Kapitel 29

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„Hey! Was..." Ich blieb stehen, senkte meine Dienstwaffe aber noch nicht. So schnell begriff mein Gehirn nämlich noch nicht ganz, was ich da sah, wer der Mann in meiner Küche war. „Arian?" Er drehte den Kopf zu mir herum, wobei sein dunkelblondes Haar ihm ins Gesicht fiel. Obwohl er die Schusswaffe in meiner Hand bemerkte, blieb er erstaunlich ruhig, war jedoch vorsichtig genug, um die Hand, die er gehoben hatte, um sich das Haar aus dem Gesicht zu streichen, oben zu behalten – und mir damit zu zeigen, dass er keine Waffe hatte und dass er mir nicht gefährlich werden würde. Zumindest nicht mit der rechten Hand. Aber auch in der linken hielt er lediglich einen hölzernen Pfannenwender. Mit dem er... Rührei zubereitete? In meiner Küche? „Was tust du da?"

Arian lächelte mich an. „Guten Morgen, Alena", meinte er. Sein Blick wanderte kurz zu der Pfanne mit dem Rührei, dann wieder zurück zu der Pistole in meiner Hand. Sein Räuspern rief mir in Erinnerung, dass ich immer noch eine geladene und bereits entsicherte Waffe auf ihn gerichtet hielt. Auf einen alten Freund aus der Schule – nicht auf den Einbrecher, den ich hier erwartet hatte, als ich, von den Geräuschen in der Küche geweckt, die Pistole von meinem Nachttisch genommen hatte und mich, noch im Schlafanzug, in die Küche geschlichen hatte.

Schnell nahm ich die Waffe herunter und sicherte sie. „Ich..." Auch wenn ich ihn kannte, auch wenn das vor mir doch kein fremder Einbrecher war, sondern ein Freund, erklärte das immer noch nicht, was Arian hier tat. Warum er auf meinem Herd Rührei zubereitete, ganz so, als wäre es das Normalste auf der Welt. Wie zum Teufel er überhaupt in meine Wohnung gekommen war. „Wieso..."

Arian, der mittlerweile die Hand wieder heruntergenommen hatte, wartete kurz, um mir Zeit zu geben, meine Frage zu beenden. Als er merkte, dass ich gar nicht wusste, wie genau ich die Frage zu Ende bringen wollte, fragte er seinerseits: „Kurze Zusammenfassung von gestern Abend gefällig?" Gestern Abend. Da war ich nach der Arbeit noch in einer Bar gewesen. In der ich ihn getroffen hatte, richtig, jetzt erinnerte ich mich wieder daran. An den restlichen Verlauf des Abends, vor allem daran, wie genau ich nach Hause gekommen war, hatte ich allerdings nur vereinzelte Erinnerungsfetzen, aus denen auch nicht mehr wurde, als ich mich anstrengte und fieberhaft versuchte, mich zu erinnern.

Also nickte ich auf seine Frage hin und Arian erklärte mir, was passiert war: „Wir haben uns in der Bar getroffen. Da hast du so viel getrunken, dass wir uns darauf geeignet haben, dass es besser ist, wenn ich dich heimfahre. Weil wir deinen Wagen genommen haben und du mich nicht nachts nach Hause laufen lassen wolltest, hast du darauf bestanden, dass ich auf deinem Sofa übernachte. Kannst du dich noch daran erinnern?"

Nein. Nein, daran, an den letzten Teil vor allem, nicht mehr. An den davor, an den Teil in der Bar, wo wir uns unterhalten hatten, daran konnte ich mich noch erinnern. Relativ kurz hatten wir darüber gesprochen, was wir in den letzten Jahren jeweils so getrieben hatten. Er hatte ein bisschen was von seinen dreizehn Jahren bei der Bundeswehr erzählt, das Informatikstudium, das er dort absolviert hatte, eher beiläufig erwähnt und dann bald gemeint, über sein Leben gäbe es nicht viel Spannendes zu erzählen. Also hatte ich auch ein bisschen was über meinen Werdegang bei der Polizei erzählt, aber da waren wir viel zu schnell bei der Gegenwart und dem aktuellen Fall angelangt, sodass ich das Thema Lebensupdate schließlich ganz fallen gelassen hatte – zugunsten von Themen, die uns beiden leichter fielen, wie alten Erinnerungen und Anekdoten aus unserer gemeinsamen Schulzeit. Doch ab diesem Teil unserer Unterhaltung verschwamm meine Erinnerung an den Abend, ab da waren nur noch kaum zusammenhängende Erinnerungsbruchstücke übrig. An einen von einer kräftigen Hand an meinem Arm verhinderten Beinah-Sturz von dem Barhocker, auf dem ich gesessen hatte. An Arian, der den Schlüsselanhänger kommentierte, den Isabela mir geschenkt hatte.

Doch die Tatsache, dass ich mich kaum an den Heimweg erinnern konnte, und der dumpfe Schmerz in meinem Kopf, den das Grübeln in Verbindung mit dem Kater gerade verursachte, sprachen für die Plausibilität von Arians Schilderungen. Wenn mir jetzt so der Schädel brummte, dann war ich gestern wahrscheinlich wirklich zu betrunken gewesen, um noch selbst heim zu fahren. Und dann war es auch logisch, dass Arian, der meiner Erinnerung nach nur ein Bier getrunken hatte und danach zu Leitungswasser übergegangen war, mich nach Hause gefahren hatte. Auch dass ich stur genug gewesen war, darauf zu bestehen, dass er sich nicht mitten in der Nacht zu Fuß auf den Heimweg machte, hielt ich nicht gerade für unwahrscheinlich.

Spiel mit dem MörderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt