Kapitel 30

47 4 0
                                    

„Wer hat mit der Presse geredet?"

Ich verzichtete auf Grußworte, ebenso wie auf eine Entschuldigung oder eine Erklärung dafür, dass ich so spät ins Büro stürmte. Meine Verspätung war jetzt sicher nicht unser Hauptproblem. Nein, unser Hauptproblem war, dass irgendjemand der Presse gesteckt hatte, dass der Mörder tötete, weil er in mich verliebt war – die Fragen der Journalisten ließen keinen Zweifel daran, dass irgendjemand sie informiert hatte.

Und wahrscheinlich war das einer der Männer gewesen, die gerade in dem Büro, das ich mir mit Florian teilte, zusammenstanden und überrascht aufsahen, als ich den Raum betrat. Denn sonst wusste, mit Ausnahme von Nicholas Engel und Arian, niemand von diesem Detail. Und Engel schloss ich aus, weil es zum einen unwahrscheinlich war, dass jemand von der Presse auf die Idee gekommen war, ihn nach Ermittlungsdetails zu fragen, und weil ich es zum anderen für unwahrscheinlich hielt, dass er von sich aus einen Journalisten aufsuchen und ihm erzählen würde, was ich ihm gesagt hatte. Und Arian hatte sicher nicht mitten in der Nacht noch einen Journalisten über das informiert, was ich ihm erzählt hatte – dazu vertraute ich ihm erstens zu sehr, zweitens wüsste ich nicht, warum er das tun sollte, und drittens hatte er sich vorhin im Auto, als ich ihn nun doch noch zur Bar gefahren hatte, damit er dort sein Motorrad abholen konnte, glaubhaft über die Journalisten, die vor dem Haus auf uns gewartet hatten, aufgeregt.

Also musste einer der Anwesenden das Leck sein. Entweder Florian oder der Staatsanwalt. Bei beiden wollte ich nicht glauben, dass sie sich nicht an unsere Vereinbarung hielten, dass sie mich auf diese Weise hintergingen. Doch anders, als dass einer von ihnen geredet hatte, konnte ich mir nicht erklären, wie die Journalisten das Motiv des Mörders erfahren hatten.

Florian runzelte die Stirn. „Alena..." Er klang besorgt – verständlich, denn es war nicht meine Art, zu spät zur Arbeit zu kommen, noch dazu mit ungekämmten Haaren, die ich nur schnell in einen halbwegs passablen Pferdeschwanz gezerrt hatte, mit dunklen Ringen unter den Augen, die abzudecken ich mir heute keine Zeit genommen hatte, und ohne ein mehr oder weniger motiviertes, aber jedenfalls höfliches „Guten Morgen". Er kannte mich gut genug, um sich Sorgen um mich zu machen.

Aber kannte ich ihn auch gut genug, um mir sicher zu sein, dass er nicht hinter meinem Rücken mit der Presse geredet hatte? Nein, sicher konnte ich mir nicht sein. Also ignorierte ich seine Besorgnis und fragte bloß ein zweites Mal: „Wer hat mit der Presse geredet?"

Nun schaltete sich auch Pfeffer ein: „Frau Weiler." Warum war er überhaupt hier in unserem Büro? Nun, vielleicht hatte Florian neue Erkenntnisse und darüber hatten sie sich gerade eben noch ausgetauscht. Oder die Anwesenheit des Staatsanwalts hatte etwas mit dem mir unbekannten Mann zu tun, der neben Pfeffer stand und irritiert zwischen uns hin und her schaute. „Was..."

Ungeduldig fiel ich dem Staatsanwalt ins Wort: „Irgendjemand hat der Presse gesagt, dass der Mörder in mich verliebt ist und deshalb tötet." Florians Stirnrunzeln vertiefte sich und auch Pfeffer legte die Stirn in Falten, öffnete den Mund, um etwas zu sagen. Wahrscheinlich wollte er anmerken, dass das nicht sein konnte, und nachhaken, ob ich mir da auch sicher war. Dieser Frage kam ich schnell zuvor: „Und ja, ich bin mir da sicher – die Fragen von den Journalisten, die gerade eben mein Haus belagert haben, waren ziemlich eindeutig. Sie müssen das Motiv des Mörders irgendwoher kennen." Ich verschränkte die Arme vor der Brust und schaute erst den Staatsanwalt, dann meinen Kollegen misstrauisch an. „Und mir fallen nur zwei Personen ein, die es ihnen gesagt haben könnten."

Pfeffer schien ein wenig ungehalten über meinen Argwohn ihm gegenüber zu sein, aber er blieb, wie es seine Art war, trotzdem ruhig und sachlich: „Wir haben vereinbart, dass wir der Presse nichts über das Mühlespiel und nichts über das Motiv des Mörders mitteilen. Und ich halte mich an Vereinbarungen, Frau Weiler." Der zweite Satz war hörbar keine Versicherung oder Beschwichtigung, sondern die schlichte Feststellung einer unumstößlichen Tatsache. Einer Tatsache, die ich besser nicht hinterfragen sollte, wenn ich nicht doch eine verärgerte Seite unseres sonst so besonnenen und nachsichtigen Staatsanwalts provozieren wollte.

Spiel mit dem MörderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt