„Kann ich mich darauf verlassen, dass du hier wartest und keinen Alleingang startest?"
Nach dieser Frage und einem knappen Nicken meinerseits war Florian aus meinem nun näher an der Polizeiwache geparkten Wagen gestiegen und im Inneren der Wache verschwunden, um die Sache kurz mit unserem Chef abzusprechen. Ich hatte ihm gesagt, dass ich es nicht für nötig hielt, Lehmann nach seiner Meinung zu fragen, da ich dieser Spur so oder so nachgehen würde, unabhängig davon, was er dazu zu sagen hatte, doch Florian hatte es für sinnvoll erachtet, unseren Vorgesetzten wenigstens über unsere Pläne in Kenntnis zu setzen, einfach nur, um nicht im Nachhinein noch in Schwierigkeiten zu geraten.
Ich seufzte schwer. War ich denn nicht sowieso schon in Schwierigkeiten? Schließlich suchten wir nach einem Mörder, der Leute umbrachte, die mir irgendetwas getan hatten. Im Geiste konnte ich Lehmann doch schon sagen hören, dass er keine andere Wahl hatte als mich wegen Befangenheit von diesem Fall abzuziehen. Meine einzige Hoffnung war, dass er damit wenigstens noch warten würde, bis der erste Druck von oben kam, aber ich machte mir keine Illusion darüber, dass es irgendwann zwangsläufig zu diesem Gespräch im Büro meines Vorgesetzten kommen musste.
Er würde mich von diesem Fall abziehen, hoffentlich noch nicht sofort, aber er würde es tun, wenn das hier so weiter ging.
Allerdings: Wäre es nicht vielleicht sogar besser, wenn er mich abzog? Immerhin war mir selbst klar, dass ich nicht ganz objektiv war. Ich war zwar ein Mensch, der in solchen Situationen rational genug dachte, um zu halbwegs vernünftigen Schlussfolgerungen zu gelangen, und ich fand auch nicht, dass mein Verdacht gegen de Luca aus der Luft gegriffen war, aber diese ganze Sache machte mich fertig. Natürlich würde sie mir auch zu schaffen machen, wenn ich nicht an der Ermittlung beteiligt wäre, aber dann wäre wenigstens dieser Druck, dass ich mich zusammenreißen und den Täter schnappen musste, nicht da.
Andererseits könnte ich diesen Fall niemals mit einem guten Gefühl aus den Händen geben. Nein, die Morde waren meine Schuld, also war das Aufspüren und Festnehmen des Täters auch meine Verantwortung. Solange Lehmann mich ließ, würde ich in diesem Fall ermitteln. Egal, was das mit mir machte.
Ich warf einen Blick auf die Zeitanzeige meines Autos. Wie lange wollte Florian denn noch auf sich warten lassen? Oder anders gefragt: Wie lange würde ich noch auf ihn warten? Ewig auf jeden Fall nicht. Außer meiner losen Zustimmung dazu, nicht ohne ihn zu fahren, gab es nichts, was mich davon abhalten könnte, doch schon mal ohne ihn zu de Luca zu fahren und den Mistkerl zur Rede zu stellen. Vielleicht sollte ich es einfach tun. Vielleicht sollte ich einfach den Schlüssel noch ein Stück weiter drehen und den Motor damit starten, Gas geben und davonfahren, bevor Florian wieder da war, bevor es ganz mies lief und Lehmann mich jetzt sofort vom Fall abzog, vielleicht...
Sanft gezupfte Gitarrensaiten ließen mich innehalten. Ein Anruf. Ich nahm meine plötzlich wieder zittrigen Finger vom Autoschlüssel und zog mein Handy aus der Hosentasche. Eine unterdrückte Nummer. Ich schluckte.
Das war er. Das war der Mörder.
Ich nahm ab, diesmal ohne meinen Namen zu nennen, denn der Mörder wusste genau, wenn er gerade anrief. Stattdessen fragte ich: „De Luca?"
Die gleiche verzerrte Stimme wie gestern antwortete: „Wer soll das sein?" Ja, männlich war sie, da war ich mir sicher – aber ob es auch de Lucas Stimme war? Ich war mir nicht sicher. Ich wollte, dass es so war, ich wollte wissen, mit wem ich es zu tun hatte, aber offenbar wollte mein Gesprächspartner das nicht.
Egal. „De Luca, spielen Sie keine Spielchen mit mir." Vielleicht gab er noch nach, wenn ich nicht einknickte, vielleicht gab er sich doch noch zu erkennen, sobald er merkte, dass ich mich nicht von seinen Selbstverleumdungen täuschen lassen würde.
![](https://img.wattpad.com/cover/269176603-288-k516467.jpg)
DU LIEST GERADE
Spiel mit dem Mörder
Mystery / ThrillerDas Stadtzentrum Freudenstadts - ein Spielfeld. Ein Strauß weißer Rosen - ein weißer Spielstein. Eine Leiche - ein schwarzer Spielstein. „Lass uns spielen, Alena." Für die Kriminalpolizistin Alena Weiler sind Morde kein Spiel. Doch sie begreift schn...