Kapitel 45

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Mein Kopf tat weh. An einer anderen Stelle als zuvor. Das hier kam nicht von der Kollision mit der Tischplatte, dieser Schmerz strahlte von meinem Hinterkopf aus. Von der Stelle, an der mich der Schlag getroffen hatte, der mich ausgeknockt hatte. Der Schlag des Mörders. Der mir in dieser Straße aufgelauert hatte. Nachdem er Florian ermordet hatte.

Ich riss die Augen auf, wollte sehen, wo ich war. Ohne großen Erfolg, denn es blieb dunkel. Jetzt, wo der Schmerz in meinem Kopf allmählich abflaute, spürte ich auch, warum. Meine Augen waren verbunden, so wie es sich anfühlte mit einem Stück Stoff. Unwillkürlich wollte ich nach der Augenbinde greifen und sie wegreißen. Doch auch das funktionierte nicht. Denn meine Hände waren hinter meinem Rücken gefesselt. Dem kühlen Metall nach zu schließen, das ich an meinen Handgelenken spürte, waren es Handschellen.

Okay. Ich versuchte, ruhiger zu atmen und mich zu sammeln. Die Situation zu begreifen. Ich saß irgendwo, in Handschellen und mit verbundenen Augen. Irgendwo. Vielleicht schaffte ich es noch, das ein bisschen zu präzisieren.

Ich runzelte die Stirn und lauschte. Motorengeräusche. Außerdem sprach auch das leichte Ruckeln dafür, dass ich in einem Auto saß. Und das, was ich hinter und unter mir ertasten konnte, fühlte sich auch an wie ein Autositz. Dazu passte auch der Gurt, den ich spürte, als ich mich bewegte. Der Gurt, der auf meiner rechten Schulter auflag, was bedeutete, dass auf dieser Seite... Ja, da war eine Autotür. Und zu meiner anderen Seite – kein Schalthebel, ich befand mich also auf dem Rücksitz.

Und es war nicht schwer, zu erraten, wer auf dem Fahrersitz saß.

Die Bestätigung durch seine Stimme brauchte ich eigentlich gar nicht mehr: „Du bist wach. Sehr schön." Nein. Nichts an dieser Situation war sehr schön. An der Tatsache, dass es Arian war, der das Auto fuhr. Der mich gekidnappt hatte. Und der sieben Menschen ermordet hatte.

Florian hatte Recht gehabt. Es war Arian gewesen. Ich hätte auf ihn hören sollen. Verdammt, ich hätte viel früher auf ihn hören und reagieren sollen, irgendetwas tun sollen, dann... Dann wäre er jetzt vielleicht noch am Leben. Aber das hatte ich nicht getan und deshalb war er jetzt tot. Und ich saß hier. Von Arian entführt. Von jemandem, dem ich so sehr vertraut hatte, nein, zu sehr. Ich hatte die Augen verschlossen vor all den Hinweisen, die in seine Richtung wiesen, vor all den Tätermerkmalen, die er erfüllte. Verflucht, wie hatte ich nur so dumm sein können?

Aber das war nicht die wichtigste Frage. „Wieso?" Das war es, was ich nicht verstand, was ich einfach immer noch nicht begreifen konnte. „Wieso hast du das alles getan?"

„Das habe ich dir doch schon gesagt."

Ich bin verliebt. Das hatte er mir in dem ersten Telefonat gesagt, um sein Tun zu erklären. Und auch da schon hatte mir das nicht gereicht. „Das ist doch keine Erklärung!" Selbst wenn das stimmte, wäre das keine akzeptable Erklärung dafür, dass er sieben Menschen ermordet hatte. Und außerdem: „Ich, ich wusste nicht mal, dass du... Wieso hast du es mir nicht einfach gesagt?" Es hatte doch genügend Gelegenheiten gegeben. Er hatte meine Nummer, wir kannten uns, waren bereits Freunde, es wäre also kein Problem gewesen, ein Treffen zu vereinbaren, wo er mir seine Gefühle wie ein normaler Mensch hätte gestehen können anstatt durchzudrehen und mordend durch die Stadt zu ziehen. Wir hatten uns doch sogar getroffen, in dieser Bar – das war zwar nach den ersten Morden gewesen, aber trotzdem, er hätte es mir doch irgendwann sagen können. Wieso hatte er nicht einfach mit mir geredet?

„Weil dann das Gleiche passiert wäre wie beim letzten Mal."

Ich runzelte verwirrt die Stirn. „Beim letzten Mal?"

„Als du mir einen Korb gegeben hast", erwiderte er. „Weißt du das überhaupt noch? In der elften Klasse, als..."

„Ist das dein Scheiß Ernst?" In der elften Klasse. Natürlich konnte ich mich noch daran erinnern, an diese kurze Phase in der Schule, in der er plötzlich Interesse an mir gezeigt hatte. Und: „Natürlich habe ich dich damals abserviert – nachdem du jahrelang hinter meiner besten Freundin her warst!" Er hatte doch immer nur Augen für Isabela gehabt, verständlicherweise und wie die meisten anderen eben. Und als er gemerkt hatte, dass sie nicht interessiert war, hatte er sich wohl gedacht, dass er es bei mir probieren könnte, weil ich vielleicht verzweifelt genug wäre, damit zufrieden zu sein, ein bloßer Trostpreis zu sein.

Spiel mit dem MörderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt