Kapitel 14

40 3 0
                                    

„Das kann doch jetzt nicht sein!"

Florian hob beschwichtigend die Hände. „Ganz ruhig", meinte er, doch auch ihm war anzusehen, mit wie viel Mühe er seinen letzten Rest Optimismus zusammenkratzen musste, um seine nächsten Worte halbwegs überzeugend herauszubringen: „Vielleicht finden wir ja doch noch was." Er zuckte mit den Schultern und schnitt ein naiv-zuversichtliches Kann-ja-sein-Gesicht.

Nicht sonderlich überzeugend. Eigentlich eher überhaupt nicht.

„Florian, wir haben jetzt die ganze Wohnung samt angemietetem Keller durchsucht!" Und absolut nichts gefunden. Na ja, außer vielleicht einem besorgniserregend großen Vorrat an leeren Energydrink-Dosen, einem Haufen Klamotten, die irgendwo herum lagen, bloß nicht im Kleiderschrank, der stattdessen zu einem Drittel mit Stofftieren ausgefüllt war, und einer Packung Zigaretten samt Feuerzeug in jedem Zimmer, jeweils auf der Fensterbank – die Zigarettenstationen schienen das Einzige zu sein, was in dieser Wohnung irgendeiner Art von Ordnung unterlag. Das alles hatten wir gefunden. Was wir aber nicht gefunden hatten, waren weiße Rosen, ein Stadtplan mit Mühlefeld und Fotos von den bisherigen Opfern oder von potentiellen weiteren Opfern – solange er nicht seine Geschwister oder Playboy-Models im Visier hatte. „Hier ist nichts."

„Das heißt noch nicht, dass wir uns hier verrannt haben, Alena." Als ich Florian überrascht anschaute, schüttelte er nur leicht den Kopf. Natürlich. Natürlich sollte ich nicht überrascht sein, dass er verstanden hatte, warum ich mich so aufregte. Ich machte diesen Job lange genug, um zu wissen, dass nicht alle Hausdurchsuchungen zum gewünschten Ergebnis führten, das war nichts Neues und das war an sich auch nicht das Problem. Das Problem war, dass ich Angst hatte, die Falsche für diesen Fall zu sein. Was, wenn ich so befangen und subjektiv war, dass ich mich ohne Sinn und Verstand auf den erstbesten Verdächtigen gestürzt hatte, was wenn dieser Verdacht vollkommen unbegründet war und ich mir diese Wahrheit nur erfolgreich genug selbst ausredete, um mir meine eigene Unfähigkeit, diesen Fall zu lösen, nicht einzugestehen? Was, wenn es ein Fehler war, dass ich immer noch mit ermittelte, ganz egal, was der Mörder uns angedroht hatte?

Vielleicht hätte Florian sich vorhin doch nicht für mich einsetzen sollen. Vielleicht hätten wir doch entscheiden sollen, das Risiko einzugehen und mich vom Fall abzuziehen. Vielleicht konnte ich doch nicht so objektiv, so professionell, so gut in meinem Job sein, wie ich dachte.

„Vielleicht versteckt er die Sachen woanders." Florians immer noch nicht signifikant überzeugender gewordenen Worte der Zuversicht rissen mich für einen kurzen Moment aus meiner Gedankenspirale. Doch sofort waren da wieder die Zweifel, sofort war da wieder dieser Gedanke: Oder er versteckt sie gar nicht, weil er nichts mit der Sache zu tun hat und ich mich bloß auf einen einfachen Verdächtigen gestürzt habe.

Trotzdem gab ich ein gemurmeltes und noch weniger zuversichtliches „Vielleicht" zurück.

Selbstverständlich merkte mein Kollege, dass er mich nicht überzeugt hatte, aber nun gab er seinen gespielten Optimismus doch auf und seufzte. „Unabhängig davon, ob wir hier noch was finden oder nicht: Du solltest langsam mal los."

„Hm?" Ich runzelte die Stirn. „Wieso?"

„Schon nach halb zwölf", meinte Florian mit einem Blick auf den Wecker auf dem Stuhl neben de Lucas Bett. „Du musst doch noch..."

„Der Zug!" Der nächste Spielzug! Wie hatte ich den vergessen können?

Fluchend hastete ich an Florian vorbei zur Tür, stieß mit einem anderen Kollegen zusammen, der uns bei der Durchsuchung geholfen hatte, und erschreckte eine neugierige Nachbarin fast zu Tode, als ich sie im Treppenhaus beinahe über den Haufen rannte. Etwas aus der Puste geraten, weil die Wohnung im vierten Stock lag und der Aufzug defekt war, ließ ich mich schließlich auf den Fahrersitz meines Wagens fallen. Und zwang mich, sobald ich die Zeitanzeige überprüft und gesehen hatte, dass ich rational betrachtet noch genug Zeit hatte, um mich nicht zu sehr zu stressen, erst einmal dazu, kurz durchzuatmen, denn mit diesem Stresslevel sollte ich als verantwortungsvolle Person eigentlich besser nicht Auto fahren.

Spiel mit dem MörderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt