Florian irgendwo im Internet aufgetrieben hatte. Ich runzelte die Stirn. Dieses Gesicht kannte ich doch. Es war jetzt ein bisschen härter mit stärker ausgeprägten Kanten, aber die grobe Form kam mir bekannt vor. Und auch das grünliche Grau dieser Augen war mir vertraut. Ich konnte mich noch gut daran erinnern, wie diese Augen vor Schreck groß geworden waren, als er begriffen hatte, dass ich bei unserer Prügelei die Oberhand gewonnen hatte.

„Den kenne ich", sagte ich.

Florian, der schon resigniert den Mund geöffnet hatte, um den nächsten Namen vorzulesen, hielt überrascht inne und schaute von der Liste auf. „Das sagst du jetzt aber nicht nur, um mir zu zeigen, dass es richtig ist, diese Sache nicht abzubrechen, oder?"

Ich schüttelte den Kopf. „Nein, ich kenne den wirklich. War mit ihm auf dem Gymnasium. Anscheinend hat er mittlerweile geheiratet und deshalb einen neuen Nachnamen."

Spiel mit dem MörderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt