Kapitel 11

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„Alena Weiler."

Die lässig nur bis zum vorletzten Knopf zugeknöpften weißen Hemden und die dunklen Hosen aus legerem Jeansstoff, in denen er mir bisher immer begegnet war, waren durch ein lockeres T-Shirt und eine Jogginghose ersetzt worden. Das Wachs war aus seinen Haaren verschwunden und die Haare selbst waren etwas länger geworden, aber nicht so lang, dass man meinen könnte, er ließe sich gehen. Tatsächlich wirkte er seltsamerweise jünger als ich ihn in Erinnerung hatte – jünger, gelassener und mit weniger ausgeprägten Augenringen.

Was vielleicht daran lag, dass es nicht mehr erst einige Tage her war, dass er seine Familie und seinen Geschäftspartner ermordet hatte.

Das würde auch erklären, warum sein damals schon wesentlich zu charmantes Lächeln nun wärmer war als vor zwei Jahren, wenn ich mich nicht täuschte. „Schön, Sie wieder zu sehen."

Nein, das war ganz und gar nicht schön. Gott, ich hatte schon jetzt, nach den zehn Sekunden in seiner Gegenwart, genug von diesem Lächeln und seinem viel zu gefassten Auftreten. „Setzen Sie sich", sagte ich daher kurz angebunden und wies auf einen Stuhl im Besucherzimmer. Dann wartete ich, bis er sich gesetzt hatte, bevor ich mich selbst auf dem Stuhl ihm gegenüber niederließ. Auf keinen Fall würde ich zulassen, ihm gegenüber in einer nachteiligen Position zu sein. Die Narbe über meinem rechten Rippenbogen von einem Streifschuss aus seiner Waffe reichte mir als Lektion, dass ich nicht vergessen durfte, dass er gefährlich war. Natürlich hatte er im Moment keine Waffe und außerdem stünde es drei gegen eins mit dem Vollzugsbeamten in der Ecke, Florian und mir gegen ihn, aber dennoch würde ich bei ihm keine Risiken eingehen. Nicht noch einmal.

De Luca bemerkte, dass meine Hand unwillkürlich in Richtung der Stelle gezuckt war, an der er mich getroffen hatte. Er hob in einer sicher über Jahre perfektionierten Geste die linke Augenbraue. „Wirklich?", fragte er. „Nehmen Sie mir das wirklich immer noch übel?"

Ich sah ihn finster an. „Dieser Schuss hat mich ins Krankenhaus gebracht." Das war doch Antwort genug, oder?

„Ich war in einer Stresssituation, das wissen Sie", gab de Luca zurück. „Außerdem habe ich mich doch dafür entschuldigt." Okay, das konnte ich nicht leugnen, er hatte sich für den Schuss wirklich entschuldigt und ich hatte ihm die Reue auch abgenommen. Trotzdem machte die Entschuldigung weder die Verletzung noch seine sonstigen Taten, die er im Übrigen hauptsächlich nicht bereute, ungeschehen, weshalb sich mein Verständnis eher in Grenzen hielt.

Daher schaute ich ihn nur unbewegt an und ging nicht auf seine Rechtfertigungen ein. „Wir sind nicht wegen irgendwelcher alten Geschichten hier."

De Luca verschränkte die Arme vor der Brust und lächelte wieder. „Sind Sie also hierher gekommen, weil Sie mich so unfassbar vermisst haben, ist es das?", fragte er amüsiert. „Aber warum haben Sie dann den da mitgebracht?" Sein Blick wurde abfällig, als er auf Florian fiel, der sich gerade einen Stuhl herangezogen hatte und sich nun neben mich setzte. De Luca schüttelte missbilligend den Kopf und konzentrierte sich wieder auf mich. „Wenn wir nur zu zweit wären, könnten wir doch viel mehr Spaß haben."

„Ach ja?", fragte Florian gefährlich leise – auch er war angespannt und schien bereit, jederzeit aufzuspringen und sich auf de Luca zu stürzen, sollte dieser auch nur irgendeine falsche Bewegung machen. „An was für eine Art von Spaß denken Sie denn da?"

De Luca runzelte leicht die Stirn, ganz so, als ob er genau wie ich merkte, dass das nicht bloß eine Frage war, die irgendwelcher Eifersucht Ausdruck verleihen sollte, sondern eine Frage, die an ein bestimmtes Ziel führen sollte. Die Konfrontation mit unserem Verdacht, das war wahrscheinlich das Gesprächsziel meines Kollegen. Das wusste de Luca nicht, doch er war klug genug, um zu wittern, dass etwas im Busch war. „An was für eine Art von Spaß denkt er, wenn er mir diese Frage stellt?", fragte er nach kurzer Überlegung, in der er nicht einen Moment lang die Augen von mir gelassen hatte, mich.

Spiel mit dem MörderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt